Predigt über Lukas 22, 31-34 am Sonntag Invokavit, 4. März 2001
Gnade
sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, dem Vater dem
Sohn und dem Heiligen Geist!
Liebe
Gemeinde!
Ich
möchte Ihnen heute einen Brief vorlesen. Einen Brief, den ich mir über legt
habe, als ich den vorgeschlagenen Predigttext gelesen habe. einen Brief an
Kephas, genannt Simon Petrus. Seines Zeichens erster Jünger Jesu, längster
Weggefährte und der Fels, auf dem Jesus seine Kirche bauen will. Der Brief ist
eine Sammlung meiner Gedanken, die mir kamen, als ich über den Predigttext
nachdachte.
Zuerst
möchte ich ihnen den Predigttext vorlesen. Er steht im Lukasevangelium, 22,
31-34:
Jesus
spricht:
Simon,
Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.
Ich
aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Und
wenn du dich dereinst bekehrst, so stärke deine Brüder.
Er
sprach aber zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod
zu gehen.
Er
aber sprach: Petrus, ich sage dir:
Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich
kennst.
Lieber
Simon Petrus,
eigentlich
kann ich es immer noch nicht fassen, was du da gemacht hast. Hast du eigentlich
gewusst, was du da gesagt hast? Warst du dir im klaren darüber, was du Jesus
versprochen hast? Ihr wusstet doch alle oder ahntet es zumindest, dass Jesus
bald sterben würde. Zu vielen war er Dorn im Auge, war er im Wege. Zu vielen
passte es nicht, wie er die Worte Gottes auslegte. Ihr wusstet doch, dass die
Meute der Schriftgelehrten, der Priester die ganze Zeit nach einem Vorwand
suchte, um ihn festzusetzen. Die Mitglieder des Synhedrions, die geistlichen Führer
eures Volkes konnten nicht länger untätig zu sehen. Immer mehr Leute liefen
Jesus nach. Seine sanfte Revolution begann Früchte zu tragen. Seine sanfte
Revolution der Liebe drohte ihnen ihre Fleischtöpfe wegzunehmen. Euch allen war
klar, dass das nicht gut enden konnte.
Deine
Motive sind ja ehrenwert. Treu sein bis in den Tod, wahre Freundschaft erträgt
jede Gefahr. Was hat Jesus nicht alles für dich und die anderen getan? Er hat
euch aus eurem verkorksten Leben herausgeholt. Dich aus dem Einerlei des
Fischeralltags. Andere aus der Schuldhaftigkeit des Zöllnerdaseins wie den
Matthäus. Ihr seid ihm etwas schuldig gewesen. Das ist wahr. Aber gleich euer
Leben? Petrus, denk mal nach, musste das wirklich sein? Hast du nicht da zu viel
riskiert? Hast du nicht den Mund zu voll genommen? „Ich bin bereit mit dir ins
Gefängnis und in den Tod zu gehen”.
Weißt
du Petrus, es ist besser, ein bisschen tief zu stapeln. Es ist besser, nicht
Dinge zu versprechen, die man hinterher nicht halten kann. Schau mal, wie oft
ist das nicht schon jeden von uns passiert. Da hat man was versprochen, und kann
es dann nicht halten. Da steht man doch wie blöd vor den anderen. Die nehmen
einen doch gar nicht mehr ernst. Es reicht doch schon, wenn ich meiner Frau
verspreche, ich kümmere mich um das Abnehmen der Wäsche, und vergesse es dann,
weil irgendwas dazwischen kommt. Ich weiß noch, da war ich noch nicht
erwachsen, da warteten Freunde an einem Bahnhof auf mich, wir wollten gemeinsam
Urlaub machen und ich wollte nachkommen. Die haben vergeblich auf mich gewartet,
ich blieb zu Hause. Hatte kein Geld. Der Spott war groß danach. Aber du, du
wolltest mit Jesus den Weg gehen. Einen Weg, der leicht mit deinem Tod hätte
enden können. Viele haben mir erzählt, als sie im dritten Reich lebten. Bloß
nicht die Klappe zu weit aufreißen. Und wenn einer vorher erzählt hat, er
werde den Nazis in den Hintern treten. Der war meistens schnell still, als diese
an der Macht waren. Denn wer sitzt schon gerne im Gefängnis. Oder noch
schlimmer, kommt in ein Arbeitslager.
Auch
heute in den Betrieben. Wer sein Maul aufreißt, spielt mit seinem Job. An der
Theke im kleinen Kreis über die Firmenleitung herziehen, ist was anderes, als
seinem Chef die Meinung ins Gesicht sagen.
Ich
kann diese Leute verstehen, wenn sie Angst haben. Wenn sie plötzlich kneifen.
Du hast wohl geglaubt, dir, dem Fels, dem Simon Petrus, passiert das nicht. Ein
Pfundskerl und Bild von einem Mann wie dir, gehärtet durch die Seewinde und die
harte Arbeit an Bord. Du hast wohl gedacht, du kannst halten, was du
versprichst.
Ja
Simon, manches sagt man so leicht daher, aber mit in den Tod zu gehen, das wohl
nicht. Revoluzzer wurden in deiner Zeit schnell aufgeknüpft, landeten am Galgen
oder am Kreuz. Kein schöner Tod. Hattest du daran gedacht, als du Jesus deine
Treue geschworen hast?
Der
kannte dich besser, als du dich selbst. Der wusste ganz genau, wenn es drauf
ankommt, dann hast du die Hosen voll. Vielleicht wollte er auch nicht, dass du
mitgehst. Jedenfalls hatte er recht. Dreimal hast ihn geleugnet, sagtest der
Magd, du kennst ihn nicht, obwohl sie euch zusammen gesehen hat. Und auch den
beiden anderen versichertest du: Ich kenne diesen Jesus nicht. Ich habe mit ihm
noch nichts zu tun gehabt. Ziemlich dumm von dir. Die Fakten sprachen gegen
dich. Hättest ja sagen können, mit diesem Verräter willst du nichts mehr zu
tun haben. Wärst ja nicht der Erste gewesen, der die Seite wechselt, der genau
weiß, woher der Wind weht und in welche Richtung er seine Nase halten muss. Das
wäre der Gang der Dinge gewesen.
Die
Versuchung ist groß, seinen Mund zu voll zu nehmen. Der Satan in uns ist ein
listiger Bursche, der es versteht, uns bloß zu stellen und lächerlich zu
machen.
Wenn
man nicht halten kann, was man verspricht, dann sollte man wenigstens ein
schlechtes Gewissen haben. Wer noch einen Rest von Anstand in sich hat, der
sollte wenigstens um Vergebung bitten. Der sollte sich entschuldigen. Es gibt so
viele, die zucken nur mit der Schulter, sagen locker, was hätte ich schon
machen können, und sind auf dem Wege ihr nächstes nicht ernst gemeinte
Versprechen zu brechen. Deine Tränen sprechen für dich, Simon. Du hast genau
erkannt, was du gemacht hast, dass du Jesus untreu geworden bist, dass du ihn
auf seinem Weg nicht folgen konntest.
Er
wusste Bescheid. Er hatte für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört.
Damals in diesem Moment, da konntest du seine Worte noch nicht verstehen. Ich
glaube, ich weiß wie er es meinte. Er hatte nicht darauf gehofft, dass du den
Weg mit ihm ans Kreuz gehst. Das wollte er nicht. Er hatte darum gebetet, dass
du den Glauben an dich selbst nicht verlierst, und den Glauben an die Sache, für
die ihr die ganze Zeit unterwegs wart. Jesus hoffte darauf, dass du nicht an
deiner Enttäuschung zerbrichst. Das du dich selber nicht aufgibst. Er hat dir
die Aufgabe mit auf dem Weg gegeben: Stärke deine Brüder, und sicher auch
deine Schwestern. Sie brauchen dich Petrus. Das wollte Jesus dir sagen. Ich
glaube, er hatte dir schon längst verziehen, bevor du deinen Mund zu voll
genommen hast. Doch das konntest du da noch nicht erkennen.
Und
ehrlich gesagt, Simon Petrus, ich finde das voll in Ordnung. Ja, du magst sagen,
das war nicht in Ordnung. War es auch nicht. Aber wie Jesus damit umging. Das
war voll in Ordnung. Und es macht vor allem Mut. Wie vielen wenden sich von
einem ab, wenn man sie enttäuscht hat. Wie viele wollen von einem nichts mehr
wissen, wenn man einmal versagt hat. Und da ist Jesus wieder ganz anders. Er
wendet sich nicht ab von dir. Er lässt dich nicht fallen. Im Gegenteil: Er
setzt auf dich. Und was ist daraus
nicht geworden. Ohne dich wüssten wir nichts von Jesus. Das kann ich nur so
verstehen, dass das jedem von uns gilt. Keinen von uns lässt er fallen, wenn
wir ihn mal enttäuschen. Sicher, wir dürfen das nicht als Freibrief zur
Beliebigkeit unserer Worte und Taten verstehen. Da sind deine Tränen wichtig.
Die Reue, die Einsicht in unser Versagen muss schon sein. so wie es bei dir war.
Und wenn es uns viele Tränen und schmerzhafte Einsichten kostet. Diesen Preis
ist Gottes Treue allemal wert.
Weißt
du Simon, mir macht das Mut. Dein Versagen macht mir Mut. Und diese Geschichte
von Hahn der dreimal kräht ist für mich keine so abgrundtiefe schlechte
Geschichte mehr. Wer sie nur oberflächlich liest, der sieht nur dein Versagen.
Wer nicht genau hinschaut, der hebt schnell mahnend den Finger. Und sagt: Das
dir nicht das Gleiche geschieht! Doch das geschieht dann meistens, weil man vor
Angst verkrampft und nicht mehr klar denken kann.
Wer
sich aber ein wenig in Abgrund dieser Geschichte begibt, der sieht auf dem Grund
deiner Versagensgeschichte die Gnade Gottes leuchten.
Weißt
du Simon Petrus, eigentlich begreife ich dein Handeln und dein Versagen doch.
Wem von uns würde nicht das Gleiche passieren? Aber was ich an der Geschichte
nicht begreife, ist Jesus und dahinter Gott, unser Vater. War das Absicht, dass
Jesus dich ins Versagen laufen ließ? Musstest du versagen, um nachher Jesu
Kirche aufzubauen?
Aber
vielleicht brauche ich das gar nicht zu begreifen. Denn wie können wir schon
die Gnade und Liebe Gottes begreifen? Und müssen wir sie überhaupt begreifen?
Simon,
ich glaube, es reicht, an beides zu glauben. Daran dass uns Gott immer eine neue
Chance gibt, wenn wir unsere Fehler erkennen. Selbst dabei will er uns helfen.
Durch Jesus betet er selbst für uns, dass unser Glauben nicht aufhört. Durch
ihn schenkt er uns seine Liebe und Gnade immer wieder neu.
Lieber
Simon Petrus, so ende ich an dieser Stelle. Und dir und allen anderen wünsche
ich den Frieden Gottes. Denn er übersteigt unser unzulängliches Denken. Er hält
uns in seiner Hand. Durch Jesus Christus. Amen