Predigt über Jeremia 20, 7 - 11 am Sonntag Okuli; 18. März 2001 

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, dem Vater dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Liebe Gemeinde!

Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte des Propheten Jeremias. Einer, der Schwierigkeiten mit seinen Zeitgenossen, aber auch mit Gott hatte. Der vorgeschlagene Predigttext ist im Text eingebettet. Es sind die Worte mit denen Jeremia sich an Gott wendet.

Er hielt es nicht mehr aus. Er war am Ende.

Mit seinem Latein. Vor allem mit seiner Kraft. Er konnte einfach nicht und er wollte nicht mehr.

Wozu all das? Fragte er sich immer, keiner hört auf mich. Ich bin ihnen mehr als nur ein Dorn im Auge. Sie wollen mich aus dem Wege haben. Eliminieren. Beseitigen.

Jeremia stand langsam auf. Die letzte Nacht hatte er sehr unruhig geschlafen. Immer wieder war er wachgeworden, hatte sich hin und her geworfen. Sein ganzer Körper schmerzte noch. Wofür nur muss ich all dies erleiden. Diese Schmerzen.

Erst gestern morgen hatte man ihn aus dem Block wieder herausgelassen. Ein übles Foltergerät. An den Armen und den Beinen hatten sie festgespannt. Und dann langsam die Spannseile angezogen, so dass sich sein Körper verdrehte. Geschrieen hatte Jeremia vor Schmerzen. Und warum? Wieder einmal konnte seine Zunge nicht zügeln. Musste sich den Mund verbrennen. Alles fing an mit diesem Krug, den er kaufen sollte. Gott hatte ihn dazu gedrängt. Widerstand war zwecklos. Jeremia wusste das. Was Gott von ihn wollte, das bekam er auch.

Mit dem Krug schickte ihn Gott ins Hinnom-Tal. Ein paar Älteste kamen mit ihm. Ein ungastlicher Ort. Früher wurden dort Kinder irgendwelchen blutgierigen Göttern geopfert und heute war es der größte Müllplatz südwestlich vor den Toren Jerusalems. Und hier und da ein Ausländergrab. Denn ihre Bestattung war in Jerusalem nicht erlaubt. Und an diesem Schuttplatz überkam ihn wieder das Wort Gottes. Unbarmherzig, laut und schrecklich klangen die Worte aus seinem Mund. Ein einzige Anklage Gottes an sein Volk. Schon bei den ersten Worten verzogen die Ältesten den Mund. „Unglück werde ich über diesen Ort bringen", sprach Gott durch Jeremias Mund. „Ihr habt mich verlassen, ihr treuloses Volk, habt andern Göttern geopfert, sogar unschuldige Kinder, nie habe ich so was verlangt.

Und weil ihr euch nicht ändern könnt wird bald ein mordgieriger Feind kommen. Jerusalem wird zerstört. Es wird sein wie dieser Schuttplatz hier. Ihr werdet euch gegenseitig aufessen, weil ihr nichts zu Essen habt. Wie die Tiere seid ihr dann."

Jeremia konnte sich nur noch undeutlich an die letzten Worte erinnern. Doch als er dann den Krug nahm und ihn auf den Schutt zerschmetterte, das wusste er noch genau. „Euch wird es ergehen wie diesen Krug hier!" schrie er. Die Ältesten gingen weg. Erzürnt. Fassungslos. Er hörte sie noch murmeln: „Dieser Irre. Er wird noch das Volk aufwiegeln. Er gehört ausgeschaltet! Wir werden ihn anzeigen."

1Später ging Jeremia zurück zum Tempel in Jerusalem. Scheinbar hatte die Tempelpolizei dort schon auf ihn gewartet. Noch mal drängte Gott ihn dazu die Zerstörung Jerusalems anzukündigen. Und dann griffen die Aufseher zu. Paschhur, der Oberaufseher persönlich, kam zu hin. „Jeremia, lernst du nie dazu? Du wusstest doch, dass wir dich foltern werden, wenn du noch einmal solch einen Unsinn redest?" Jeremia schaute Paschhur nur stumm an. Kein Ton kam über seine verkniffenen Lippen. „Du willst es nicht anders. Wer nicht hört, der muss eben fühlen. Spannt ihn in den Block. Bis morgen früh hat er Zeit über seinen Unsinn nachzudenken. Das wird ihm eine Lehre sein, zukünftig seinen Mund zu halten."

Schnell hatten die Aufseher Jeremia ergriffen und ihn in den Block gespannt. Die Schaulustigen waren schnell versammelt. Jeremia hörte sie tuscheln: „Ist das nicht der Prophet Jeremia? Der Prophet, der immer nur Schlechtes verkündigt? Der Schwarzseher? Der Unheilsbringer? Der Schrecken überall?" Da standen sie und gafften und ergötzten sich an Jeremias Schmerzensschreie. Kurz danach verlor Jeremia das Bewusstsein. Die Schmerzen waren zu groß.

Am nächsten Morgen befreiten ihn die Aufseher aus dem Block. Jeremia war kaum in der Lage zu stehen. „Reicht dir das jetzt?" fragte Paschhur „wirst du endlich deinen Mund halten?"

Jeremia dachte nach. „Wenn Gott aus meinem Munde spricht, dann wirst du schon sehen, was du davon hast. Dann wird es dir auch nicht besser gehen als allen anderen hier in Jerusalem. Auch dich werden sie verschleppen." „Dafür könnte ich dich noch einen Tag im Block lassen," antwortete Paschhur. Doch dann gab er den Befehl, Jeremia laufen zu lassen.

Die Szenen der letzten beiden Tage liefen vor Jeremias Augen ab. Und erinnerte sich an die vielen anderen Erlebnisse. Immer wieder hatte Gott ihn dazu gedrängt, Unheil über Juda und Jerusalem zu verkündigen. Schon als Jugendlicher hatte Gott ihn bedrängt. Richtig verführt hatte Gott ihn. Und er hatte sich verführen lassen. Denn wer will schon dem Rufe Gottes widerstehen? Statt einer angesehenen Priesterkarriere hatte er die eines gehassten Propheten einschlagen müssen. Man hatte ihn bespuckt, geschlagen und getreten. Man hatte ihn ins Gefängnis und in tiefe Löcher geworfen. Man hatte ihn ausgelacht, für verrückt gehalten. Das war das Schlimmste.

Jeremia war am Ende. Wo sollte er noch Hilfe suchen? Wer konnte was für ihn in seiner Situation tun? All seine Freunde hatten sich längst von ihm abgewendet. Was sollte er nur tun? Sollte er sich an Gott wenden? Würde das etwas helfen?

Jeremia dachte nach. Doch dann gab er sich einen Ruck. Ließ all den Kummer, die Klagen, die sich in ihm angesammelt haben, all das ließ er aus seinem Herzen rinnen und er sprach zu Gott:

7Du hast mich verführt, HERR, und ich habe mich verführen lassen; du hast mich gepackt und mir Gewalt angetan. Nun spotten sie immerzu über mich, alle lachen mich aus.

8Denn sooft ich in deinem Auftrag rede, muss ich Unrecht anprangern. „Verbrechen!" muss ich rufen, „Unterdrückung!" Und das bringt mir nichts als Spott und Hohn ein, Tag für Tag.

9Aber wenn ich mir sage: „Ich will nicht mehr an Gott denken und nicht mehr in seinem Auftrag reden", dann brennt dein Wort in meinem Innern wie ein Feuer Ich nehme meine ganze Kraft zusammen, um es zurückzuhalten ich kann es nicht.

10Viele höre ich tuscheln, sie nennen mich schon „Schrecken überall!". Die einen fordern: „Verklagt ihn!" Die anderen sagen: „Ja, wir wollen ihn anzeigen!" Sogar meine besten Freunde warten darauf, dass ich mir eine Blöße gebe. „Vielleicht bringen wir ihn dazu, dass er etwas Unvorsichtiges sagt", flüstern sie, „dann können wir uns an ihm rächen!"

Jeremia hielt inne. War Gott wirklich so schlecht zu ihm. Oder hatte er ihn nicht doch hin und wieder beigestanden. Jeremia sprach weiter:

11Doch du, HERR, stehst du  bei mir, bist du mein mächtiger Beschützer! Kommen meine Verfolger zu Fall, richten sie nichts aus? Misslingen ihre Pläne, werden sie ausgelacht? Diese Schande soll für immer an ihnen hängenbleiben.

Jeremia hörte in sich hinein. Sprach Gott zu ihm. Antwortete er ihm jetzt. Doch Gott blieb still. Kein Wort, kein Gedanke, nichts war von ihm zu spüren. Doch er fühlte sich ein wenig erleichtert. Immer nur runterschlucken. Das geht nicht. Seiner Wut und Hilflosigkeit musste er einfach Worte geben.

Doch Jeremia wusste. Er musste weitermachen. Selbst wenn Gott ihn nicht drängen würde. Er müsste weiter den Leuten die Wahrheit an Kopf schreien. Das die Menschen die Liebe, die Gott ihnen anbietet, immer wieder ausschlagen. Und sie würden ihn auslachen, ihn verhöhnen, ins Gefängnis werfen und mit Füßen treten. Jeremia wusste nicht wie, aber er wusste, dass er das ertragen würden. Das er die Kraft dazu hat. Immer wieder spürte er, das in ihm tief drinnen ein Feuer lodert. Das Feuer der Leidenschaft. Für Gott. Und seine Liebe.

Was für ein Gott!

Dieser Gott lässt nicht locker. Immer wieder nahm er Menschen in seinen Dienst, von seiner Liebe zu erzählen. Wie diesen Propheten Jeremia. Wie all die anderen Propheten.

Und immer wieder haben wir Menschen die Stirn, seine Angebote der Liebe auszuschlagen. Zu unserem Glück war Gott bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Bis zum Kreuz auf Golgatha.

Eigentlich dürfte es sich lohnen, sich von diesem Gott verführen zu lassen. Er käme auf einen Versuch an. Sich von ihn und seiner Liebe verführen zu lassen.

Und der Friede und die Liebe unseres Gottes möge uns auf Schritt und Tritt begleiten, sie mögen unsere Herzen füllen und unsere ganze Welt. Amen


Anmerkung: Ich habe Vers 11 als Frage übersetzt, weil so die Zweifel Jeremias stärker zum Ausdruck.

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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