Predigt am Heiligen Abend, 24. Dezember 2004, 17.30 Uhr

Predigt am Heiligen Abend, 24. Dezember 2004, 17.30 Uhr

Gnade sei mit euch von dem der da ist, der  da war und der da kommt, Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Predigt über 1. Johannesbrief, Kapitel 4, Vers 10

Darin besteht die Liebe: Nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.

Liebe Gemeinde!

Kann denn Liebe Sünde sein?

Halt! Bevor sie vorschnell eine Antwort geben oder der eine oder die andere in frühere Zeiten und dem Lied von Zarah Leander abgleitet. Bevor sie anfangen in alten längst verstaubten Erinnerungen zu kramen und sie immer nur an den einen oder die eine denken: Ich frage sie noch einmal: Kann denn Liebe Sünde sein? Ich gebe ihnen eine erste Antwort: Sie kann und sie muss es sein.

Sie sind erstaunt?? Sie sind verwirrt? Sie sind verärgert?? Das ist gut so. Solange ihnen die Liebe nicht gleichgültig ist, wäre jede andere Reaktion fehl am Platze.

Denn! Das ist keine rhetorische Frage! Ich meine es ernst! Kann denn Liebe Sünde sein? Es geht heute nicht um romantische Träumerei. Es geht nicht die Erinnerung an die erste Jugendliebe… an das erste Mal. Es geht nicht darum, ob niemand es wissen darf, wenn man und frau sich küsst. Nicht um das seltsame Spiel, dass die Liebe manchmal mit uns treibt.

Heute geht es um das Fest der Liebe. Das wir in diesen Tagen begehen wollen. Das Fest, das am meisten unsere Phantasie und Erinnerung beflügelt. Das Fest, an dem wir am liebsten die Welt und alles um uns herum vergessen. Wenigstens für ein paar Tage den Traum vom Frieden träumen, und sei es nur in den eigenen vier Wänden. Es geht um Weihnachten!

Und wenn ich so meine Frage vom Anfang her leicht verändere, denn schließlich ist Weihnachten das Fest der Liebe, folglich könnte ich auch fragen:

Kann denn Weihnachten Sünde sein? Was denken sie jetzt? ….

Und ich antworte ihnen: Wenn es nicht so wäre, dann wäre Weihnachten überflüssig. Wie unsere Pfunde, die wir uns zu Weihnachten anessen. Wie der Stress, den wir uns den Tagen zuvor machen. Wie der obligatorische Weihnachtskrach, ohne den manche von uns nicht auskommen können.

Doch bevor sie denken, ich will ihnen all unsere kleinen und großen Sünden vorhalten, die wir alle im Zusammenhang mit Weihnachten begehen, hören sie zu! Bevor sie denken, ich will ihnen jetzt mal von der Kanzel herunterpredigen, wie wir richtig Weihnachten feiern sollen, begreifen sie mit mir zusammen eine etwas andere Sicht von Weihnachten. Die Sicht, das Weihnachten Sünde sein kann.

Was ist das eigentlich? Die Sünde? Dieser Begriff ist aus der Mode gekommen. Wir benutzen ihn nur noch selten. Sünde hört sich nicht gut an in diesen Tagen. Da reden wir kaum noch drüber. Meist geht er vielen nur schwer über die Lippen. Ich habe gesündigt…. Im katholischen Bußsakrament wird das noch deutlich. Ich habe etwas getan, was dem Willen Gottes widerspricht. Ich habe gegen seine Gebote verstoßen. Ich habe gestohlen, war neidisch, habe gelogen, die Ehe gebrochen oder Vertrauen missbraucht und noch schlimmer ich habe getötet. All das ist Sünde.

Der Mensch selbst ist sündig. Er kann gar nicht anders, als gegen Gottes Willen zu handeln. Unser freier Wille ist ein unfreier Geist. Stets in Gefahr gegen Gott und seinen Willen zu verstoßen. Das wurde seit Jahrhunderten in der unserer Evangelischen Kirche gelehrt. Kein Wunder, dass da an vielen Orten und in vielen Gemeinden sich der Geist der sogenannten Tugenden breit machte, der aber zumeist nur bewirkte, dass vielen Menschen am Ende die Freude und Lust am Glauben manchmal sogar am Leben genommen wurde.

Kein Wunder also, dass wir heute darum nicht mehr so gerne darüber reden. Wer von uns sagt denn schon: Ich habe gesündigt! Nein, das hört sich unterwürfig an. Da mache ich mich doch kleiner als ich bin. Da liefere ich mich gar aus. Da gebe ich am Ende meine Schuld zu. Und warte demütig auf das Urteil, das ein anderer an mir vollstreckt.

Sünde – immer mehr wird das zu einem Tabuthema. Verschwiegen, weil unbequem, überhört, weil lästig. Nein, es reicht doch, wenn wir unsere Fehler zugeben und ein wenig ein schlechtes Gewissen haben. Doch selbst dazu reicht es bei vielen auch nicht mehr. Wer so denkt, wer so sein Leben eingestellt hat. Dem wird es schwer fallen, Weihnachten und Sünde in einem Atemzug zu nennen.

Kann denn Weihnachten Sünde sein? Weihnachten kann Sünde sein, ja Weihnachten muss sogar Sünde wäre. Denn ohne Sünde bliebe es ein Fest voller Oberflächlichkeit, belanglos wie so manche Weihnachtsfeier, die wir in den letzten Tagen und Wochen mitgemacht haben. Eine Feier, die genauso gut zu jedem anderen Anlass hätte gefeiert werden können. Und das soll, ja darf Weihnachten nicht sein.

Weihnachten – was das Fest bedeutet, welches der Anlass ist – jeder von uns hier weiß es. Die Geburt Jesus, Gottes und Mariens Sohn. Geschehen zu Bethlehem. Gott wurde Mensch wie wir. Das ist die Botschaft. Darum feiern wir. Doch ist das alles? Wirklich alles? Reicht das? Das Kind in der Krippe – die Engel, die den Hirten die Nachricht von der Geburt bringen und vom Frieden auf der Erde bei den Menschen singen – die Hirten, die das kleine Jesus – Kind bestaunen und aller Welt vom dem Wunder erzählen, dass sie da gesehen haben. Reicht das wirklich?

Zwischenspiel: In dulci jubilo, BWV 751

Liebe Gemeinde!

Haben sie gerade bei der Weihnachtsgeschichte richtig hingehört? Fehlte ihnen da nicht etwas? Ein Hinweis – ein Wort. Eine Sache, nein ein Zustand, den wir untrennbar mit der Weihnachtsgeschichte verbinden, aber von dem mit keinem Wort in allen 20 Versen ausdrücklich geredet wird. Vielleicht denken wir deshalb darüber so wenig nach. Nehmen ihn als selbstverständlich zu Weihnachten gehörend zur Kenntnis. Und machen so einen großen Fehler. Einen fast schon unverzeihlichen Fehler. Dieser Zustand, es ist die Liebe. Mit keinem Wort wird sie in der Weihnachtsgeschichte erwähnt. Auch mir war das nicht bewusst. Und doch dreht sich alles um sie. Begegnen ihr auf Schritt und Tritt. In dem treuen Josef, der seine Maria nicht alleine lässt, obwohl das Kind offensichtlich nicht von ihm ist. In Maria, die sich liebevoll um ihren neugeborenen Sohn kümmert. In den Hirten, die entfacht von der Liebe, der sie in dem kleinen Jesus begegnet sind, alle Welt davon erzählen.

Begegnen der Liebe vor allem in unserem Gott, der unsere Gestalt angenommen hat, unsere Haut spürt und in dessen Adern unser Blut fließt.

Was hat dieser Gott da nur getan? Warum ist er zu uns in unsere Welt gekommen? Zu uns Menschen, voller Fehler und Unzulänglichkeiten. Die wir nicht nach seinem Willen leben können. Die wir einfach sündige, schuldige Menschen vor Gott sind. Er hatte doch keinen Grund dazu. Wer von uns würde hoffnungslosen Versagern noch helfen? Wer würde jemanden der gegen alle Regeln verstößt, immer wieder eine neue Chance geben? Das verstößt doch gegen alle Vernunft. Und doch. Dieser Gott tut es. Übertritt seine eigene Gebote, die er sich gegeben hat, als er Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb, als er die Sintflut schickte.

Welchen Grund hatte unser Gott es Weihnachten werden zu lassen? Es gibt nur eine Antwort und nur diese kann der Grund für Weihnachten sein.

Dieser Gott ist hoffnungslos in uns verliebt. Denn nur wer verliebt ist, kann gegen alle Vernunft handeln. Darin besteht die Liebe: Nicht wir haben Gott geliebt. Nein, dazu sind wir gar nicht fähig. Gott hat uns zuerst geliebt. Von Anfang an. Als er uns das Leben schenkte. Als er in seinem Sohn Jesus in diese Welt kam. Als er mitten unter uns als einer von uns lebte. Als er am Kreuz starb und schließlich wieder zum Leben auferstand. Gott hat uns immer zuerst geliebt. Deshalb hat er auch gegen seine eigenen Geboten und Regeln gesündigt.

Nur wer wirklich liebt, kann Grenzen, ja kann Abgründe überwinden, die zwischen ihm und einem anderen stehen. Diesen Abgrund, den wir Sünde nennen, hat Gott in Christus überwunden, den er zu uns gesandt hat. Gott liebt uns, und seine Macht der Liebe schenkt uns Versöhnung mit ihm. Und diese beginnt zu Weihnachten, unumkehrbar.

Darin besteht auch die Liebe. Das sie nicht  folgenlos bleibt. Das sie ansteckend ist. Das wir wie die Hirten sind. Angesteckt von der Liebe im kleinen Krippenkind gehen sie zu den Menschen und erzählen allen, die es hören wollen von der Guten Botschaft der Liebe Gottes in Jesus.

Weihnachten kann nicht nur Sünde sein, Weihnachten muss sogar Sünde sein. Ohne Sünde wäre Weihnachten nicht denkbar. Auch wenn Zarah Leander es anders meinte. Ihre Worte drücken genau das aus, was Gott für uns getan hat.

Niemals werde ich bereuen, / was ich tat,  / und was aus Liebe geschah, / das müsst ihr mir schon verzeihen, / dazu ist sie ja da! / Liebe kann nicht Sünde sein, / doch wenn sie es wär'  / dann wär's mir egal - / lieber will ich sündigen mal, / als ohne Liebe sein!

Es geht unserem Gott um Weihnachten, das Fest der Liebe, die alle Sünde und Schuld tilgt. Es geht um die Liebe Gottes, die Hand und Fuß in der Krippe in Bethlehem bekam.

Zum Schluss noch mal die Frage: Kann denn diese Liebe Sünde sein? Ich möchte mit einen Sprichwort antworten: Wer liebt, der sündigt nicht. Wenn Gott uns liebt und wir ihn lieben und in seiner Liebe bleiben. Dann wird es Weihnachten, nicht nur heute, sondern jeden Tag. Denn Gottes Liebe kommt in diese Welt.

Amen

Gesegnete Weihnachten wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Jürgen Muthmann

 

 
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

zurück zur Übersicht