Predigt am 3. letzten Sonntag d. Kirchenjahres, 7.11.2004, Römer 14,7 - 9

Gnade sei mit Euch von dem, der da ist und der da war und der da kommt, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!
Predigttext     -Verse aus der Liturgie der Trauerfeier
Keiner lebt für sich selber, und keiner stirbt für sich selber.
Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn.
Darum: ob wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden,
dass er über Tote und Lebende Herr sei. (Römer 14,7 -9)
Liebe Gemeinde!
Ich möchte sie einladen, mit mir über diese Verse aus dem Römerbrief nachzudenken. Wir alle werden sie wohl kennen. Sie sind Teil der Liturgie bei Trauerfeiern. Ich habe diese Verse oft bei Trauerfeiern zumeist am Anfang, manchmal auch in modernerer Übersetzung gesprochen. Worte, die eine klare Grenzsetzung sind: Das Sterben gehört zum Leben und ohne Sterben ist kein Leben.
Wir alle wissen das. Und doch verdrängen wir das Sterben und den Tod soweit wie möglich nach hinten. Beides soll nicht zu uns gehören. Beides macht uns Angst. Besonders in den jüngeren Jahren. Beides erinnert uns an unsere Vergänglichkeit. Beides setzt uns Grenzen, die wir doch so gerne grenzenlos wären. Doch immer wieder das Sterben und der Tod. Beides funkt uns dazwischen. Halt! Stop! so geht das das nicht. Hier geht es nicht nur um das Sterben. Hier geht es auch um das Leben. Es heißt ja zuerst:
Unser keiner lebt sich selber:
Wer wollte nicht für sich leben. Wer wollte nicht sein Leben selbst bestimmen, wer wollte nicht sein eigener Herr sein. Im Stil der heutigen Zeit müssten diese Verse eigentlich so lauten: Jeder lebt für sich selber! Wer nicht lebt, der lebt verkehrt! Das ist das Ziel für viele Menschen heute. Über sich selbst bestimmen können, vom Anfang bis zum Ende, sich nicht reinreden lassen. Ich will so bleiben, wie ich bin. Eben, ich lebe für mich und nicht für andere. Ich lese Ihnen ein Gedicht von Peter Sobiech vor, auf das ich Laufe der Predigt zurückkommen werde.
Jeder lebt für sich.
Das ist genug.
Jeder lebt für sich.
Das ist klug.
Jeder ist sein eigener Herr.
Das ist nicht schwer.
Jeder ist sein eigener Herr.
Das bringt ihm mehr.
Christus braucht er nicht.
Es reicht der Blick ins eigene Gesicht.
 
(F. Sobiech)
 
Jeder lebt für sich. Das ist der Satz der heute zählt. Der hoch im Kurs steht. Wozu brauch ich die anderen. Ich zuerst, dann lange gar nichts und dann irgendwann der Rest der Welt. Das reicht doch, das ist genug.
Jeder lebt für sich. Ich wäre doch dumm, wenn ich an die anderen denke. Keiner denkt doch an mich. Also lebe ich erst mal für mich. Nur das ist klug…
Jeder ist sein eigener Herr. Ich bin wie ich will. Ich lass mir doch nicht von anderen in mein Leben hereinreden. Ich lebe mein Leben und bestimme, was mit mir geschieht. Den Worten anderer Beachtung schenken, gar auf sie zu hören, nein, das kommt mir nicht in den Sinn. Ich bin ich, das bringt mir viel mehr.
Wozu an Gott und Christus glauben, wenn sie mir sowieso nicht helfen. Die brauche ich nicht mehr. Ich bin für mich da. Im Spiegel, da sehe ich, wer mein Leben bestimmt.
Jeder lebt für sich selber – Keiner lebt sich selbst…. Worte wie Feuer und Wasser. Worte, die einander ausschließen.
In der Gemeinschaft leben, auf andere Rücksicht nehmen, merken, nicht der Dreh- und Angelpunkt der Welt zu sein. Das widerspricht diesem Lebensziel. Keiner lebt für sich selber. In Partnerschaften ein wichtiger Satz. Lebt einer für sich selber, kommt es zum Bruch, zur Scheidung. Man kann keine zwei Leben leben. 
Keiner lebt sich selber. Wir leben in Gemeinschaften. Als Partner, als Familie, in der Gemeinde und unseren Vereinen. Lebt einer für sich alleine, geht mindestens ein Teil davon kaputt. Lebt einer für sich selber, geht er selbst daran zu Grunde. Wer in Einsamkeit lebt, lebt schon in Sichtweite des Todes, zumindest des gesellschaftlichen. Wir leben eben nicht für uns alleine, und die Herren über unser Leben sind wir schon gar nicht.
Keiner lebte für sich selber. Auch eine Aufforderung, Menschen nicht in der Einsamkeit zu lassen. Sie für sich alleine leben lassen, wenn sie doch die Gemeinschaft suchen. Nichts ist schlimmer, als im Alter alleine zu sein, nichts ist schlimmer in jungen Jahren in schwierigen Lebenssituationen alleine dazustehen.
Keiner soll für sich alleine leben. Keiner soll aber auch für sich selber sterben.
Angesichts unserer heutigen Lebensumstände ein merkwürdiger Satz. Sterben und der Tod finden heute eher am Rande der Öffentlichkeit ab. Meist in den Krankenhäusern. Manchmal abgeschoben in dunkle Kammern. Selten zu Hause. Gestorben wird oft in der Einsamkeit. Alleine, ohne Begleitung.
Das Sterben und der Tod werden immer noch zunehmend aus unserem Leben verdrängt. Viele Angehörige sind froh, dass ihre Verwandten in den Krankenhäusern sterben. Viele sind froh, wenn die Verstorbenen möglichst schnell von Hause abgeholt werden. Man hat den Tod nicht gern in der Nähe. Der Tod darf nicht zu ihrem Leben gehören. Lieber für sich selber sterben.
Stirbt wirklich keiner für sich selber?
Gut, dass es langsam Gegenbewegung dagegen gibt Es wird wieder zu Hause gestorben. Da wird der Satz keiner stirbt für sich selber wirklich wahr wird. Zuhause und auch in den Krankenhäusern. Wo die Angehörigen Tag und Nacht ihre im Sterben liegenden Liebsten begleiten. Manchmal bis zur totalen Erschöpfung. Manchmal bis an die Grenze des Denkbaren und Ertragbaren. Gerade wenn das Sterben selbst zur Qual wird. Aber fast immer mit Gewinn. Eben: Keiner stirbt sich selber. Der Tod verliert dann viel von seinen Schrecken.
Der nächste Satz des Predigttext lenkt unsere Aufmerksamkeit weg von uns Menschen hin auf Gott: Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: ob wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
Ein anderer Herr – jeder ist sein eigener Herr.
Es ist nicht modern zu sagen, jemand anderes hat unser Leben in der Hand. Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, das will heute jeder. Die Abhängigkeiten, in die wir längs geraten sind, werden nicht mehr wahrgenommen. Abhängigkeiten von unseren Medien, von Werbung, von vielen anderen Dingen. Wir sind doch längs nicht mehr unsere eigenen Herren. Andere haben die Macht über uns übernommen. Jeder ist sein eigener Herr – nur eine Illusion
Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: Ob wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Die Botschaft dieser Sätze ist einfach und kann doch unendlich tröstlich sein. Leben ist geschenkt, Leben ist nie umsonst, Leben steht unter dem Schutz des Höchsten. Er ist es, der ja zu uns gesagt hat bei unserer Zeugung. Er ist es, der uns auf unseren Wegen begleitet. Den Guten wie den Schlechten. Es ist ja nicht so, als ob wir auf Gedeih und Verderb unserm Gott gehorchen müssen. Es ist ja nicht so, dass er uns mit eiserner Hand festhält und wir nur unter der Aufsicht seiner Gebote leben dürfen. Es ist so, er begleitet uns und schenkt uns seine Liebe. Bei allem, was wir tun, sind wir in seiner Hand geborgen.
Und eben nicht nur im Leben, sondern auch im Sterben und im Tod gehören wir zu ihm. Dieser Gott, der einmal zu uns ja gesagt hat,  - sagt nicht irgendwann wieder nein. Das ist unser Gott. Die beiden Sätze zu Anfang bekommen nun noch eine ganz andere Wendung. Es kann wirklich keiner für sich selber leben. Immer ist Gott, der zu uns wie eine Mutter und ein Vater ist, bei uns. Unser ganzes Leben lang, so fern wir auch von Gott sein mögen. Er ist uns immer nahe. Selbst im Sterben, gerade im Sterben lässt er uns nicht alleine. Er ist selbst dann noch da, wenn alle anderen verschwunden sind. Die sogenannten Herren dieser Welt.
Von diesen Worten geht eine Kraft aus. Eine Kraft, die einen Menschen Halt geben kann, wo jeder anderer Halt schon längst verloren ist. Ich kenne Menschen, gerade diese Worte des Paulus haben den nötigen Halt gegeben haben, mit ihrer lebensbedrohenden Krankheit zu leben. Gerade als sie fast am Sterben waren. Die Gewissheit, in Gottes Hand geborgen zu sein, ließ sie das Kommende mit Gleichmut, aber auch Hoffnung ertragen. In solchen  Erlebnissen und Erzählungen spüren wir am ehesten die Kraft dieser Worte. Es sind nicht die Worte selbst. Es ist der Herr über Leben und Tod, der diese Kraft schenkt: Unser Herr Jesus Christus.
Die Kraft seiner Auferstehung von den Toten. Die Kraft, dass das Leben unter Gottes Schutz letztlich stärker ist als der Tod.
In diesen Worten liegt die Hoffnung verborgen, dass der Tod nicht unser Ende ist, sondern wir das ewige Leben geschenkt bekommen durch die Auferstehung Jesu Christi. Am Kreuz Jesu Christi drohten alle Hoffnungen zu zerbrechen. Die Hoffnung auf das Leben, die Hoffnung auf die Treue unseres Gottes. Doch unser Gott erweckte Jesus Christus von den Toten, machte ihn lebendig und schenkte ihm und uns das Leben, das stärker ist als der Tod. Machte Jesus Christus zum Herrn über Leben und Tod. In ihm bekommen Trost und Hoffnung geschenkt. Nur er kann uns die Gewissheit geben: Euer Leben ist in guten Händen. In den Händen meines Vaters. Hände, die euch niemals loslassen. Denn, so wie sie mich getragen haben, so werden sie Euch tragen. Im Leben, im Sterben, im Tod und darüber hinaus. Deshalb erzähle ich ihnen diese Botschaft von der Auferstehung immer wieder bei den Trauerfeiern. Ich glaube, wir müssen diese Worte und öfter zu sagen. Und eben nicht nur bei den Trauerfeiern. Sie gehören dahin. Ja, aber nicht nur dort. Denn es sind Worte des Lebens. Worte der Geborgenheit und des Schutzes. Wir sollten uns diese Worte des Paulus öfter zusprechen. Sie gehören zu unserem Leben. In jede Situation. Denn sie sprechen von Gottes Nähe und seiner Liebe zu uns. Sie sprechen davon, dass der Tod nicht unser Ende ist, dass ein Danach gibt, unter Gottes Schutz, ein Leben nach dem Tod, und auch ein Wiedersehen mit den Menschen, die von uns gegangen sind.
Diese Verse sprechen auch von Ostern. Vom Sieg des Lebens über den Tod. Denn wie es im Text heißt: Dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig, dass er Herr über Lebende und Tote sei.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft und unsere Gedanken, schenke unseren Herzen die Gewissheit, dass uns in Jesus Christus das Leben geschenkt ist. Amen
 
Predigt auf Basis der Predigt vom Ewigkeitssonntag 21.11.1999
Und der Friede Gottes der höher….

 

Email: Pfarrer Muthmann
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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