Predigt am Sonntag, Laetare, 30. März 2003, Joh. 12,20-26

Kanzelgruß

Predigttext direkt ohne große Einleitung vorlesen.

Vertreter der nichtjüdischen Welt suchen Jesus

20 Unter denen, die zum Fest nach Jerusalem gekommen waren, um Gott anzubeten, befanden sich auch einige Nichtjuden. 21 Sie gingen zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: »Herr, wir möchten gerne Jesus kennenlernen.« 22 Philippus sagte es Andreas, und die beiden gingen zu Jesus. 23 Er antwortete ihnen: »Die Stunde ist gekommen! Jetzt wird die Herrlichkeit des Menschensohns sichtbar werden.
24 Amen , ich versichere euch: Das Weizenkorn muß in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht. 25 Wer sein Leben liebt, wird es verlieren. Wer aber sein Leben in dieser Welt geringachtet, wird es für das ewige Leben bewahren. 26 Wer mir dienen will, muß mir auf meinem Weg folgen, und wo ich bin, werden dann auch die sein, die mir gedient haben. Sie alle werden von meinem Vater geehrt werden.«

Liebe Gemeinde!

In den letzten Tagen habe ich oft das Gefühl, es keine Zeit zum Predigen, es ist nur noch die Zeit zum Beten. Predigen soll der Erbauung dienen, das Wort Gottes will sich durch Menschenmund Gehör verschaffen. Zum richtigen Verständnis muss ich ein gewisses Maß an Hören und Verstehen wollen voraussetzen. Doch die Tagesereignisse des Krieges im Irak veranlassen mich zu dem Schluss, dass die für den Krieg Verantwortlichen mindestens schwerhörig sind, im schlimmsten Fall jedoch verständnislos, das heißt ohne Verstand. Kein Wort der Vernunft erreicht ihr Ohr.

Ich kann es auch nicht mehr anders sagen, als das mich das Gehabe des Präsidenten Bush mich zutiefst in meinem Glauben kränkt. Mit welcher Selbstverständlichkeit er Gott für seine angeblich ach so gerechten Pläne einnimmt.

Angesichts des Predigttextes des heutigen Sonntag habe ich die schon perverse Vorstellung, ob er wohl die Bomben und Cruise Missiles, die Tag für Tag und Nacht für Nacht im Irak niedergehen, für die Saatkörner hält, die ersterben müssen um neue Frucht zu bringen…. Sind das die Saatkörner, die noch beim Ersterben viel Frucht bringen?

Jedes explosive Saatkorn, ein Keim der Demokratie… gedüngt mit dem Blut unschuldiger Menschen, Erwachsene wie Kinder, vereint in ihrer Schutzlosigkeit gegen die tödliche Fracht aus der Luft. Kann der Tod vieler Menschen, so sinnlos er dort auf den Marktplätzen und in den Wohnhäusern sich ereignet, wirklich eine hundertfache lebendige Frucht bringen?  

Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren…. Die angstverzerrten Gesichter der Menschen auf der Flucht, die hasserfüllten Augen der Angehörigen und Freunde der Opfer…. Die zerrissen Leiber …. Sie haben ihr Leben geliebt, sie haben es verloren. In Frieden und Glück zu leben wurde ihnen verwehrt.

Ist das die Saat der Allianz gegen das Böse. Und was wird aus dieser Saat erwachsen? Eine neue Saat des Bösen und immer so weiter, bis schließlich ein Dschungel aus Bosheit, Terror und Tod unsere ganze Welt in ihren Griff hält? Pessimistische Gemüter denken bereits so. Erwarten nichts anderes mehr von der Zukunft.

Die Vorbereitungen für das Passahfest in Jerusalem laufen auf Hochtouren. Vielen Menschen aus dem ganzem Land sind nach Jerusalem gekommen um an diesem Fest teilzunehmen. Darunter auch Jesus und seine Jünger. Tage zuvor ist Jesus triumphal in Jerusalem eingezogen. Ein Medienereignis ersten Ranges. Sein Ruf eilt ihm voraus. Ein Wundertäter, der nicht heilen kann, der sogar Tote wieder erweckt. Der von Gott, seiner Liebe und seinem Reich predigt. Der Mut macht. Und Hoffnung. Große Erwartungen haben die Menschen an ihn. Er soll ihnen wieder Zukunft und Hoffnung geben. Er soll sie befreien. Jesus, der Friedensbringer. Derjenige, der sie vor der Unterdrückung durch die römische Militärmacht rettet. Viele Schaulustige stehen am Straßenrand. Jubeln ihm zu. (Würde Bush das auch nicht gerne haben?) Schreien ihre Hoffnung hinaus. Hosianna, der da kommt im Namen des Herrn. Doch Jesus zog nicht mit Heeren von Soldaten in die Stadt ein. (Und das ist der Unterschied!) Er rief nicht zum bewaffneten Kampf gegen die römischen Besatzungstruppen auf. Auf einem Esel sitzend, ein gewaltloser Friedensbringer. Einer, der so gar nicht dem Bild der Menschen entspricht, der ihre Erwartung nach Befreiung nicht durch Säbelgerassel hochputscht.

Auch Menschen von fernen Ländern kommen nach Jerusalem zum Passahfest. Manche sind Juden aus anderen Ländern. Manche kommen aber auch nur, um das Schauspiel anzuschauen. Oder um ihre Geschäfte zu machen. Manche aber auch um Jesus zu sehen. Hellenen sollen es sein. Die müssen nicht aus Griechenland sein. Sie sind der Griechischen Sprache mächtig. Sie haben griechische Bildung. Sie glauben nicht an Gerüchte. Sie glauben nur, was sie sehen. Und so wollen sie Jesus sehen, den Wundertäter, den Totenerwecker.

Die Hellenen sind da wie viele Menschen. Auch die in den heutigen Tagen. Geglaubt wird nur noch, was wir sehen können. Die Antwort passt ihnen nicht. Macht sie ratlos: Das Weizenkorn muß in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht.

Wer in diesen Tagen schon in seinem Garten gearbeitet hat oder die Gartenarbeit kennt, der kennt diesen Vorgang. Saatkörner werden zumeist in die Erde gelegt. Sie sterben für uns. Sie keimen wieder auf und bringen eine neue Pflanze hervor. Ein Prozess, für uns normalerweise nicht sichtbar. Den sehenden Augen verborgen, und daher immer wieder wie ein kleines wunder, wenn jetzt wie in diesen Tagen die Gärten langsam wieder bunter werden, wenn auch das Wintergetreide auf den Feldern richtig anfängt zu wachsen.

Was werden sie gedacht haben, die Hellenen, was denken die Menschen heute. Den Sehnsucht Jesus zu sehen oder die Forderung: zeigt mir euren Gott, dann glaube ich an ihm, das ist weit verbreitet. Doch was Jesus eigentlich bedeutet, wer er eigentlich ist, das schließt sich eben nicht den Augen auf. Das schließt sich nur unseren Herzen auf. Weiter hinten im Johannesevangelium sagt Jesus: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Er sagt es zum Thomas, diesem Zweifler, der der Botschaft von der Auferstehung Jesu keinen Glauben schenken wollte. Der erst Jesu Wunden betasten musste, um wieder glauben zu können. Der Thomas ist der Prototyp des modernen Menschen. Was ich nicht sehe, das glaube ich nicht. Was nicht wissenschaftlich erklärbar ist, gehört in das Reich der Luftgespinste und Märchen.  

Das Weizenkorn muß in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht. So wie der Bauer aus Erfahrung darauf vertraut, dass in die Erde geworfene Samenkorn Frucht bringt. Das die Verwandlung sich in der Erde vollzieht. Unseren Augen entzogen.

Für die Hellenen schwer zu verstehen, für die Menschen heute auch schwer zu verstehen. Nicht sehen und doch glauben. Und Jesus bezieht dieses Wort noch auf sich selbst. „Die Stunde ist gekommen! Jetzt wird die Herrlichkeit des Menschensohns sichtbar werden.“ Er spricht von seinem Tod. Von dem, was ihm bevorsteht. Aus der Ahnung, die hatte, wird immer mehr die Gewissheit, dass er sterben wird. Das er in die Erde gelegt wird. Dass er nur dann neue Frucht bringen kann. Ein Bild, dass zu verstehen schwerfällt. Ein Bild, das den Glauben braucht. Den Glauben an die Auferstehung des in die Erde gelegten Christus.

Doch Jesus geht noch einen Schritt weiter. Er bezieht das Weizenkorn auch auf unser Leben: 25 Wer sein Leben liebt, wird es verlieren. Wer aber sein Leben in dieser Welt geringachtet, wird es für das ewige Leben bewahren. 26 Wer mir dienen will, muß mir auf meinem Weg folgen, und wo ich bin, werden dann auch die sein, die mir gedient haben. Sie alle werden von meinem Vater geehrt werden.

Der Irrglaube meint hier wirklich von Opferbereitschaft für Jesus sprechen zu müssen. Die Selbst aufgabe als Christenleben und Christenzweck. Doch das meint Jesus nicht. Aber im Zusammenhang mit dem Weizenkorn (dem ALTEN Weizenkorn vom letzten Jahr) leuchtet das unmittelbar ein: Nur wenn man sich von etwas trennt, was einem am herzen liegt, wenn man es aus der Hand auch in die Erde gibt, wird etwas neues wachsen; sonst nicht.

Auf das Leben bezogen, hört es sich zunächst sehr harsch und lebensfeindlich an: Sein Leben hassen... von diesem Selbsthass wollen doch viele weg. So ist das auch oft genug erzählt worden. Ich kann diese alten Predigten schon lange wie viele nicht hören. Aber gemeint ist hier das alte Leben, das Leben, wie es bisher läuft, gilt es wenn vielleicht auch nicht zu hassen, aber doch aufs Spiel zu setzen. Das Alte Leben gilt es einzusetzen für das neue Leben.

Denn: Jesus sehen und so weiter leben wie bisher geht offenbar nicht und das ist eine weitere Herausforderung für die Hellenen im Predigttext. Wer Jesus wirklich begegnen will, wer wirklich in Beziehung zu ihm treten will, muss damit rechnen, dass sein bisheriges Leben verwandelt, verändert wird, oder eben stirbt und einem neuen Leben Platz macht. Die Begegnung mit Jesus lässt keinen Menschen kalt und unverändert zurück. Er lädt uns ein, ihm auf seinem Weg zu folgen. Kein leidensfreier Weg, kein Weg, der einfach ist, kein Weg der Schmerzen, Krankheit und Tod auslässt. Das wäre eine verkürzte und billige Hoffnung. Jesus macht uns von Anfang an nichts vor. Jesu Weg, auf dem wir ihm nachfolgen sollen, geht über das Kreuz von Golgatha, durch den Tod hindurch. Aus seinem Sterben wächst neues, wahres, erfülltes, ewiges Leben. Und wir sind eingeladen diesen Weg durch den Tod hindurch ins Leben mit Jesus mitzugehen. Nicht erst nach diesem irdischen Leben, sondern schon jetzt.

Wer Jesus schon jetzt nachfolgt, der wird in seinem Innern verwandelt, das sind nicht die äußeren Zeichen, keinen Sack den man tragen muss, keine Asche, die man sich aufs Haupt streut. Die Kleider bleiben oft die Alten. Und doch ändert sich das ganze Leben. Eine Veränderung nach der sich viele sehnen.

Oder anders gefragt: Was muss in meinem Leben sterben, damit etwas neues wachsen kann? Welche Schuld schleppe ich schon jahrelang mit mir herum und beschwere damit mein Gewissen? Wo sehne ich mich nach einem neuem Anfang? Welcher Streit belastet das Zusammenleben mit Anderen? Welche Krankheit oder welcher andere Schicksalsschlag hat mich dazu gebracht zu resignieren und hat mich bitter werden lassen und mir die Freude am Leben genommen?

Das Bild Weizenkorn, der Tod und die Auferstehung Jesus wollen uns dabei helfen und uns ermutigen, in unsere eigenen Schattenbereiche zu gehen – jemand hat mal gesagt „in das eigene Grab zu steigen“ – und dann in einem zweiten Schritt diese Schattenbereiche aber auch hinter uns lassen, also mit Jesus auch wieder aus dem Grab heraustreten. So bekommt das Leben Tiefe und das Leblose unseres Leben wird überwunden. Platz für Neues entsteht und die Hoffnung wächst.

So steckt in diesem Weizenkorn die ganze Kraft unserer Hoffnung die wir als Christinnen und Christen auch gegen allen Augenschein haben dürfen. Denn wir wissen, das Leben wird zwar auch immer wieder durch Leidenszeiten hindurchgehen, aber letztlich werden wir mit Jesus zum neuen Leben auferweckt werden – und das nicht erst nach unserem irdischen Sterben, sondern schon jetzt. Und mit dieser Hoffnung und diesem Wissen können wir auch weiterhin für den Frieden beten, auch wenn die Bilder vom Krieg uns alle Hoffnung nehmen wollen. Denn wir wissen, auch gegen allen Augenschein, dass Gott ein Gott des Friedens und des Lebens Amen.  

 

Und der Friede Gottes.........

 

 

 

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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