Predigt am Reformationstag, 31.10.2005, Matthäus 10, 26b - 33

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Liebe Gemeinde!

Der Anschlag der Ablaßthesen Luthers an die Tür der Schloßkirche in Wittenberg jährt sich heute zum 488 mal. Es ist Reformationstag. Gestern wurde die Frauenkirche in Dresden wieder eingeweiht nach ihrem Wiederaufbau. Erstaunlich wie viele Menschen gerührt waren, wie viele die Frauenkirche sehen wollten. Es wurde von einem Wunder gesprochen, dass da geschehen ist und von einem Zeichen der Versöhnung, des Friedens. Dem letzteren kann ich zustimmen, doch Aufbau einer Kirche kann ich wohl für erstaunlich aber nicht für ein Wunder halten.

Man mag mir widersprechen, doch ein Wunder wäre für mich, wenn das, was im heutigen Predigttext gefordert wird, wahr würde. Er steht im Matthäusevangelium, Kapitel 10, Vers 26 – 33:

Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.

27 Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.

28 Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können;  fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.

29 Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater.

30 Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt.

31 Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.

32 Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.

33 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.

 Liebe Gemeinde!

 „Wer die Wahrheit nicht weißt, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie ein Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ So spricht Galileo Galilei nach Bertholt Brecht im seinem Stück: Leben des Galilei.

Wer wider besseres Wissen die Unwahrheit sagt, der sündigt, der begeht einen Verrat. Und ein Verrat ist durch nichts zu rechtfertigen.

Vielleicht können wir das Verrat nennen, was die Reformation ausgelöst hat. Den Verrat, den die Kirche damals an dem ihr aufgetragenen Schatz begangen hat. Einen Verrat an das Evangelium. Einen Verrat an die lebensspendende und lebensermöglichende Botschaft Jesu Christi. Längs wurde die Botschaft vom Kreuz dem Kommerz unterworfen. Der Handel mit dem Ablass besonders war es, der die Augen der Mächtigen der Kirche im Schein des zu erwartenden Goldes leuchten ließen. Ja, es war teilweise soweit gekommen, dass Gnade nicht mehr verdient werden konnte durch gute Taten. Gnade musste teuer bezahlt werden. Und die Kassen der Kirche klingelten immer lauter.

Die Geschichte der Kirche ist voll von diesen Verratsgeschichten. Verrat an der Botschaft des Evangeliums. Verrat an Gott selbst. Spätestens als die Kirche im römischen Reich Staatskirche wurde. Die Geschichte der Mission, die Kreuzzüge, die Eroberung der neuen Welt. Voll von Verratsgeschichten an die Botschaft Christi.

 „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf!“ Sicher ist dieser Satz eine Spitze von Brecht. Es hat nun nicht jeder die geistigen Möglichkeiten, alle Ereignisse auf der Welt zu verstehen, oder man hat ganz einfach schlicht nicht die Möglichkeiten an die entsprechenden Informationen zu kommen. Den Dummkopf den Brecht hier meint, dass kann jeder von uns sein. Wer heute noch nicht Radio gehört oder ferngesehen hat, der hat das politische Erdbeben in der SPD noch nicht mitbekommen. Der ist noch lange kein Dummkopf.

Anfang des 17., Jahrhunderts, der Zeit des Galileo Galilei, des italienischen Gelehrten der Mathematik, Physik und Astronomie, konnte ebendieser per Fernrohr den Beweis führen, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist. In seinem Fernrohr erblickte er die vier größten Monde des Jupiters. Jeder, der hindurchblickte, konnte das Gleiche sehen. Mit seiner Beobachtung stellte er das damalige Weltbild auf dem Kopf. Und viele wehrten sich dagegen. Besonders die Katholische Kirche. Das ging soweit, dass Galileo seine Entdeckung widerrufen musste, um nicht auf dem Scheiterhaufen zu landen. Etwas einfach dargestellt. Doch es ging eben um die Wahrheit. Um die Wahrheit, dass nicht die Erde der Mittelpunkt des sichtbaren Kosmos ist, und auch nicht die Sonne, wie es immer noch viele bis heute meinen. Die Ordnung der Welt, der Kirche kam durch diese Entdeckung durcheinander. Wo doch jedem unvoreingenommenen gebildeten Menschen damals schon klar, was diese Entdeckung in letzter Konsequenz bedeutete. Das die Kirche den Alleinanspruch auf die Verkündigung der Wahrheit verloren hatte. Was sich in der reformatorischen Erkenntnis Luthers und der anderen Reformatoren angekündigt hatte, fand in Galilei und anderen seine Fortsetzung. Darwin und die Entwicklung der Arten seien hier besonders genannt. „Wer aber die Wahrheit kennt und sie Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“

Das ist Geschichte heute. Wir leben mit diesen Erkenntnissen, die zwar immer noch von vielen bestritten werden, die aber der Wahrheit über unserer Welt am nächsten kommen. Wir können historisch gesehen diese Ereignisse beurteilen, vielleicht auch verurteilen, doch sollten wir nicht vergessen, uns an unsere eigene Nasen zu packen.

Denn wenn wir das Weltbild Jesu anschauen, dann sehen wir schnell, dass es ihm nicht darum ging, ob die Erde oder Sonne oder sonst was Mittelpunkt des sichtbaren Kosmos ist. Es ging ihm nicht darum, ob wir vom Affen abstammen, oder ob wir den Mond und bald den Mars betreten können.

Ihm ging es nur um eine einzige Botschaft. Um die Nachricht, die diese Welt braucht, die wir brauchen um leben, ja um überleben zu können. Die Gute Nachricht von der Liebe Gottes. Die Gute Nachricht, dass Gott bei uns ist. Das er uns das Leben geschenkt hat, das er helfen will, damit wir leben können. Ja, dass er uns sogar Leben schenkt, dass nicht an der Grenze zum Tod endet, sondern schon jetzt vom Hauch der Ewigkeit berührt ist.

Und diese Botschaft ist Wahrheit. Wahrheit, die von Gott kommt, Wahrheit, für die es sich lohnt, Risiken einzugehen. Wahrheit, die bekannt werden will, vor Gott und vor der Welt. „Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Das sagt Jesus. Wer sich zum ihm hält, zu dem hält sich auch Jesus am Ende der Tage.

Der andere Satz, der klingt fast wie das Zitat aus Brechts Drama: „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Mit den Worten Brechts heißt das: Wer die Wahrheit über Christus weiß, wer die Worte seiner Liebe gehört und gespürt hat, das aber nicht an die Menschen weitergibt, der begeht ein Verbrechen an Gott. Und ein Verbrechen an Gott, das nennen wir Sünde. Wer so handelt, der kann nicht damit rechnen, dass Christus sich am Ende der Zeit der Welt zu ihm hält. Der muss mit dem schlimmsten rechnen. Denn nicht der Teufel ist es der Leib und Seele in der Hölle schmachten lässt, wie wir Menschen immer gerne erzählen. Es ist Gott selbst, denn er lässt zu, dass das geschehen kann.

Vielleicht predige ich ihnen jetzt ungewohnt hart. Doch wer sich als Christ bezeichnet, der hat auch Verantwortung für die Botschaft, die ihm zum Christen werden. Jesus Christus ist kein Kuschelgott. Seine Botschaft von der Liebe ist kein Weichspüler der Verantwortung. Wer davon träumt nach der Taufe als Pantoffelchrist gemütlich das Ende aller abwarten zu dürfen, der geht in die Irre.

Wir Christen haben Verantwortung. Die Zeit der billigen Gnade ist seit der Erkenntnis Luthers und der anderen Reformatoren vorbei. Sie lässt sich nicht erkaufen. Weder bei Aldi noch in einem Nobelschuppen auf der Kö in Düsseldorf.

Die Gnade und Liebe ist uns in Christus geschenkt. Das hat Luther immer mit äußersten Nachdruck gepredigt. Aber er hat auch gepredigt: Wer um diese Gnade weiß, der will und wird sie auch in seinem Leben deutlich machen. Das Geschenk der Liebe Gottes ruft uns in die Verantwortung für die Gute Nachricht, aber auch für die Welt. Denn unser Bekenntnis zu Christus hat auch Auswirkungen für unsere Welt. Für unseren Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Wer sich so zu Jesus Christus bekennt, der muss heute zunehmend mit Widerstand rechnen. Auch mit öffentlichen Widerstand. Doch das Bestehen in diesen Widerstand. Das ist der Ernstfall des Glaubens. Wir haben es heute in Europa und in Deutschland damit heute recht einfach. Wer sich als Christ bekennt, hat höchstens den Spott mancher Mitmenschen zu ertragen. In anderen Ländern ist es teilweise lebensgefährlich, und doch sind Menschen dazu bereit, die Botschaft Christi bis zum Letzten zu verteidigen. So wie es Luther tat, der mal als einmal um sein Leben fürchten musste.

Liebe Gemeinde,

eine Reformationspredigt kann nie erschöpfend sein. Sie werden sicherlich vieles vermissen. Vielleicht hätten sie mehr Konkretes von mir erwartet. Vielleicht etwas mehr Besinnliches. Das alles aber zu seiner Zeit.

Doch am ende möchte ich noch mal auf den Anfang zurückkommen. Ich habe gesagt, wenn das wahr werden würde, was Jesus mit seinen Worten von uns verlangt, das ist ein Wunder. Und dabei bleibe ich. Der wer hat schon die Kraft sich immer in jeder Lebenslage zu Christus zu bekennen. Aus uns heraus schaffen wir das gar nicht. Kann das kein Mensch schaffen. Zum Glück hat Gott alle Haare auf unseren Kopf gezählt. Und ich möchte manchmal gerne wissen, bildlich gesehen, wie viel Haare ihm schon ausgefallen sind aus Kummer über uns, oder wie oft er sich dieselben gerauft hat. Zum Glück sind wir Gott mehr wert als die Sperlinge. Für mich kann das nur heißen, dass Gott um unsere Unzulänglichkeiten weiß. Ein kleiner Trost. Christus verlangt nichts Übermenschliches von uns. Reformation bedeutet nicht, den Glauben neu zu erfinden. Reformation bedeutet, wir müssen uns auf die Wurzeln unseres Glaubens in Christus besinnen. Dann, und nur dann mit der Hilfe Gottes, können wir dieses Wunder schaffen uns zu Christus zu bekennen mit Gottes Hilfe. Denn Christus bekennt sich zu uns, vor Gott, seinem und unserem Vater…….  Amen…….

 Und der Friede………………
 
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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