Predigt am Heiligen Abend, 24. Dezember 2005, 17.30 Uhr

Gnade sei mit euch von dem der da ist, der  da war und der da kommt, Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Predigt über Lukasevangelium Kapitel 2, Vers 15

Lasst uns nach Bethlehem gehen..

Liebe Gemeinde!

Ich freue mich, dass Sie heute hier zur Christvesper gekommen sind. Ich freue mich, dass sie den Entschluss gefasst haben, unseren Gottesdienst zu besuchen. Ich freue mich, denn ihnen ist Weihnachten wichtig. Sie erwarten noch etwas von Weihnachten. Und damit haben sie was Besonderes in sich, etwas, was sie von vielen anderen Menschen unterscheidet. Sie sehnen sich nach Weihnachten, sie haben noch Wünsche an dieses Fest, das schon in die Jahre zu kommen scheint.

Nun brauchen Sie nicht unbedingt zum Vogelsangplatz kommen, ein anderer Gottesdienst an einem anderen Ort täte es auch. Aber irgendwann, in den letzten Tagen oder auch erst heute, haben sie zueinander gesagt: Lasst uns in den Gottesdienst am heiligen Abend gehen…. Lasst uns zum Vogelsangplatz gehen.

Ob sie daran gedacht haben oder auch nicht: Sie sind ein wenig wie die Hirten auf dem Felde. Die Hirten, denen der Engel die Frohe Botschaft erzählte: Fürchtet euch nicht: Denn siehe, euch ist heute der Heiland geboren…. Und der Engel wies ihnen den Weg: In der Stadt Davids. Wenn die Hirten vielleicht nach unseren Maßstäben keine gute Ausbildung hatten, jedes Kind wusste damals wie die Stadt Davids heißt: Bethlehem. Der Engel wurde sogar noch genauer: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Der Engel machte die Hirten neugierig, und als dann der Chor der Himmlischen Engels Heerscharen noch das Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens sang, da kamen Neugier und Sehnsucht zusammen. Und sie sprachen zueinander: Lasst uns nach Bethlehem gehen… und die Hirten machten sich auf den Weg.

Ein wenig sind sie wie die Hirten. Ein wenig neugierig und ein wenig sehnsüchtig. Denn sie haben sich auf den Weg gemacht, hierhin, in dieses Haus, um von der Frohen Botschaft zu hören, um die Sehnsucht zu stillen, die sie in uns auslöst, um sich zu überzeugen, dass sie nicht alleine auf dem Weg sind. Das andere diesen Weg mit ihnen mitgehen. Sie alle sind ein wenig wie die Hirten: Lasst uns nach Bethlehem gehen…..

Ich möchte ihnen erzählen, warum ich gerade über diesen Vers aus der Weihnachtsgeschichte predige. Ich möchte sie teilhaben lassen, an meinen Gedanken und meinen Beobachtungen in dieser weihnachtlichen Zeit. Ich möchte ihnen eigene Erlebnisse erzählen, die sich zu Weihnachten ereigneten…….

Ein erstes Erlebnis. Als ich zehn Jahre alt war, freute ich mich wie jedes Kind auf Weihnachten. Ich war neugierig. Was bekomme ich geschenkt? Die Spannung war nicht auszuhalten. Und so suchte ich. Ich schaute in die Schränke, in den Keller, auf den Dachboden. Ist da irgendwo was versteckt?? Und ich wurde fündig. Eine Lexikareihe, für Abiturenten. Ein Geschenk für mich kombinierte ich. Es war noch vor dem ersten Advent. Weihnachten war gelaufen. Unterm Weihnachtsbaum stand dann das Geschenk. Schön abgedeckt. Ich packte es nur unwillig aus. Doch vom Suchen vor Weihnachten hatte ich die Nase voll.

Ein zweites Erlebnis. Mit fünfzehn Jahren. Ich suchte nicht mehr. Freuen konnte ich mich nicht. Weihnachten war mir egal. Ich war traurig. Mein Großvater, mein bester großer Freund,  war kurz vorher gestorben. Ich ließ mich überreden, an der weihnachtlichen Bescherung teilzunehmen. Ich bekam eine Gitarre geschenkt. Die Freude kehrte zurück. Ich lernte eifrig.

Ein drittes Erlebnis. 1978. Das erste Mal Heilig Abend in der Kirche. Im Jugendchor in meiner Heimatgemeinde Dinslaken – Hiesfeld. Wir sangen ein Lied, eine moderne Erzählung der Weihnachtsgeschichte. Es hatte den Kehrvers: Lasst uns nach Bethlehem gehen…. Ich bekam eine erste Ahnung, das Weihnachten mehr ist, als Geschenke und eine Familienfeier.

Letzte Woche Samstag, meine Frau, unser jüngster Sohn Tobias und ich gingen auf den Duisburger Weihnachtsmarkt. Wir hatten ein größeres Gedränge erwartet. Es war auszuhalten. Wir flanierten an den Ständen mit Stoffen, Holzspielzeug, Küchenwaren und einer endlosen Zahl von Eß- und Trinkbuden vorbei. Hier und da weihnachtliche Musik. Das Riesenrad. Lasst uns mal Riesenrad fahren, schlug ich vor. Ein schöner Ausblick, beginnende Dämmerung, und der Blick über die Königsstrasse. Die Leute auf Duisburgs Einkaufsmeile, zogen scheinbar ziellos vom einem Ende zum anderen. Mir fiel der Vers  ein… Lasst uns nach Bethlehem gehen..

Eine letzte kleine Begebenheit: Gestern Abend gegen 20.00 Uhr. Leute mit Koffern gehen auf der Straße Im Siepen Richtung S- Bahn. Offensichtlich Reisende. Lasst uns nach Bethlehem gehen… Es ist Weihnachten. Wir gehen woanders hin. Bloß weg hier. Ob sie im Urlaub an die Geburt Christi denken???

In allen Geschichten wird etwas gesucht. Geschenke, Sinn, Ruhe, Weihnachten. Weihnachten hat was mit suchen zu tun. Wer sucht, der will auch finden. Ich möchte sie einladen, einen Moment innezuhalten. Sich zu fragen: Was suche ich zu Weihnachten? Was erwarte ich von Weihnachten? Lasst uns nach unseren Wünschen horchen…..

Orgel: Pastorale aus dem Messias von G. F. Händel

Die Hirten sind auf dem Weg. Sie brauchen ihn nicht lange zu suchen. Sie kennen ihn. Er war längs in ihre Herzen geschrieben. Sie wissen in seltener Gewissheit: Wir sind auf dem richtigen Weg!

Sie reden miteinander. „Ist das wahr, was die Engel uns gesagt haben?“ Eine andere Stimme: „Ein Kind, ein Baby, das soll der Retter sein? Unglaublich!“ Und wieder ein anderer: „Gottes Wege sind nicht die unseren. Er handelt nicht so, wir es wollen!“

Sie bereiten sich darauf vor, Gott zu begegnen. Sie gehen eilends, aber nicht überhastet. Es macht keinen Sinn, atemlos ans Ziel zukommen. Sie haben die Zeit der Nacht. Gott wartet auf sie. Neugierig sind sie. In ihren Herzen regt sich die stille Sehnsucht nach Erfüllung aller Wünsche. Welche Wünsche hat so ein Hirt? Keine Großen. Der Größte vielleicht: Zu spüren, ich bin geliebt, so wie ich bin, sagt Gott ja zu mir. Trotz meiner Fehler. Trotz meiner Herkunft. Mehr erwarten sie nicht. Kein Gold, keinen Weihrauch und keine Myrrhe und schon gar nicht irgendwelchen glitzernden Schmuck. Die Hirten sind auf den Weg nach Bethlehem, zum Stall, zur Krippe, zum Kind.

Die Hirten lassen sich nicht beirren. Die Menschen, die ihnen mit Abscheu begegnen nehmen sie gar nicht wahr. Sie können ihnen nicht mehr weh tun. Die bösen Worte, die sie hinter ihnen herrufen, verhallen in der Stille der Nacht. Und werden sanft übertönt vom Gesang der Engelsheere, der immer noch in ihren Ohren nachklingt.

Die Hirten erreichen ihr Ziel. Sie finden das Kind in der Krippe. Und spüren sofort, dass ihnen Wunderbares widerfährt. Das sie Gott selbst begegnen. Das lächelnde Kind fragt sie nicht ihrem Kommensgrund. Es runzelt nicht die Stirn, weil die Hirten nach Schaf riechen. Es freut sich einfach, weil sie da sind. Und der Anblick des Kindes verwandelt die Hirten, pflanzt die Liebe Gottes in ihre Herzen, überzeugt sie, so wie wir sind, so will uns Gott haben und lässt sie schließlich wie neugeboren sein.

Die Hirten gehen zurück. Sie werden allen Menschen vom Kind in der Krippe erzählen. Die Menschen werden sehen, dass dieses Ereignis die Hirten verändert hat. Das diese plötzlich ein Ziel und einen Sinn im Leben haben. Sie zu neuen Menschen macht. Vielleicht gehen sie nie wieder zu diesem Stall, in dem das Kind lag. Sie brauchen es auch nicht. Denn sie wissen, Jesus ist bei ihnen, auf allen Wegen, bis an das Ende der Zeit.

Lasst uns nach Bethlehem gehen….. Sie, liebe Gottesdienstbesucher, sie alle sind ein wenig wie die Hirten. Sie alle sind damit aber auch jemand Besonderes. Jeder von ihnen. Ob er nun häufig einen Gottesdienst besucht, oder nur zu Weihnachten. Wichtig allein ist, dass sie sich auf den Weg gemacht haben. Das sie sich heute auf den Weg machen. Sie wollten nicht darauf warten, dass Weihnachten ihnen in den Schoß fällt. Das Weihnachten zu ihnen kommt. Wie die Hirten haben sie sich wie diese auf den Weg nach Weihnachten gemacht. Weihnachten will sich von uns suchen und auch finden lassen. Das Kind in der Krippe wartet auf sie. Es braucht Menschen, die auf der Suche sind. Deren Herzen sehnsüchtig darauf warten, mit Liebe gefüllt zu werden. Wie ihre Herzen.

Das Kind in der Krippe braucht sie. Jeden einzelnen. Egal, wie groß, wie alt, wie wohlhabend oder gesund, ob Mann oder Frau. Denn sie haben sich auf den Weg gemacht nach Bethlehem. Und doch gibt viele Menschen, die diese wenigen Schritte zum Glück nicht gehen können. Die den Weg nach Bethlehem nicht gehen können. Aus welchem Grund auch immer.

Das Kind in der Krippe braucht sie, damit die Kunde von seiner Geburt in alle Welt hinausgetragen wird. Kein Wunder, dass immer weniger Menschen wissen, was Weihnachten eigentlich ist, wenn die, die es wissen müssten, betreten schweigen. Die Hirten redeten über Weihnachten, wie ihnen das Maul gewachsen war. Das dürfen sie auch. Erzählen sie den Menschen von Weihnachten. Erzählen von dem Wunder in Bethlehems Stall, und den Menschen, die ihm begegneten und wie neugeboren waren. Erzählen sie davon, was Weihnachten ihnen bedeutet. Aber erzählen zuerst immer von der Geburt Gottes als Mensch und das er uns in seiner Liebe als seine Töchter und Söhne das Leben und dieses immer wieder neu schenkt. Als kleine Hilfe bekommen Sie am Ausgang die Weihnachtsgeschichte geschenkt. Die Menschen werden sich über sie wundern, wie es damals die Leute über die Hirten taten.

Liebe Weihnachtsgemeinde!

Keine Predigt über Geschenke. Keine Worte über soziale Missstände. Kein Gedanke an das Elend dieser Welt. Das braucht es auch nicht, wenn es Weihnachten wird. Weil die göttliche Liebe im Jesuskind die Welt verändern will.

Ich freue mich, dass sie mir zu gehört haben. Ich freue mich, dass sie die Sehnsucht nach Weihnachten mit mir teilen. Sie haben alle ein Bild der Königsstrasse bekommen. Am Horizont oben lesen sie die Worte.: Lasst uns nach Bethlehem gehen… Ich habe sie mit Absicht oben ins Bild geschrieben. Denn da oben sehen wir den Himmel. Sicher nur den Himmel über Duisburg. Doch dieser Himmel ist ein Fingerzeig, was uns erwartet, wenn wir uns auf den Weg nach Bethlehem machen. Denn der Himmel begann in einer Krippe, in Bethlehem. Die Hirten brachten ein Stück des Himmels in die Welt. Der Himmel findet sich heute überall dort, wo Menschen von der Geburt Jesu erzählen. Tun sie es. Zögern sie nicht. Dann bringen sie Bethlehem zu den Menschen und sie spüren: Es wird Weihnachten. Der Himmel ist mitten unter uns.

Ich wünsche Ihnen allen Gesegnete Weihnachten.

 Gesegnete Weihnachten wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Jürgen Muthmann

 

 
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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