Predigt am Sonntag Quasimodogeniti, 3. April 2005, Johannes 21,1-14

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
 
Ein seltsamer Tag zum Predigen. Der Tod des Papstes Johannes Paul II. am gestrigen Abend lässt auch uns als Evangelische Christen nicht unberührt. Wenn auch viele von uns mit einigen seiner Reden und Taten nicht einverstanden waren, so kommen wir nicht umhin, diesen Papst als einen der wichtigsten und einflussreichsten Menschen der Gegenwart anzuerkennen. Er war vielen zu unmodern, gerade in moralischen Diskussionen. Bsp. Empfängnisverhütung zu konservativ. Doch immer war er sich treu und ging immer wieder auf die Menschen zu. Ohne Abstriche trat er immer wieder unermüdlich für den Frieden in der Welt ein.
Bischof Huber, Vorsitzender des Rates der EKD erklärt dazu: „Mit Papst Johannes Paul II. hat die Welt einen eindrücklichen Zeugen des Evangeliums verloren. Er wird als einer der bedeutendsten Päpste in die Kirchengeschichte eingehen.
Unter seinem ungewöhnlich langen Pontifikat hat die römisch-katholische Kirche weltweit an öffentlicher Präsenz und Ansehen gewonnen.“ Huber würdigte die charismatische Persönlichkeit des Papstes. "Seine Menschlichkeit und seine Frömmigkeit haben den Papst aus Polen zu einem bedeutenden geistlichen Führer und einer moralischen Instanz gemacht." Johannes Paul II. habe dem Papsttum über die Grenzen der katholischen Kirche hinaus eine außerordentliche Popularität verschafft.
Dankbar erinnere sich der Ratsvorsitzende an die persönlichen Begegnungen mit dem Papst, zuletzt bei einer Privataudienz im August 2004 in Castel Gandolfo. "Die Evangelische Kirche in Deutschland trauert mit ihren katholischen Brüdern und Schwestern um Papst Johannes Paul II. Durch seinen Tod ist die Welt ärmer geworden, sie hat einen großen Menschen verloren. Gott schenke seiner Seele Frieden in der Freiheit von allem körperlichen Leid."
Und so ist es auch schon seltsam, dass heute ein Predigttext dran ist, der mit dem Begründer des Papsttums, dem Jünger Petrus, viel zu tun hat. Eine nachösterliche Geschichte vom Fischzug des Petrus und der anderen Jünger.
Ich lese den vorgeschlagenen Predigttext aus Johannes 21:
1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und  Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.
4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber  die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder,  habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
7 Da spricht der Jünger,  den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.
8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.
10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!
11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
13 Da kommt Jesus und  nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische.
14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
 
Liebe Gemeinde!
Eine seltsame Geschichte. Der Leser des Johannesevangeliums hat gerade vom Ende des Buches gelesen und jetzt klappt diese Geschichte noch nach. Und zudem kommt sie einem bekannt vor. Stand sie nicht schon mal woanders, Lukasevangelium und spielte am Anfang von Jesu Weg. Stießen nicht damals die ersten Jünger zu ihm. Allen voran Petrus? So ist es. Und doch ist diese Geschichte anders. Sie weiß von den Ereignissen in Jerusalem, Von der Auferstehung. Von der Offenbarung des Auferstandenen unter den Jüngern.
Wir könnten uns fragen, warum Johannes diese Geschichte noch erzählen musste. Weil er drei Berichte über den Auferstandenen haben wollte. Die Dreizahl galt und gilt als besonders glaubwürdig. Ein Blick auf die Umgebung, auf den Zustand der Jünger hilft da weiter.
Es waren nicht mehr 11 oder 12 Jünger. Es waren nur noch 7 von denen Johannes hier berichtet. Ein Eindruck entsteht, als ob sich die Jünger beginnen in alle Himmelsrichtungen zu zerstreuen. Kein Wort darüber, wo die anderen geblieben. Die Geschichte spielt am See Tiberias, also in Galiläa, wo Jesus seine Jünger wiedertreffen wollte. Allein scheint nur eine gewisse Zeit seit der Auferstehung vergangen sein. Die Hoffnung auf Jesu Gegenwart hat abgenommen. Vielleicht auch der Glaube an ihm. Die Jünger scheinen desillusioniert. Wieder in der Gegenwart angekommen. All ihrer Hoffnungen und Träume beraubt. Statt Menschen fischen zu gehen, wie Jesus eigentlicher Auftrag lautet sagt Petrus lapidar: „Ich will fischen gehen…“. Deutlicher kann man nicht ausdrücken, dass der Alltag die Jünger wieder hat. Statt sich auf den Weg zu machen, die Geschichte des auferstandenen Menschensohnes bis an die Enden der Welt zu tragen, setzen sie wieder in ihren alten klapprigen Schiffen. „Das Leben geht weiter. Das mit Jesus war doch wohl nur ein schöner Traum. Gehen wir eben wieder fischen.“
Die Fische hatten in jener Nacht anscheinend keine Lust von alleine in die Netze zu gehen. Nichts hatten sie gefangen wird berichtet. Ein Abbild ihrer Wirklichkeit. Als ob sie mit leeren Händen dastehen. Mittellos. Nichts klappt mehr. Als ob das Leben sie ausgestoßen hat. Sie nicht mehr wiederhaben wollte.
Die ganze Nacht ging das so. Als sie dann erschöpft zum Ufer zurückkehren wollten, steht da einer und fragt: „Kinder, habt ihr nichts zu essen.“ Sie erkannten ihn nicht. Die Antwort war kurz und enttäuschend wie es die Nacht für die Jünger auch war: „Nein!“ Ihre Antwort war symptomatisch für ihre Situation. Hoffnungslos. Dieses kleine Nein zeigt aber auch, dass sie beginnen zu erkennen, dass sie in ihrem Leben wieder falsch liegen.
Sie erkannten nicht, wer sie da ansprach. Mit einem väterlichen Ton, dem sie wohl sofort vertrauten. Denn dieser Unbekannte gibt ihnen Tipps, wo sie Fische finden können. Eine seltsame Situation. Petrus und die anderen wussten doch eigentlich genug vom Fischen, um zu wissen, wo sie die besten Fänge in der Nacht machen konnten. Auf gute Ratschläge könnten sie eigentlich verzichten. Und doch stand der einer und gab ihnen Tipps. Und ohne groß Nachzufragen, taten sie das, was der Fremde von ihnen wollte. Sie warfen die Netze auf der anderen Seite aus. Auf der rechten. Sie versuchten es einfach mal anders zu machen. Es spricht für die Jünger, dass sie sich auf eine neue Idee einlassen. Dass sie ein wenig von ihrem bisherigen Weg abweichen, mal etwas anders machen. Etwas, was sie in ihrer Zeit tagtäglich mit Jesus erlebten. Die eingetretenen Wege zu verlassen. Sich immer wieder neuen Situationen und anderen Menschen zu zuwenden. Und sich wieder Gott zuzuwenden. Denn die rechte Seite ist in der Sprache Kanaans die gute Seite, die Seite Gottes.
Und wirklich. Das Netz füllt sich so viel, das die Jünger kaum aus dem Wasser ziehen konnten. Jetzt fäll es ihnen wie Schuppen von den Augen. Es ist der Herr. Es ist Jesus. Der junge Johannes erkannte es als erster. Petrus wollte sofort zu ihm. Gürtete sich seinen Umhang um, denn er war nackt und sprang ins Wasser. Plötzlich war die Lebendigkeit und Stärke in ihm wieder da. Fühlte er, wie neue Kraft ihn durchflutete.
Am Land erwartet Jesus sie. Er hat vorgesorgt. Feuer gemacht. Aber hat auch schon Fische und Brot. Kein Wort davon, wo sie herkommen. Der Mensch lebt nicht vom dem allein, was er zu Leben beisteuern kann. Sondern von dem, was ihm auf seinen Weg mit Gott bereitet wird.  Erst wenn er das erkennt, kann das Seinige dazu beitragen. Nun soll Petrus von den Fischen bringen, die er gefangen hat. Gemeinsam schleppen sie das Netz ans Land. 153 Fische sollen sie gefangen haben. Keiner weiß, was diese Zahl genau bedeutet, wichtig ist, dass das Netz bis zum Bersten voll und dass es nicht reißt. Ein Hinweis darauf, dass die Fischfischer bald wieder Menschenfischer sein werden und unzählig viele sich zu Jesus bekehren. Und dieses Netz riss nicht. Fast als ob damit gesagt wird, wenn ihr Menschenfischen geht, seht zu, dass ihr einig bleibt, keine Risse, sonst werdet ihr nicht erfolgreich sein. Das Netz der Kirche heute scheint voller Risse und Uneinigkeit. Viele Menschen gehen deshalb wieder verloren.
Und schließlich das gemeinsame Mahl: „Kommt und lasst uns essen!“ Die Jünger folgen nur zu gern der Einladung Jesu. Keiner wagt ihm auch nur ein Wort zu fragen. Und doch wissen sie alle, wer da mit ihnen die Auferstehung feiert. Brot und Fisch:  Zeichen für die Jünger: „Ich bin das Brot des Lebens“ hatte Jesus gesagt. Und als Johannes diese Geschichte aufgeschrieben hatte, war der Fisch längst ein Glaubensbekenntnis für die Christus: Ichthus auf griechisch. Eine Abkürzung für Jesus Christos, theou Huios soter. Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter. „Kommt esst mit mir!“ Und die Jünger feiern ihre erneute Auferstehung. Ihre neue Geburt. Jesus ist zu ihnen gekommen und in die Hoffnungslosigkeit hinein neue Hoffnung und neues Leben geschenkt. Sie waren plötzlich wie neugeboren. Durch die Anwesenheit des Auferstandenen wie verwandelt. Zu neuen Leben berufen. Aus dem Alltag, der drohte sie zu umfangen wieder herausgerissen.
Eine seltsame Geschichte, ein seltsamer Tag zum Predigen, sagte ich zu Beginn. Und doch, ich glaube diese Geschichte will uns Mut machen. Will uns zeigen, dass unser Herr Jesus Christus lebt. Das gilt auch für alle, die um Papst Johannes Paul II trauern. Die Auferstehung wird ihm in Christus geschenkt. Der katholischen Kirche wird unter einem neuen Pontifikat ein neuer Anfang geschenkt.
Jesus Christus ist in dieser Welt. Er lebt. Er will, dass wir aus unserem Alltag, wie immer er auch heißen mag, auferstehen. Dass wir ihm in diesem Alltag begegnen können, dass sich unser Leben von jetzt auf gleich ändern kann und wir uns wie neugeboren fühlen. Auferstehung ist möglich. Hier und jetzt
Und der Friede des Auferstandenen, der höher ist als alle unsere Vernunft, sei mit euch allen. Amen
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

zurück zur Übersicht