Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis, 12. August 2006, Jeremia 1, 4-10

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von Jesus Christus, seinem Sohn, unserem Herrn!

Liebe Gemeinde!

Als ich noch ein kleiner Junge war, da hatte ich wie so viele kleine Jungen Träume. Keinen kleinen Träume, denn kleine Jungen haben in der Regel große Träume. Immer einen anderen Traum von meiner Zukunft. Schon früh stellte ich mir vor, was ich mal werden wollte. Lokführer wollte ich nicht werden. Auch nicht Schornsteinfeger. Ich wollte einfach werden wie mein Großvater. Der hatte mir mal die Zeche in Walsum gezeigt. Und er arbeitete zuletzt in der Kohlenwäscherei. Eine wichtige Arbeit dachte ich damals, weil ich glaubte, dass nur gut gewaschene Kohle gut heizen kann.

Später, als ich dann eingeschult wurde, wollte ich einige Zeit lang Lehrer werden. Im Vertrauen gesagt, wie so viele kleine Jungs, war ich in meine Klassenlehrerin verknallt. Doch in der dritten Klasse bekamen wir einen strengen auch cholerischen Lehrer und so verblasste mein Traum als Lehrer. Doch am Himmel entdeckte ich neue Träume. Die Sterne funkelten und weckten in mir eine neue Sehnsucht. Ich begann mich für die Sterne und Planeten zu begeistern. Mein Traum wurde es,  Astronom zu werden. Fast jeden Abend guckte ich mir die Sterne durch mein eigenes kleines Teleskop an. Und als Neil Armstrong als erster Mensch auf dem Mond stand, was ich live im Fernsehen sehen durfte als neunjähriger, dachte, das will ich auch…..

Sicher, Fußballnationalspieler wollte ich auch mal werden, doch merkte ich früh, mein Talent reicht nicht.

Als ich größer wurde, wurden auch die Träume kleiner, realistischer. Doch die Sache mit der Wissenschaft und dem Lehrersein blieb immer ein Berufswunsch von mir. Aber ich erlebte auch, wie viele meiner Träume zerbrachen und daran war ich selbst nicht ganz schuldlos.

Und da ist noch der Gedanke gewesen, was ist, wenn ich plötzlich die Nachricht bekomme, ab morgen soll ich was ganz anderes machen, etwas, was mir nicht behagt, von dem ich mein, ich kann es nicht, da fehlen mir die Voraussetzungen für….. und so ähnlich ist es bei mir ja auch gekommen. Denn mein Leben verlief so ganz anders, als ich es mir erträumt und vorgestellt habe.

Sie fragen sich vielleicht, ob ich davon geträumt habe, Pfarrer zu werden.. Nun da muss ich Sie enttäuschen. Es war nicht mein Traumberuf. Ich habe nicht im Traum daran gedacht. Pfarrer, die kannte ich nur vom Hörensagen. Weltfremde Menschen, alte Herren mit dunklen Klamotten und Bauchansatz und die ziemlich fromm den ganzen Tag vom lieben Gott reden….. Aber ich bin es heute. Und eigentlich meist ganz gerne.

Träume habe ich auch heute noch manchmal. Immer noch interessiere ich mich für die Astronomie. Jedesmal an der Nordsee oder auf dem Lande begeistert mich der klare Sternenhimmel. Und würden wir nicht in Duisburg mit seinem staubigen Himmel wohnen, wer weiß, vielleicht hätte ich wieder ein Teleskop, um mir die Sterne anzuschauen….

So hat jeder von uns Träume, als Kind, als Heranwachsender, als Erwachsener und vielleicht auch als alter Mensch. Ein Mensch, der keine Träume hat, keine Visionen, und wenn es auch nur ganz kleine, einfache sind, der ist irgendwie verloren, wie tot. Und die meisten von uns haben wie ich selbst auch die Erfahrung gemacht, dass sich ihre Träume nicht erfüllt haben, dass ihr Leben in anderen Bahnen verlaufen ist, als sie es sich gewünscht und vorgestellt haben…

Das waren Gedanken, die mir als erste einfielen, als ich den Predigttext las….

Predigttext nach der Guten Nachricht

4 Das Wort des Herrn erging an mich, er sagte zu mir:

5 »Noch bevor ich dich im Leib deiner Mutter entstehen ließ, hatte ich schon meinen Plan mit dir. Noch ehe du aus dem Mutterschoß kamst, hatte ich bereits die Hand auf dich gelegt. Denn zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.«

6 Ich wehrte ab: »Ach, Herr, du mein Gott! Ich kann doch nicht reden, ich bin noch zu jung!«

7 Aber der Herr antwortete mir: »Sag nicht: Ich bin zu jung! Geh, wohin ich dich sende, und verkünde, was ich dir auftrage!

8 Hab keine Angst vor Menschen, denn ich bin bei dir und schütze dich. Das sage ich, der Herr.«

9 Dann streckte der Herr seine Hand aus, berührte meine Lippen und sagte: »Ich lege meine Worte in deinen Mund.

10 Von heute an hast du Macht über Völker und Königreiche. Reiße aus und zerstöre, vernichte und verheere, baue auf und pflanze an!«

Liebe Gemeinde,

Von meinen ersten Gedanken habe ich ihnen gerade erzählt, doch fast gleichzeitig dachte ich, was mag Jeremia wohl für einen Traum gehabt haben. Was wollte er werden, hatte er den Wunsch den Beruf seines Vaters zu ergreifen, Priester von Anatot, einem Dorf vor den Toren Jerusalems. Den Menschen in Juda erging es im 626 v. Christi Geburt nicht schlecht im Lande Juda. Der König Joschija sorgte für eine Menge Reformen und schaffte es auch in Ansätzen für Gerechtigkeit zu sorgen. Jeremia hätte seinem Vater Hilkija als Priester nachfolgen können. Vielleicht träumte Jeremia auch davon, Beamter im Dienste des Königs zu werden, oder vielleicht Soldat. Wir wissen es nicht. Doch sicher ist, dass er nicht davon träumte Prophet zu werden.

Gott hat Jeremia aus seinen Träumen gerissen, ja er Jeremias Träume zerstört. Sie sind nicht mehr wichtig. Sie spielen keine Rolle mehr. Denn Gott hat was Besonderes mit ihm vor. Nicht von heute auf morgen. Scheinbar hat Gott Jeremia sorgfältig ausgesucht. Hat seinen Plan mit Jeremia gefasst, bevor dieser schon geboren war, als er noch im Mutterleibe heranwuchs. Wusste um Jeremias Fähigkeiten. War ihm ganz nahe, von Anfang an und hat nur den richtigen Zeitpunkt abgewartet, an dem er Jeremia offen begegnet.

Jeremia war intelligent. Auch wenn er jung war, so wusste er doch nur zu genau, was das bedeutete Prophet zu sein, welche besonderen Qualifikationen ein Prophet brauchte: Unabhängigkeit, Charisma, eine eindrucksvolle Persönlichkeit, und vor allem: ein begnadeter Redner zu sein.

Er wusste, wer da zu ihm sprach. Aber es spricht Jeremia für seinen Mut, dass er es wagte, Gott zu widersprechen: Ich kann nicht reden! Ich bin zu jung! Als ob er Gott sagen wollte: Siehe, mir wächst noch nicht mals ein Bart. Da sollen die Erwachsenen auf mich hören. Und eigentlich bin ich zu schüchtern. Ich kriege meinen Mund nicht auf. Meine Stimme ist schwach!

Doch Gott bleibt stur. Er lässt nicht mit sich reden. Jeremias Einwand wischt er zur Seite: Sag nicht, ich bin zu jung! Einspruch abgelehnt Jeremia. Du gehst dahin, wohin ich dich sende und du sagst den Menschen, was ich dir auftrage!

Oft geschah und geschieht es, dass Menschen mit risikoreichen und gefährlichen Aufträgen einfach ins Wasser geworfen werden. Nach dem Motto: Lerne schwimmen! Wenn du dich über Wasser halten kannst, dann können wir dich gebrauchen. Das Leben ist hart. Überall liegen Steine. Und wenn du einmal fällst, hilft dir keiner mehr auf. Also pass auf dich auf.

Propheten leben unbequem. Sie sagen Dinge, die den Menschen nicht passen. Dinge, die nicht dem Mainstream der Zeit entsprechen. Sie sind die Mutigen, die die unbequemen Wahrheiten aussprechen. Wobei es meist die unbequemen Wahrheiten für die Mächtigen sind.

Propheten leben darum gefährlich. Man will sie zum Schweigen bringen. Setzt ihnen einen Maulkorb auf, versucht sie zu ignorieren oder versetzt sie an Orte, an denen sie nicht mehr gehört werden. Schlimmer noch. Oft werden sie verfolgt, müssen sie um ihr Leben bangen. Nicht selten steht am Ende eines Lebens als Prophet der gewaltsame Tod.

Doch Gott ist nicht so verantwortungslos wie Menschen es sind. Er lässt Jeremia nicht allein ins offene Messer laufen, allein in die nächste Grube stürzen, oder allein in den Fluten ertrinken. Gott wusste, was er Jeremia schuldig war. Jeremia wird als Prophet immer wieder in Gruben stürzen, ins Messer laufen oder von Fluten weggerissen werden. Jeremia wird Gott dafür verfluchen. Doch immer wieder wird Gott seinen Propheten aus der Not herausholen. Hab keine Angst vor Menschen, denn ich bin bei dir und schütze dich.

Und Gott stört es auch nicht, dass Jeremia keinen ausgewählten Rhetorikkurs besucht hat, dass er seinen Mund nicht aufkriegt. Er sorgt dafür, dass Jeremia reden kann. Er legt seine auf Jeremias Lippen und spricht zu Jeremia: Ich lege meine Worte in deinem Mund…. Jeremia bekommt von Gott die Kraft und Fähigkeit geschenkt in Gottes Vollmacht zu reden.

Das hat Jeremia auch nötig. Denn sein prophetischer Auftrag übersteigt die jegliche menschliche Fähigkeiten Macht über Völker und Königreiche hat Jeremia: Er kann ausreißen und zerstören, vernichten und verheeren er kann aufbauen und anpflanzen. Und das Buch von Jeremia ist voll von diesen Berichten, wo all das genau geschieht….

Gott hat Jeremia aus seinen Träumen herausgerissen. Er hat Jeremia in seinen Dienst gestellt. Jeremias Geschichte seiner Berufung zeigt uns, dass Gott immer wieder Menschen in seinen Dienst nimmt.

Angenommen, Gott würde eine Stellenanzeige in einer großen Tageszeitung schalten, ich könnte mir folgenden Text vorstellen.

Menschen gesucht

Es erwartet sie: Eine verantwortungsvolle, abwechslungsreiche Tätigkeit, Begegnung mit vielen Menschen.

Ihre Aufgabe: Die gute Nachricht von Gottes Liebe, bei Bedarf auch die Verkündigung unbequemer Wahrheiten der Welt zu bringen.

Welche Voraussetzungen haben sie: Keine, nur ein wenig Glaube und Vertrauen. Geschlecht, Herkunft und Alter sind ohne Bedeutung

 Die Vergütung erfolgt aus der Fülle der Liebe und Gnade Gottes.

Ein Bewerbungsschluss ist nicht vorgesehen. Ihre Bewerbung brauchen sie nicht abzusenden. Ich komme bei Bedarf auf sie zu. Die Einstellung erfolgt unter Umständen sofort. Eine Kündigung kann nur von ihrer Seite her geschehen.

So ist das mit Gott. Wir können nicht über ihn verfügen. Wir können nicht die Gaben verfügen, die er uns schenkt, um für ihn in der Welt seine Zeugen zu sein. Wie den Jeremia wird er jeden von uns nach Bedarf begaben, uns seine Finger auf die Lippen legen. Manchmal reißt Gott uns dafür aus unseren Träumen. Stellt unser Leben auf den Kopf. Wie das des Jeremias.

Propheten werden nur wenige. Andere beruft Gott zu anderen Diensten. In der Seelsorge, in Leitung und Verantwortung, im Besuchsdienst, bei Kinder und Jugendlichen. Überall gilt aber: Niemals lässt er uns allein. Hab keine Angst vor Menschen, denn ich bin dir und schütze dich . Das ist Gottes Zusage an Jeremia. Das ist seine Zusage an uns. Im Vertrauen darauf können wir uns von Gott senden lassen.

Und der Friede Gottes......

Pfarrer Jürgen Muthmann

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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