Predigt am Sonntag Septuagesimae, 23.01.2005

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und von Jesus Christus, seinem Sohn, unseren Herrn!

Liebe Gemeinde!

Ich bin enttäuscht. Ich bin sogar maßlos enttäuscht. Da dachte ich, die Arbeit, die ich tue, verdient ihren gerechten Lohn. Und dann das. Wie soll ich das den Arbeitern erklären, die in ihren Betrieben und Werken sich krumm machen, damit das Geschäft brummt?

Wie soll ich das der Krankenschwester erklären, die oft über ihre Arbeitszeit hinaus noch eine Nachtschicht macht, und kaputt des Morgen in ihr Bett fällt.

Wie soll ich das einem Lehrer oder Lehrerin erklären, die entnervt von chaotischen Schülern das Ende des Unterrichtes herbeisehnt?

Wie soll ich das den Erzieherinnen erklären, die doch oft länger als die vorgeschriebenen 38 1/2 Stunden in der Woche arbeiten?

Wie soll ich das all den anderen erklären, die immer wieder sich einsetzen, machen und tun, mehr als eigentlich vorgeschrieben, aber noch weniger als nötig.

Arbeit verdient doch ihren gerechten und keine Almosen.

Und die vielen Leute erst mal, die ohne einen Pfennig zu bekommen, den Laden am Laufen halten. Die Kranke besuchen, die Kaffee kochen, die Jugendgruppen leiten und und und......Die ab und zu mal ein Wort oder eine Geste des Lobes erwarten.

Ich bin maßlos enttäuscht.

Ich bin maßlos enttäuscht von dir, Jesus. Von dem, was du da gesagt hast. Das lässt mich zweifeln, an dem was ich hier tue, was wir alle tun, die wir uns auf dich berufen. Auf dich Jesus!

Was du da gesagt hast kann ich nicht glauben:

Da fragen dich deine Jünger, wie sie dir nachfolgen können und da sagst du ihnen auch das:

Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken.

Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war?

So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Jesus, ich bin maßlos enttäuscht. Du kannst doch im Ernst nicht verlangen, dass ich keinen Lohn für das zu erwarten habe, was mir befohlen ist.

Klar, die Menschen die ihr Geld durch Arbeit verdienen müssen, können vielleicht diesen Worten in Teilen zustimmen. Erst die Arbeit, dann das Essen. Klar erst, wenn du was geleistet hast, kriegst du deinen Lohn. Klar manche arbeiten wenig, drücken sich, aber die meisten tun das, was ihnen aufgetragen ist. Und mehr. Fahren sogar Überschichten.

Aber Sklaven, Knechte ihres Herrn, ihres Arbeitgebers. Nein, das sind sie nicht. Sie haben Rechte und Pflichten. Da können wir stolz drauf sein. Und noch längst ist nicht die Gerechtigkeit erreicht, die wir brauchen. Immer noch bereichern sich einige Reiche auf Kosten der Armen. Immer noch wird in vielen Berufen und bei vielen Arbeiten die Arbeitskraft der Arbeiterinnen und Arbeiter ausgebeutet. Was in sozialen Berufen oftmals verdient wird, ist doch ein Witz.

Und der Arbeitsplatzabbau? Da kann man denken, da hat man für die Firma geschuftet, und dann, so von jetzt auf gleich, wirst du entlassen. Weggeworfen. Als unnützer Ballast wegrationalisiert. Also doch behandelt wie ein Sklave.

Nein, Jesus, das kann es doch nicht sein. Da geht's dem Sklaven in deinem Gleichnis bald noch besser. Für den hatte sein Herr zu sorgen. Das Essen und das Trinken, die Wohnung. Das hatte ein Herr seinem Sklaven zu bereitzustellen.

Du siehst, diesen Leuten geht den Gleichnis auch schon zu weit. Man könnte dich glatt für arbeitgeberfreundlich halten. Denn dein Gleichnis könnte eine Anleitung zur Minimierung der Kosten und Maximierung der Gewinne sein.

Aber eigentlich meinst du mit diesem Gleichnis ja uns. Uns Christen, die wir auf dich berufen. Die wir deine Jünger sein wollen und dir in dieser Welt nachfolgen.

Die meisten von uns erwarten ja gar nicht viel. Ich bekomme ja noch mein Gehalt und kann sagen, für das Essen und Trinken meiner Familie und mir ist gesorgt. Das kann ich im weitesten Sinne für alle sagen, die in deinem Auftrag in der Gemeinde, in der Diakonie, in der Kirche arbeiten. Aber was ist den unzählig vielen, die ehrenamtlich arbeiten. Die keinen Pfennig für ihre wichtigen Dienste sehen. Ohne die nichts in deiner Kirche und deinen Gemeinden passieren. Auch die haben nichts zu erwarten. Sollen sie immer sagen: Ich hab nur das getan, was mein Herr Jesus mir aufgetragen hat. Sollen sie gar sagen: Ich bin nur ein unnützer Knecht.

Also, Jesus, in welcher Welt leben wir denn!

Wenn diese vielen Menschen, die sich für dich krumm machen, nicht irgendwo eine Belohnung bekommen, meinst du nicht auch, dass sie irgendwann jegliche Lust und Motivation an ihrer Arbeit verlieren. Das gilt auch für die, die bezahlt werden, wenn das Geld immer weniger wird. Meinst du, die tun alles nur für die Katz? Leistung soll sich doch lohnen, meinst du nicht, dass die sich getäuscht fühlen, wenn überall für Leistung ein Lohn gezahlt wird?

Also, ich bin maßlos enttäuscht!

Ich kann nicht verstehen, was du da deinen Jüngern gesagt hast. Ich kann nicht verstehen, daß ich nur ein unnützer Knecht bin, daß ich keinen Lohn zu erwarten habe, dass ich das tun soll, was mir aufgetragen ist.

Also los hilf mir, damit das verstehe, sonst bin ich nicht länger dein Jünger. Sonst kann ich nicht versuchen, dir nachzufolgen.

Tja, liebe Gemeinde, jetzt sind wir ratlos. Was soll uns das Gleichnis vom unnützen Knecht sagen. Jede Faser in mir wehrt sich dagegen, das zu akzeptieren. Mir als Theologen können sie natürlich zu Recht vorhalten, das muss ich doch erklären können. Sicher, aber auch ich ärgere mich mich über dieses Gleichnis. Ich kann nicht immer den Nächsten lieben, ich kann nicht immer Gott lieben, und manchmal Zweifel ich an das, was er von mir will. Und ein bisschen Lohn, ein paar Streicheleinheiten, die tun doch gut, die machen Mut, den Weg weiterzugehen.

Liebe Gemeinde, dieses Gleichnis ist ein typisches Beispiel dafür, was passiert, wenn Jesu-Worte und biblische Inhalte, die Worte Gottes aus dem Zusammenhang reißt, und sie nur für sich stellt. Wir haben vorhin in der Lesung, das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg gehört. Auch so ein Gleichnis, das manchen von uns ärgert. Und zwar die, die ihre Arbeit immer tun, die einen gerechten Lohn haben wollen, die für 100 % Arbeit auch 100 % Lohn haben wollen, und bei 20 % Arbeit auch entsprechend 20 % Lohn geben wollen.

Dieser Herr im Gleichnis verhält sich anders, aber gibt allen den gleichen Lohn. Er gibt jeden mehr als genug. Er ist freigiebig. Er ist gnädig. Und es ist der gleiche Herr, von dem in unserem Gleichnis die Rede, der gleiche Herr, der seinen Sklaven erst nach getaner Arbeit seinen Lohn gibt.

Dieser Herr hat uns schon unseren Lohn gegeben. Einen überreichen Lohn. Seine Liebe in seinem Sohn, in Jesus Christus. Dieser Herr hat die Welt geschaffen, in der wir leben, er gibt uns alles, was wir brauchen. Dieser Herr hat uns eigentlich gar nicht nötig. Was für einen Nutzen haben wir für ihn? Sklaven sein? Das wäre zu billig.

Aber geliebte Menschen, begnadete Menschen, begabte Menschen, die seinen Willen hier auf Erden in die Tat umsetzen können. Die eben keinen Lohn erwarten, weil sie den Lohn Gottes längst bekommen haben. Seine Liebe. In Jesus Christus.

In dieser Welt haben wir von unserem Gott keinen Lohn mehr zu erwarten. Und nur darum geht es in diesem Gleichnis. Nicht wie wir mit unseren Lohngedanken untereinander umgehen. Jesus selbst war Beispiel dafür. Er verlangte keinen Lohn für das, was er tat. Mit seiner von Freunden und Freundinnen zog er durch Dörfer und Städte, heilte Kranke, erzählte Geschichten vom großen Traum und der Leidenschaft Gottes. Nicht die Tränen der Traurigen waren Lohn für ihn, sondern das Lachen der Geheilten und Getrösteten. Keiner zählte mehr bei ihm, nur weil er Geld oder Ansehen hatte. Er behandelte alle gleich. Die Hure wie den Hauptmann, den Zöllner wie den Pharisäer. Er teilte Liebe aus und verachtete die Macht der Mächtigen. Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen. König hätte er werden können, doch er zog die Gemeinschaft der Gescheiterten und Verachteten vor. Er war bei denen, die Liebe und Anerkennung brauchten. Er war nicht bei den Himmelsstürmern aber bei den Menschen. Und zu diesen sagt er wie zu uns: Kommt setzt euch an meinen Tisch. Ich bin euch. Ich habe euch geliebt, ehe ihr geboren seid. Ich liebe euch, in dem was ihr tut. Ich liebe euch bis an das Ende der Zeit.

Wenn ich das weiß, dann bin ich nicht mehr enttäuscht, von Jesus. Im Gegenteil. Ich bin befreit. Denn ich weiß, das mir mein Lohn bei Gott längst sicher ist. Seine Liebe.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, schenke uns neue Lebenskraft und Phantasie, dort wo wir in Jesu Nachfolge leben. Amen

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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