Predigt am Sonntag Quasimodogeniti, 23. April 2006, Kolosser 2, 12-15

Der  Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!
Liebe Gemeinde!
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Ja, auch heute haben wir allen Grund in den Osterruf einzustimmen. Nicht nur am Ostersonntag ist er wichtig. Wirklich wichtig wird er ist in den Tagen danach. Wenn uns der Alltag wieder hat. Wenn die Erinnerung an Ostern verblasst. Wenn wir die Auferstehung Christi ins Kirchenjahr eingeordnet haben, und so schleichend dazu beitragen, sie nicht ernst zu nehmen.
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
Doch ohne den lebendigen Christus wären wir nichts. Erst durch ihn sind wir geworden, was wir sind: Boten seiner Frohen Botschaft von Gottes Liebe, die selbst den Tod überwindet.
Auch der heutige Predigttext nimmt darauf Bezug. Paulus, oder einer seiner Schüler, schrieb einen Brief an die Gemeinde in Kolossä. Keine große Stadt. Aber sie lag an einem großen Handelsweg zwischen Sardes und Ephesus und Westen und Tarsus im Osten. Viele Menschen kamen durch diese Stadt. Und so bot sich dieser Ort als Missionsort für Christus geradezu an. In den Schreiben an die Gemeinde geht es hauptsächlich darum, was Christsein bedeuten kann. Und an mehreren Stellen bringt Paulus es auf den Punkt. So auch im 2. Kapitel:
12 Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. 13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. 14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. 15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.
Liebe Gemeinde!
Kennen sie das? Sie gehen zum Briefkasten, öffnen ihn und warten verheißungsvoll auf die Post, die sie darin finden. Wer hat mir geschrieben? Endlich ein Brief von meiner Freundin. Mist, die Rechnung von den Stadtwerken. Was will denn die Telekom von mir? Werbung….
Ich bekomme mittlerweile 2 -3 mal am Tag Post. Seit es die privaten Briefzusteller gibt, rappelt frühmorgens der Briefkasten, mittags und sogar schon mal am frühen Abend. Meist ist es dienstliche Post. Fast mehr noch flattert Werbung ins Haus. Die nervt. Bestellen sie den neuen Kaffeeautomaten…. 10 Ordner zum Preis von 8….. Mit unseren Predigthilfen können sie ihre Gemeinde verblüffen.. Manchmal schau ich mir was an. Aber das meiste landet in der Ablage P wie Papierkiste und wird freitagmorgens zum Abholen rausgestellt.
Wirklich interessante Briefe sind auch darunter. Aber nur so 1-2 pro Tag.
Und als ich den Predigttext las, hatte ich folgende Idee:
Was wäre, wenn ich plötzlich einen ganz unerwarteten Brief bekomme. Was wäre wenn ich gerade in der Woche nach Ostern einen Brief bekomme, der mich an Ostern erinnert. Sozusagen, eine Mahnung. Was wäre, wenn ich einen Brief wie diesen bekomme: (Brief hochhalten….
Vorne steht drauf: An Jürgen
Und hinten als Absender: Jesus
Das alles in großen Buchstaben. Seltsam. Auch keine Briefmarke. Was soll das denke ich? Wer schreibt mir einen solchen Blödsinn. Ich will den Brief schon wegwerfen, aber eine leichte Neugier lässt mich ihn dann doch öffnen. Ich ziehe ein Blatt Papier hinaus. Eine handgeschriebene  DIN A4 Seite kommt zum Vorschein.
Ersten Abschnitt vorlesen…
Hallo Jürgen,
hast du schon vergessen, dass letzte Woche Ostern war?. Du tust gerade so, als sei da nicht gewesen. Auf dem Tisch bei dir zu Hause stehen noch die Oster-Süßigkeiten und letzte Ostereier,… aber hat Ostern sonst noch eine Bedeutung für Dich?
Schau Dir doch mal Dein Leben an. Es wird von Terminen diktiert. Hier ein Besuch, da eine Sitzung, Montag geht es nach Köln und abends noch der Besuchdienstkreis. Wie willst Du das schaffen? Du bist ständig auf Achse, rackerst Dich ab und spürst gar nicht, wie das Leben an Dir vorbeigeht. Und Du merkst gar nicht mehr, was wirklich wichtig und was unwichtig ist!
Mein Gott, denke ich, da hat jemand meinen Terminkalender gelesen. Aber es ist ja bekannt, dass ich ständig unterwegs bin, und nur schlecht zu erreichen. Ich denke an meine Familie, die kommt immer viel zu kurz, ich denke auch an mich, so richtig zeit nehme ich mir gar nicht für mich selbst.
Zweiter Abschnitt
Jürgen, wenn Du so weiter machst, bist Du irgendwann ganz kaputt. Das Joggen, der Marathonlauf nächste Woche, das ist ja ganz nett, aber wie gehst Du sonst mit Dir um? Du schläfst zu wenig, hast kaum Ruhezeiten, und wenn, dann hängst Du nur rum. Wo bekommst Du Deine Kraft her? Wo tankst Du wirklich auf? Was ist mit Deiner Seele. Hat sie Zeit und Raum auch mal in Ruhe vor Gott zu sein? Wie steht es mit Deiner Verbindung zu Gott? Du hast einen PC und einen schnellen DSL-Internetanschluss, aber bist Du ständig mit Gott online? Hast Du mal Deine göttliche Flatrate überprüft? Weißt du überhaupt noch, wie Du Gott erreichen kannst?
Ich werde ein wenig verlegen. Da ist was dran. Morgens, wenn ich meinen PC an mache, da sehe ich dann die Tageslosung auf dem Bildschirm. Aber nehme ich mir wirklich Zeit für Gott und für meine Seele? Ich fühle mich ertappt. DA hat mich jemand an meinen schwachen Punkt gepackt. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, ich spüre Gott gar nicht mehr in meiner Nähe. Ich tue dieses Gefühl weg. Zu oft. Denke nicht darüber nach. Stürze mich lieber in den nächsten Termin oder die nächste Arbeit. Und vergesse Gott und mich, meine Seele dabei..
Dritter Abschnitt…
Und jetzt will ich Dir noch was sagen! Weißt Du eigentlich, wie viele Menschen auf Deinen Besuch warten? Wendest Du Dich wirklich den Schwachen, den Kranken und allen anderen Bedürftigen zu? Bist Du nicht schon genervt, wenn schon wider gewisse Obdachlose an Deiner Türe stehen, oder manche Leute Dich anrufen? Wie heißt es noch: Was Ihr einem meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt Ihr mir getan! Jürgen, wenn ich Dich noch auf Gerechtigkeit hinweise, die zu Hause und in der Welt, tust Du da genug? Setzt Du Dich wirklich für die Umwelt ein. Oder legst Du nicht auch mal zu oft die Hände in den Schoß?
Jetzt höre ich auch noch eine Moralpredigt. Langsam werde ich sauer. Das muss ich mir nicht alles sagen lassen. Ja, es stimmt, manche Leute nerven mich. Aber bin ich Jesus? Gerechtigkeit in der Welt, die Umwelt, ja ich könnte noch mehr tun. Aber alles hat irgendwo eine Grenze. Doch unwillig lese ich weiter:
Vierter Abschnitt:
Jürgen, Du bist viel zu oft wie tot. Für Dich, Deine Familie, Deine Mitmenschen. Ein Abhänger, einer, der sich auch noch selbst beklagt. Weißt Du, dass widert mich an, wenn ich das sehe! Meinst Du, dafür bin ich ans Kreuz gegangen? Meinst Du, Du lebst noch, weil Du noch nicht klinisch tot bist? Ich schreibe Dir nur aus dem einem Grund diesen Brief: Damit Du aufwachst!
Also jetzt reicht es. Kopfschüttelnd lege ich den Brief weg. Das ist völlig überzogen. Manches stimmt ja, aber so dick muss der Schreiber auch nicht auftragen. Erst will ich ihn wegwerfen, diesen Brief. Doch dann lasse ich ihn liegen. Um später noch mal zu lesen. Wenn der erste Ärger verraucht ist. So wie ich das mit allen unbequemen Briefen tue.
Und ich denke an unseren Predigttext. Da heißt es auch: Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.
Die Worte des Paulus haben eine ganze Menge mit mir zu tun. So weit sie weg waren so unverständlich. Doch plötzlich beginne ich mehr zu verstehen. 
Der Predigttext fängt an ja mit den Worten: „Mit ihm seid ihr begraben worden“, und in dem komischen Brief hieß es doch auch, dass ich im Grunde genommen schon tot sei. Lebendig und doch schon tot? Kann das sein? Und wenn ja, wäre das das Ende oder gibt es Hoffnung?
 Der Sonntag heute heißt Quasimodogeniti. Das ist lateinisch und heißt: wie die neugeborenen Kinder. (1. Petr 2, 2; deutsch: Wie die neugeborenen Kindlein seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch). Traditionell sind an diesem auch weißen Sonntag genannten Feiertag viele Taufen vollzogen worden. In den katholischen Kirchen findet am vielen Orten die Erstkommunion statt. Menschen werden weiß, werden rein von Schuld, werden wie die neugeborenen Kinder.
 Ja, vielleicht liegt in der Taufe das Geheimnis von Tod und neuem Leben: Die Menschen wurden früher so getauft: Zunächst hinab gerissen in die Wasserfluten eines Flusses und dreimal solange unter Wasser gehalten, bis man fast ertrunken war. Neues Leben soll das bedeuten. Neue Hoffnung. Neue Zuversicht. Neues Leben. Ein neuer Anfang. Als ob mich einer aus meinem selbstgeschaufelten Grab wieder herausholt und mir neues Leben schenkt. Unsere Taufe ist nur ein schwaches Überbleibsel, wenn wir dreimal mit Wasser besprengt werden.
 Taufe will uns verwandeln – neugeboren sollen wir werden – auferstehen mit Christus – wie die neugeborenen Kinder, reingewaschen, der Dreck, die Schuld ist ab. Mit Jesus darf ich auferstehen aus dem Tod mitten im Leben. Das meint Paulus mit seinen Worten (Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden. Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet)
 Sicher, ich habe meine Brief selbst geschrieben. Aber, das kann jeder von Ihnen nachvollziehen. Vielleicht sollten wir öfter mal solche Schuldbriefe schreiben. So nach dem Motto: Was würde Jesus Sagen?
Meinen Schuldbrief will ich heute ans Kreuz heften als Zeichen und Erinnerung dafür, dass Jesus mir meine Sünden vergeben hat, dass Jesus mich aus dem Tod holt, auch schon in diesem Leben. Jesus lebt. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
(Brief ans Kreuz heften)
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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