Predigt am Sonntag Quasimodogeniti, 18. April 2004, 1. Petrusbrief 1,3-9

Der  Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!

Liebe Gemeinde!

Mit diesem österlichen Gruß möchte ich die Predigt beginnen. Ostern ist schließlich erst eine Woche her. Und die Erinnerung an die Auferstehung Jesu kann uns nur gut tun.

Denn im Predigttext für den heutigen Sonntag geht es genau darum. Aber die Zielsetzung ist eine andere als beim Apostel Paulus von dem wir an Ostern hörten. Hat Paulus ca. 25 Jahre nach Jesu Auferstehung seine Briefe geschrieben so sind für den Schreiber de 1. Petrusbriefes wieder einige Jahre vergangen und die erwartete Rückkehr Jesu hat sich nicht eingestellt. Die Situation für die lebenden Christen ist außerordentlich bedrohlich. Der Kaiser Nero hat erste grausame Christenverfolgungen durchführen, und vielleicht gib es schon die nächsten, die der Kaiser Domitian seit 81 befehligte. Die Gemeinden in Kleinasien waren in bedrängter Lage. Manche Christen verloren nach und nach ihren Glauben und ihre Motivation durchzuhalten an ihrem Bekenntnis zum auferstandenen Christus. Andere wiederum erwartn sehnlichst die Rückkehr Christi. Da erreicht der 1. Petrusbrief viele der Gemeinden: Im ersten Kapitel, in den Versen 3-9 hören sie folgendes:

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist.

4 Sie richtet sich auf das neue Leben, das Gott schon jetzt im Himmel für euch bereithält als einen Besitz, der niemals vergeht oder verdirbt oder aufgezehrt wird.

5 Wenn ihr Gott fest vertraut, wird er euch durch seine Macht bewahren, so dass ihr die volle Rettung erlangt, die am Ende der Zeit offenbar wird.

6 Deshalb seid ihr voll Freude, auch wenn ihr jetzt - wenn Gott es so will - für kurze Zeit leiden müsst und auf die verschiedensten Proben gestellt werdet.

 7 Das geschieht nur, damit euer Glaube sich bewähren kann, als festes Vertrauen auf das, was Gott euch geschenkt und noch versprochen hat. Wie das vergängliche Gold im Feuer auf seine Echtheit geprüft wird, so wird euer Glaube, der viel kostbarer ist als Gold, im Feuer des Leidens geprüft. Wenn er sich als echt erweist, wird Gott euch mit Ehre und Herrlichkeit belohnen an dem Tag, an dem Jesus Christus sich in seiner Herrlichkeit offenbart.

8 Ihn liebt ihr, obwohl ihr ihn nie gesehen habt. Auf ihn setzt ihr euer Vertrauen, obwohl ihr ihn jetzt noch nicht sehen könnt. Und darum jubelt ihr mit unaussprechlicher und herrlicher Freude.

9 Denn ihr wisst, dass euer Vertrauen, euer Glaube, euch die endgültige Rettung bringen wird.

Was haben wohl die Menschen in den Gemeinden gedacht, als sie diese Worte hörten? Wie müssen die Menschen damals solche Worte aufgenommen haben? Sie klingen wie ein schöner Traum: "Gott hält neues Leben im Himmel für euch bereit", "Gott wird euch mit Ehre und Herrlichkeit belohnen". Es muss gut getan haben, so etwas zu hören. Man fühlt sich beim Hören auf einmal freier, fast wie über den Wolken schwebend. Gerade wenn wir an die Situation denken, in der die damaligen Christen lebten.

Allerdings: Klingt das alles nicht auch irgendwie nach Vertröstung, nach: „Jetzt geht es euch zwar schlecht, aber wartet nur, im Himmel werdet ihr schon belohnt werden“? Dem christlichen Glauben ist oft vorgeworfen worden, er würde Menschen auf ein besseres Jenseits vertrösten und sie so dazu bringen, die Zustände auf der Erde klaglos hinzunehmen. Ohne nach Veränderung zu streben. Alles duldsam hinzunehmen.

Trifft das zu? Will unser Predigtext, dass Menschen über den Wolken schweben und sich in eine glänzende Zukunft hinwegträumen? Ist er wie Opium für das Volk?

Bei genauerem Hinsehen wird deutlich: Nein, das ist er nicht! Der Schreiber des 1. Petrusbriefes will seine Leser nicht betäuben oder ruhigstellen. Im Gegenteil, er will ihnen Mut machen für ein aktives, christliches Leben im Hier und Jetzt.

Die Christen der damaligen Zeit gerieten mit ihren Mitmenschen deshalb aneinander, weil sie wirklich christlich zu leben versuchten und sich so von ihrer Umwelt abhoben. Sie weigerten sich, den Kaiser göttlich zu verehren, sie lehnten äußerlichen Luxus ab, sie bemühten sich um gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme. Das war Ende des ersten Jahrhundert eine ungewöhnliche Handlungsweise. Die Mächtigen und Einflussreichen waren auf ihren Vorteil bedacht. Die Armen und Versklavten konnten Protest mit ihrem Leben bezahlen. Es war lebensgefährliche seine Meinung in der Öffentlichkeit zu sagen. Die Christen in den Gemeinden wollten das nicht mitmachen. Sie wollten Nächstenliebe leben und den Menschen von der Liebe Gottes erzählen und sie ihnen vorleben. Allein, es gab bei einigen schon manche Zweifel an dem Sinn ihres Tun.

Solchen Menschen will der Briefschreiber sagen: „Habt Mut! Ihr wisst doch, dass Eure Zukunft gesichert ist. Das kann Euch Gelassenheit geben und Kraft. Lebt weiter entschlossen so, wie Gottes es von Euch will!“  

Liebe Gemeinde, was heißt das nun für uns? Was können die Worte des 1. Petrusbriefes uns heute sagen? Auf den ersten Blick scheint sein Anliegen nicht zu uns zu passen. Wir Christen werden in Deutschland nicht verfolgt. Im Gegenteil, wir stellen in weiten Teilen des Landes die Mehrheit der Bevölkerung, wir sind ihre größte gesellschaftliche Gruppe. Immer noch. Zumindest der Mitgliederzahlen nach.

Da tut es auch uns gut, zu einem wirklich christlichen Lebensstil ermutigt zu werden. Denn wenn wir ehrlich sind, kommt auch heute eine Lebenshaltung, die sich vom stillschweigenden Konsens der Mehrheit der Bevölkerung abhebt, nicht gut an. Engagiertes christliches Leben stößt auch heute ab Als bekennender Christ wird man schon mal belächelt. Wer Rücksicht nimmt und sein Leben von Nächstenliebe geprägt lebt, der passt nicht so richtig in heutige Zeit, in der der eigene Vorteil mehr zählt als die Solidarität mit Schwächeren.

Christlicher Glaube darf den Alltag möglichst nicht stören. Jeden Sonntag zur Kirche rennen gilt als verpönt. Die Konfirmandeneltern schicken ihre Kinder lieber alleine zum Gottesdienst, statt sie zu begleiten

Der 1. Petrusbrief erinnert uns: Gott will, dass wir als Christen leben. Gott will uns im Glauben bewahren. Er will, dass wir unser Erbe bei ihm wirklich einmal antreten können. Darum sollen unseren Glauben schon jetzt in unserem Leben zum Ausdruck bringen. Darum sollen wir die Auferstehung praktisch leben. Jeder Tag ist für uns eine neue Auferstehung, geschenktes neues Leben.

Auf welche Ablehnung ein solcher Lebensstil führen kann, hat ein Theologe einmal sarkastisch so formuliert:

"Stell’ dem Menschen auf dem Weg seiner Suche nach Sinn in seinem Leben und der Suche nach Gott einen Fernseher hin mit einem tollen Krimi oder Film. Setz’ ihm einen Kopfhörer auf mit der Musik, die er liebt. Wirb auf 20 Kanälen für Eigenheime, Autos, jugendliche Spannkraft und alte Weine, und er wird mit der Zeit seine Fragen vergessen. Wenn du ihn fragst, weiß er vielleicht nicht einmal mehr, woher er kam und was er unterwegs eigentlich suchte. Aber er wird sich gut fühlen, wird dich zum Querulanten erklären mit deiner ewigen Suche nach Sinn und Gott." So ein Mensch will gar nicht mehr aufstehen aus seinem Fernsehsessel. Solche Menschen läst man in Ruhe, denn wer will schon ein Querulant sein? Was können wir da tun?

Wir können uns möglichst oft erinnern lassen an Gottes Zukunftsentwurf für uns: an die Herrlichkeit, mit der er uns belohnen will, an die endgültige Rettung, die Seligkeit der Seele (wie Luther es sagt). Das ist wie ein Traum für uns - aber eben keiner, mit dem wir aus der Wirklichkeit fliehen, sondern einer, der uns inspiriert, begleitet und stärkt. Die Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz hat diesen Traum von der Auferstehung mal in Worte gefasst:  

Auferstehung / Manchmal stehen wir auf, / Stehen wir zur Auferstehung auf / Mitten am Tage / Mit unserem lebendigen Haar / Mit unserer atmenden Haut. / Nur das Gewohnte ist um uns. / Keine Fata Morgana von Palmen / mit weidenden Löwen / Und sanften Wölfen. / Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken. / Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus. / Und dennoch leicht, / Und dennoch unverwundbar / Geordnet in geheimnisvoller Ordnung, / Vorweggenommen in ein Haus aus Licht."

Auferstehung: Mitten am Tage, dass ist es. Auferstehung kann jederzeit geschehen und wir sollten uns möglichst oft daran erinnern lassen: Durch unsere Gottesdienste, durch gute Musik und Bücher, durch Gespräche mit christlichen Menschen, durch gelegentlichen Verzicht auf liebgewordene aber letztlich nutzlose Dinge. Wir können versuchen, nicht stumpf zu werden, auch wenn wir schon viele Jahrzehnte lang auf dem Weg hin zur ewigen Herrlichkeit sind. Wir können Gott unsere gefalteten Hände hinhalten und um Kraft zur inneren Beweglichkeit bitten. Wir können uns vom Elan junger Menschen, ihrer Neugierde, ihrer positiven Kraft und Kritikfähigkeit inspirieren lassen. Und wenn es möglich ist, sollten wir einfach aufbrechen und sagen, was anders werden muss in unserer Welt und unserer Gesellschaft. Unser ganzes Leben ist wie eine Probe, vor die wir gestellt sind. Doch zum Glück müssen wir Gott keine übermenschlichen Leistungen vollbringen. Es gilt als Menschen zu leben, die auferstehen, schon jetzt in dieser Welt. Die die Hoffnung nicht verlieren, die der Welt die Freude zeigen, der aus dem Glauben an den Auferstandenen kommt. Die sich und der Welt Mut machen an diesem Glauben festzuhalten. Denn dieser Glaube an den Auferstandenen ist es, der letztlich der Welt die Rettung bringt.

Und der Friede Gottes…….

  

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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