Predigt am Ostersonntag, 11. April 2004, 1. Korinther 15, 1-11

Kanzelgruß
Fakten, Fakten, Fakten …kennen Sie diesen Spruch aus der Werbung? So wirbt das Nachrichtenmagazin Focus für sich. Eine Redaktionsrunde ist zu sehen. Der Chefredakteur im Gespräch mit seinen Redakteuren. Es wird über Nachrichten diskutiert, und dann fällt dieser Spruch aus Munde des Chefredakteurs Helmut Markwort: Fakten, Fakten, Fakten. Das Ziel ist klar, die Umsatzzahlen können nur durch diesen Journalismus gesteigert werden. Fakten sind es, die zählen. Es geht nicht um Gerüchte, sondern um Tatsachen. Und mit dieser Strategie hat das Nachrichtenmagazin Focus dem ehrwürdigen Spiegel eine Menge Leser abspenstig gemacht.
Nun was hat das Nachrichtenmagazin mit der frohen Botschaft von Ostern zu tun. Hören Sie den für heute vorgeschlagenen Predigttext aus dem 1. Korintherbrief des Apostel Paulus, Kapitel 15, Verse 1 – 11:
15 1 Brüder und Schwestern, ich erinnere euch an die Gute Nachricht , die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen; sie ist der Grund, auf dem ihr im Glauben steht.
2 Durch sie werdet ihr gerettet, wenn ihr sie unverfälscht festhaltet - und zwar dem Wortlaut entsprechend, in dem ich sie euch übermittelt habe. Anderenfalls wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen!
3 Ich habe an euch weitergegeben, was ich selbst als Überlieferung empfangen habe, nämlich als erstes und Grundlegendes: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war,
4 und wurde begraben. Er ist am dritten Tag vom Tod auferweckt worden, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war,
5 und hat sich Petrus gezeigt, danach dem ganzen Kreis der Zwölf .
6 Später sahen ihn über fünfhundert Brüder auf einmal; einige sind inzwischen gestorben, aber die meisten leben noch.
7 Dann erschien er Jakobus und schließlich allen Aposteln .
8 Ganz zuletzt ist er auch mir erschienen, der »Fehlgeburt«.
9 Ich bin der geringste unter den Aposteln, ich verdiene es überhaupt nicht, Apostel zu sein; denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich es dennoch geworden, und sein gnädiges Eingreifen ist nicht vergeblich gewesen. Ich habe viel mehr für die Gute Nachricht gearbeitet als alle anderen Apostel. Doch nicht mir habe ich das zuzuschreiben - die Gnade Gottes hat durch mich gewirkt.
11 Mit den anderen Aposteln bin ich in dieser Sache völlig einig. Wir alle verkünden die Gute Nachricht genau so, wie ich es gerade angeführt habe, und genau so habt ihr sie auch angenommen.
Fakten, Fakten, Fakten, Paulus redet nicht abstrakt über die Auferstehung. ER führt Zeugen an. Zeugen, die von den Fakten der Auferstehung berichten. Paulus kannte wohl schon die grundlegenden Mechanismen, mit denen man Nachrichten verbreiten. Entweder man setzt ein interessantes Gerücht oder eine spekulative Vermutung in die Welt. Oder man bleibt bei dem, was wirklich geschehen ist. Also bei den Fakten. Und die Fakten der Auferstehung sind eindeutig. Petrus hat ihn gesehen. Petrus, der älteste Jünger Jesu, sein Vertrauter. Ein Mann, der trotz allem mit beiden Füßen auf dem Boden der Realität stand. Den so schnell nichts umhaute. Doch auch dieser Petrus musste erst selbst Jesus begegnen, um an die Auferstehung zu glauben.
Dann der Kreis der Zwölf, die Jünger Jesu, haben ihn gesehen. Und schließlich über fünfhundert Brüder auf einmal. Wenn das mal keine Fakten sind. So viele Zeugen können sich nicht täuschen. Also ist die Auferstehung wahr. Und schließlich leben die meisten von ihnen noch.
Dabei nennt Paulus hier noch nicht mal die ersten Zeugen. Die Frauen, die zuerst am Grab waren. Maria, Salome und Maria aus Magdala. Sie hatten zuerst das leere Grab gesehen, ihnen war Jesus zuerst begegnet. Sie hatten erst einen Riesenschrecken in den Knochen und es dauerte bis dieser der Freude über den auferstandenen Jesus wich. Doch Frauen galten in der Zeit des Paulus als nicht glaubhaft. Deshalb verschweigt Paulus an dieser Stelle diese Tatsache wohl auch. Es den Faktum der Auferstehung den Hauch von Unglaubwürdigkeit gegeben. Und das wollte Paulus nicht.
Und als letzten Zeugen führt er sich selbst auf. Die Fehlgeburt, wie er sich nennt, weil er zunächst die Christen und Christus verfolgt hat, bis er selbst Christus begegnete. Bis dieser ihm aus Gnade begegnete.
Bei so vielen Fakten kann es doch keinen Zweifel an der Auferstehung Jesu geben. So viele Menschen können sich nicht irren, oder doch?
Fakten müssen überprüft werden, damit sie glaubhaft sind. So war das damals, so ist das bis heute. Das schlimmste was passieren kann, eine Nachricht reißerisch aufmachen, auf angeblich absolut glaubwürdige Quellen verweisen. Doch am Ende stellt sich heraus: So war es nicht. Es war anders. Schlimmstenfalls: Alles Lüge! Die Konsequenzen: Sinkende Auflagenzahlen, weniger Umsätze, die Verantwortlichen müssen die Folgen tragen. Und für Paulus: Keiner hätte ihm geglaubt. Keiner hätte an Christi Auferstehung geglaubt.
Denn wenn wir die Berichte über die Auferstehung an schauen, dann können doch leichte Zweifel kommen. Das Ereignis selbst hat keiner gesehen. Die Berichte in den Evangelien sind widersprüchlich. Das Grab war leer. Das berichten alle. Doch das leere Grab heißt noch lange nicht: Ich glaube an den auferstandenen Jesus. Dann gibt es die Berichte, wie die Jünger und die anderen Jesus begegnen. Alles höchst fraglich. Die Orte bleiben unklar. Jerusalem, Emmaus, Galiläa…… Die Fakten sind nicht eindeutig. Sie halten einer objektiven Überprüfung nur schwer stand. Zweifel bleiben. Das ist immer wieder kritisiert worden. Bis in die heutigen Tage hinein.
Doch eines ist ein Faktum, eine Tatsache. Eine, die sich bis heute nicht leugnen lässt: Die Begegnung mit Jesus veränderte die Menschen. Sie verändern ihr Leben. Sie erzählen davon, wie sich ihr Leben veränderte, wie es einen neuen Sinn, ein neues Ziel und neue Hoffnung bekam. Das sind Fakten. Und das ist es auch, was letztlich dem Paulus geschehen ist. Die Begegnung mit Jesus krempelte sein Leben um. Aus dem Christusverfolger wurde der Christusverkünder. Aus dem Saulus wurde der Paulus. Aus böse wird gut. Und allein die Frohe Botschaft von Jesus ist es, die das bewirkte.
Vielleicht ist diese Tatsache viel wichtiger als alle Berichte von der Auferstehung. Vielleicht ist dieses viel wichtiger, als alle Zahlen der Menschen, die Jesus von Angesicht zu Angesicht begegnet sind nach seiner Auferstehung. Vielleicht ist das die eigentliche Auferstehung, die immer wieder geschieht. Bis zum heutigen Tage. Vielleicht ist das der eigentliche Glaube an die Auferstehung. Das ich sagen kann. „Jesus lebt, mit ihm lebe auch ich!“
Wenn man bedenkt, wie klein die Schar der Christen in Korinth war, dann hat das Christentum eine wahre Erfolgsgeschichte geschrieben. Es die Zahl der Anhänger kontinuierlich gesteigert. Von vielleicht 60 – 100 Leute zur Zeit Paulus in Korinth auf mehrere Millarden in der heutigen Zeit. Doch es wäre zu kurz gedacht, dieses Fakt als das bedeutendste für das Christentum darzustellen.
Es geht nicht um die Zahl, es geht um die Begegnung mit Christus. Mit dem wahrhaft Auferstandenen. Mit dem Lebensveränderer.
Dieses Fakt ist es, was uns mit den Menschen in Korinth verbindet. Hier finden wir die Brücke von der damals zum heute. Stellen wir uns doch mal vor, wie über die Auferstehung heute im Kreise einer solchen Redaktionssitzung diskutiert würde.
„Hey Chef, ich habe hier eine seltsame Story. DA ist ein Jesus, der hingerichtet wurde, plötzlich wieder lebendig geworden. Viele wollen ihn gesehen haben. Viele Anhänger hat er schon gefunden. “ „Und,“ fragt der Chef, „ohne Beweise geht da nichts. Hol mir Zeugen, die glaubwürdig sind. Am Besten sind Fotos, deutliche, oder noch besser, ein Video….“ So ist das heute. Glaubhaft ist nur, was sichtbar und recherchierbar ist. Den Bericht von der übernatürlichen Auferstehung allein, den hätte man schnell als Humbug abgewiesen. Zu wenig Fakten. Das hat weniger mit unserer heutigen Zeit zu tun. Die Bildzeitung hätte vielleicht noch eine Schlagzeile daraus gemacht. Doch eigentlich könnte ein Atheist eher an die Auferstehung als der Bildzeitung glauben. Wer tot ist, der ist tot. Das ist das Kriterium. In Korinth, als die Menschen schneller starben als heute, auch heute. Mit dem Tod ist eben alles zu Ende. Menschen, die einen Blick auf die Seite nach dem Tod geworfen haben, die waren nicht wirklich tot. Da könnten wir lange hin- und her diskutieren. Wir kämen nicht weiter. Denn bei Ostern geht es nicht so sehr um ein Hin- und Her zwischen Tod und Leben, Diesseits und Jenseits. Da geschieht noch viel mehr. Ostern ist die Begegnung mit dem Auferstandenen. Mit dem, der mein Leben von Grund auf verändern kann, der es mir neu schenken kann und will. Paulus hat ja gerade diese Erfahrung gemacht. Es muss ja nicht so dramatisch wie beim Paulus ablaufen. Wir müssen nicht mit drei Tag lang mit Blindheit geschlagen werden. Wir können diese Erfahrung anders machen. Persönlich, aber auch mit mehreren zusammen. Es kann plötzlich geschehen, es kann seine zeit dauern. Es kann eine Begegnung mit Jesus Christus sein, es können mehrere Anlässe sein. Allmählich. Wenn ich an meine eigene Christwerdung denke, dann war es nicht eine Begegnung. Ich kann nicht mit einem bestimmten Bekehrungsdatum aufwarten, wie es in pietistischen oder freikirchlichen Kreisen üblich ist. Es hat bei mir seine Zeit gedauert. Jesus musste schon um mich werden, ehe ich ihm Glauben schenkte. Ehe die Botschaft von seiner Auferstehung begann mein Leben zu verändern und sie es bis heute immer noch tut.
Und es hat sich gelohnt. Die Gute Nachricht ist bei mir angekommen. Ich spüre es bei mir am stärksten in einer gewissen Gelassenheit dem Leben gegenüber, und auch der Fähigkeit eigene Fehler einzugestehen und Vergebung zu üben. Wenn auch das alles auch noch verbesserungsfähig ist. Die Osterbotschaft will mich ja auch nicht nur einmal verändern. Sie will mich mein ganzes Leben hindurch verändern. Sie will mich selbst im Tod verändern.
Für mich sind das Fakten, Fakten, Fakten. Und so geht es vielen, die die Osterbotschaft erreicht hat. Wir alle sind Zeugen der Auferstehung Jesu Christi, wenn auch spät hinzugekommene. Wir können unsere Erfahrungen an andere Menschen weitergeben. Zeigen, wie der auferstandene Christus die bedeutendste Rolle in unserem Leben spielt.
Jede Zeit seit der Auferstehung Jesu Christi hatte solche Zeugen. Es gibt eine große Wolke von Zeugen. Und jede Zeit braucht solche Zeugen. Auch unsere Zeit. Ohne uns Zeugen gibt es kein Ostern 2004. Da bleibt im besten Fall der Osterhase über. Am Osterglauben entscheidet sich wie lebendig das Christentum ist. Bleiben Karfreitag stehen, wäre unser Glaube umsonst. Nicht Karfreitag ist der höchste Feiertag im Christenjahr. Ostern ist es. Entweder behält der Tod das letzte Wort - dann könnten wir Karfreitag schon nach Hause gehen - oder wir glauben tatsächlich daran, dass Gott Leben schafft. Und dies verkünden wir mit der Erfahrung, dass der Auferstandene bei einem jeden von uns eine wirkliche Veränderung bewirkt. Wir sind da viel zu schreckhaft und passiv. Christen müssen ihren Glauben bekennen. In der Öffentlichkeit. Rücksicht auf Andersgläubige nehmen ist gut. Aber nicht um jeden Preis. Was Wahrheit ist, was Fakten sind, dass haben wir der Welt mitzuteilen. Und wer dies sichtbar machen will durch Kleidung und Schmuck, der sollte es auch tun. Es geht dabei um unseren Glauben an das geschenkte Leben in Christus und nicht um Erhaltung eines Status Quo. Wir als Christen haben die Aufgabe diese Welt zu verändern, wenn wir an den Auferstandenen glauben. Unsere Kirche zu erst, dann die ganze Welt.
Jesus Christus ist für uns gestorben. Und er ist auferstanden, um ein Leben wie das des Paulus zu verändern. Er ist auferstanden, um unser Leben zu verändern.  Jesus lebt, mit ihm auch ich! Ostern ist kein Gedenktag für einen Satz in unserem Glaubensbekenntnis, sondern die Vergewisserung: Wir können mit ihm rechnen, im unserem Leben und darüber hinaus. Das sind Fakten.
Amen.
EMail: Pfarrer Muthmann
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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