Predigt über Johannes 1,19-23 am Samstag, 23.12.2000

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt!

9 Das Zeugnis des Täufers über sich selbst
Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Jerusalem, dass sie ihn fragten: Wer bist du?
20 Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus.
21 Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du [a] Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der [b] Prophet? Und er antwortete: Nein.
22 Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?
23 Er sprach: »Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3).

Liebe Gemeinde!

Er hat bekannt. Er hat gesprochen.

Kein Zweifel, dieser Johannes wusste genau, was zu sagen war.

Und doch. die Versuchung muss groß gewesen sein. Wer bist du ? Eine einfache Frage und doch war die Antwort so schwierig. Eine Antwort, die nicht Folgen bleiben würde, eine Antwort, die von großer Bedeutung, großer Tragweite war.

Johannes hatte die Chance, noch berühmter und hochgeehrter zu werden, ein Mann, dem die Menschen zu Füßen lagen, die ihn anhimmelten, die in ihm ihrem Retter sahen. Den Retter vor ihrer eigenen Bosheit. Den Retter vor den Römer, die das Land und die Stadt Jerusalem in ihrem eisernen Griff hatten.

Ein einfaches Ja hätte genügt. Ja, ich bin der Christus. Ja, ich bin der Elia, der wieder auf die Erde zurückgekommen ist. Ja, ich bin der Prophet Gottes, auf den alle warten.

Ein einfaches Ja hätte Johannes genügt, um noch berühmter, noch geehrter zu werden, als er schon war. Ein Ja, das ihm aber nur kurzfristigen Ruhm eingebracht hätte, denn Johannes war weder der Christus, der Messias, auf den Israel wartet bis heute, noch war er Elia oder der Prophet.

Kein Zweifel, dieser Johannes wusste genau, wer er war.

Wer bist du? Eine einfache Frage mit schwieriger Antwort. Die Menschen damals hingen wohl an Johannes Lippen. Viele kamen zu dem Bußprediger im Kamelhaargewand, der Heuschrecken und wilden Honig aß, um sich von ihm mit Wasser taufen zu lassen. Wasser, das ihre Bosheit von ihnen wie Dreck abwaschen sollte. Kein Wunder, dass die Machthaber in Jerusalem auf diesem Menschenmagneten irgendwann aufmerksam wurden. Die Mitglieder des Synhedriums, sozusagen ein jüdischer Bundestag, hegten ernste Befürchtungen.

Wer mag das sein? Der Messias ja wohl nicht. Nein, das ist zu abwegig. Aber vielleicht der Prophet Elia. Der soll ja wieder aus dem Himmel zurückkommen, kurz bevor der Messias kommt. Klar, dass sie wissen wollten, wer dieser Johannes sei. Oder er könnte ja für sie zu einer Gefahr werden. Einer, der die Menschen gegen die Obersten im Volke anstachelt. Wer bist du? Viel hing für die Mitglieder der Führungsschicht in Jerusalem von der Antwort des Johannes ab.

Wer bist du? Eine einfache Frage mit schwieriger Antwort.

Eigentlich gar nicht so selbstverständlich, wie Johannes da antwortet. Stellen Sie sich liebe Gemeinde mal vor, Sie wären der Johannes, oder einfach nur, sie werden gefragt, Wer bist du?

Können sie eine Antwort darauf geben. Eine befriedigende Antwort. Können Sie antworten. Wer bin ich? Eine einfache Frage, und doch ist die Antwort so schwierig. Was fällt ihnen ein? Wer bist du? Wer bin ich?

Der Name, vielleicht noch der Beruf, die Adresse. Familienstand. Mehr meist nicht. Also! Das sind sie! Das bin ich! Alles andere erst nach kurzem Nachdenken.

Name, Beruf, Adresse. Jürgen Muthmann, Pfarrer, Hummelpfad 3, 47055 Duisburg. Brauchen Sie noch meine Telefonnummer? Eine Frau, vier Kinder. Das bin ich! Bin ich das?? Ist das alles? Wer bist du? Eine einfache Frage, doch die Antwort fällt schwer, bleibt oberflächlich, austauschbar, beliebig.

Wer bin ich? Bin ich wer? Einfache Fragen. Wichtige Fragen. Eminent wichtig. Für jeden von uns hier, für jeden Menschen. Fragen ,die kein Ausweichen dulden. Fragen, die der Antwort bedürfen, Antworten, um die jeder von uns ringen muss, denn die Fragen knabbern an unserem ich. Fragen, auf die nach Name, Beruf, Adresse zumeist Schweigen folgt, verlegenes, betretenes Schweigen, denn nur wenige wissen, wer und was sie sind. Die Antworten fallen schwer. Ein einfaches Ja oder Nein wie in Was bin ich, Robert Lembkes heiterem Beruferaten, ist zuwenig.

Wer bist Du? 3x antwortet Johannes mit Nein: Ich bin nicht der Messias, der Christus. Ich bin nicht Elia! Ich bin nicht der Prophet. Johannes weiß genau, wer er nicht ist.

Auch schon was. Weiß jeder von uns, was er nicht ist?

Jedenfalls litt Johannes nicht an Größenwahnsinn, an Selbstüberschätzung, wie so viele Wanderprediger der damaligen Zeit. Bei denen gab's selbsternannte Messiasse, Elias, Wunderpropheten, die doch nur Scharlatane waren. Menschen in die Irre leiten, das konnten sie. Sie blendeten diese mit ihrem leeren Geschwätz und kostspieligen Scheinwundern. Religiöse Rattenfänger, die vorgaben auf ihrer Angebotsflöte die Lebensmelodie zu spielen, aber Menschen oft um alles brachten was sie besaßen. Wie die Dinge sich wiederholen. Religiöse Rattenfänger gibt es auch heute. Nennen sich Kirche, sind aber knallharte Wirtschaftsunternehmen wie Scientology-Church, ihre Führer halten sich für den Messias, wie bei den Davidianer und Sonnentempler vor einigen Jahren und am Ende wartet der Tod, der religiöse Selbstmord, der religiöse Mord. Noch mehr von dieser Sorte gibt es und sie versprechen den Menschen Antwort zu geben auf die Frage Wer bist du?! wer bin ich?

Johannes zählt nicht dazu. 3x mal nein. Eindeutig. Was er nicht ist, steht fest. Trotzdem. Immer noch offen: Wer dann? Johannes, wir wissen, wer du nicht bist, aber wer bist du dann?

Viel wäre gewonnen, wenn wir das auch sagen könnten: Das bin ich nicht! Kein frommer Träumer, kein politischer Querkopf, kein selbstüberheblicher Mensch. Das würde uns weiterhelfen. Das bin ich nicht.

Johannes weiß, wer er ist: Er nennt sich: Die Stimme eines Rufers in der Wüste. Johannes ist einer, der ruft, der den Menschen damals was zuruft, der uns etwas zurufen will. Johannes weiß, dass er eine Stimme hat. Eine seltsame Antwort. Nicht mehr? fragen wir uns. Nur eine Stimme? Etwas wenig, wo doch so viele Stimmen ringsum sind, damals, wie heute. Johannes bist du da nicht geradezu stimmlos. Wirst du nicht von dem Lärm ringsum übertönt?

Johannes aber hat eine Stimme. Eine gewichtige Stimme, eine Stimme, die den Menschen was zu sagen, anzukündigen hat. Eine selbstbewusste Stimme, die weiß wovon sie redet. Johannes ruft: Ich bin die Stimme eines, der in der Wüste ruft. Bereitet dem Herrn, unserem Gott, den Weg. Gott kommt in unsere Welt. Macht Platz für ihn auf euren Straßen, in eueren Häusern, in euren Herzen. Macht es so wie ich. Alles, was ich tue soll Gott den Weg bereiten. Ich bekenne mich zu Gott, um ihn den Weg frei zu machen. ich predige, um die Ohren der Menschen für zu öffnen. Ich taufe, um die Herzen der Menschen für ihn zu öffnen. Ich bin da, weil Gott mich braucht! Ich bin da, weil Gott in die Welt kommt!

Gedankenspiel. Assoziationen. Liebe Gemeinde!

Wer sind wir? Heute, gestern und morgen. Morgen ist der Heilige Abend, dann ist Weihnachten. Heute der Weihnachtsendspurt. Letzte Geschenke, Bäume kaufen, Verabredungen für die Besuche treffen. Die Wege sind bereit, aber sind sie auch für Gott bereit? Auf der Königsstrasse und ein wenig auch auf der Fischerstraße hört man die Rufer und Stimmen, doch die öffnen weniger die Herzen als das Portemaneie. Stimmen, letztlich belanglos, die uns aber in Beschlag nehmen und uns Glück versprechen. Mittendrin sind wir. Stimmlos, ohne Selbstbewusstsein, lassen uns auf Weihnachten zutreiben. Endspurt. Es droht wüst und öd in uns zu werden. Die weihnachtliche Konsumwüste breitet sich in uns aus. Und heute dieser Text, der uns fragt: Wer bist du? Wer bin ich? Der uns weiterfragt: Hast du eine Stimme? Kannst du rufen: Macht den Weg frei zu Euch frei, denn Gott will zu uns kommen.

Ich denke, die meisten von ihnen würden sich das nicht zutrauen. Stellen sie sich vor, sie rufen auf der Fischerstraße: Macht den Weg frei, denn Gott kommt zu uns. Ich glaube, man erwartet nur Kopfschütteln und dumme Kommentare. Sie sagen, wir sind doch nicht der Johannes. Wir haben keine Kompetenz, um das zu rufen. Stimmt das?

Der Versuch einer Antwort: wer sind wir? Name, Beruf, Adresse. Sicher. Aber wir sind noch mehr. Wir sind Christen. Menschen, die daran glauben oder zumindest darauf hoffen, dass Gott zu uns kommt. Gerade jetzt, in der Advent- und Weihnachtszeit. Weihnachten, wir feiern den Geburtstag Jesu, des fleischgewordenen Gottes. Adventszeit heißt. Wartezeit, Wartezeit auf Gott, der kommt. Er ist auf dem Weg zu uns. Aber tun wir alles, um Gott den Weg zu bereiten? Sind wir Stimmen, die in dieser glaubenslosen Zeit rufen, Gott kommt. sind wir Wegbereiter für Gott.

Jeder von uns weiß, dass wir das, wenn überhaupt, viel zu selten sind. Wer sind wir? Wir sind Christen. Und als Christen können wir rufen, können wir den Menschen gerade in dieser Zeit zeigen: Gott kommt. Ich glaube, manchmal müssen wir uns nur trauen. Es ist nötig, sich auf die Fischerstraße, wohlmöglich noch am Markttag, zu stellen, und wie die Marktschreier zu rufen: Gott kommt. Es reicht, zu Hause, bei Freunden, bei den Nachbarn zu sagen, Gott kommt in unsere Welt. Überall da, wo unser Leben droht, zu einer lebensfeindlichen Wüste zu werden. Da will Gott zu uns kommen. Es reicht, zu wissen, zu sagen und zu zeigen, dass wir an die Weihnachtsbotschaft glauben. An den Frieden, der uns allen im dem Kind in der Krippe verheißen ist. Dann sind wir Wegbereiter für Gott.

Und der Friede Gottes, welcher größer ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne im Machtbereich des Kindes in der Krippe. AMEN

  Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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