• Predigt am 24. Oktober 2004, 1. Thessalonischer 4, 1-8

    Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

    Liebe Gemeinde!

    Kennen Sie eigentlich schon die Heilige Johanna, oder die Heilige Siegrid oder den/die  Heilige (einige Namen der anwesenden Gottesbesucher einsetzen………). Ja, ich sehe schon, sie wundern sich, dass ich die Vornamen einiger Gottesdienstbesucher genannt habe. Ich könnte auch den Namen von ihnen allen sagen oder meinen eigenen, der Heilige Jürgen, ……. klingt gut……, jede und jeder könnte genannt werden.

    Vielleicht fühlen einige sich ihnen geschmeichelt, vielleicht sind aber auch einige von Ihnen zusammengezuckt. Wie ich soll ein Heiliger oder eine Heilige sein? Nee, nee, das kann nicht sein, völlig unmöglich. Vielleicht noch der Pfarrer da vorne auf der Kanzel, eigentlich auch eher ein seltsamer Heiliger, wenn überhaupt, der hat gewiss auch genug auf dem Kerbholz, aber ich bin bestimmt kein Heiliger. Dafür habe ich zu viele Fehler. Klar, manchmal tue ich schon gute Dinge, spende mal hier was und helfe dort, wo es nötig ist. Aber immer kann ich das auch nicht. Und manches würde ich nicht tun. Meinen Mantel teilen wie St. Martin oder für meinen Glauben eine schreckliche Todesart erleiden wie Bonhoeffer und viele andere. Ich bin kein Vorbild in Glaubens- und Lebensführung. Also auch kein Heiliger!

    Nun, um solche Heilige geht es auch nicht. Es geht nicht um Menschen mit besonderen Helferfähigkeiten oder vorbildlichem Glaubensleben, wie es in der katholischen Kirche die Heiliggesprochenen sind.

    Es geht um die Gemeinschaft der Heiligen, wie es im Glaubensbekenntnis heißt, und dazu gehört, so wissen wir hoffentlich alle, jede und jeder von uns. Gleich welcher Herkunft, welchen Alters, welchem Geschlechts. Jeder von uns ist Heilige, denn als Getaufte gehören wir zu Gott, und Gott schenkt jedem von uns seinen Heiligen Geist.

    Dennoch, da bleibt etwas Unbehagen. Ich und heilig, nein das kann ich mir nicht vorstellen. Heilige sind doch was Besonderes -  und das bin ich doch nicht, oder doch? Mit den Geboten Gottes leb ich doch nicht im Einklang.

    Hören wir mal, was Paulus dazu sagt. Er hatte nämlich ein paar Zeilen an einige sogenannte Heilige zu schreiben, die damals Thessalonich lebten . Ich lese den für heute vorgeschlagenen Predigttext  aus dem 1. Thessalonicher 4, 1-8

    Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, dass ihr darin immer vollkommener werdet.

    2 Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.

    3 Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht

    4 und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung,

    5 nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen.

    6 Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben.

    7 Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung.

    8 Wer das nun verachtet, der  verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen heiligen Geist in euch gibt.

    Liebe Gemeinde!

    Ehrlich gesagt, erst bleiben bei mir die unangenehmen Worten hängen. Unzucht, gierige Lust, Übervorteilung, der Herr ist Richter. Da wird einem ganz flau im Magen, dass schlechte Gewissen regt sich im Innern.

    Und diese Worten überdecken schnell das Positive, von dem Paulus in seinen Zeilen auch spricht: Ihr lebt ja schon gottgefällig, ihr tut es und werdet immer vollkommener darin. Ihr kennt die Gebote und haltet sie ein. Also es gibt viel zu loben, aber da habe ich dann doch noch einige Anregungen zu machen!

    Schauen wir doch erst auf das Gute als Gemeinde und als einzelne Menschen in ihr. Nicht nur wir Christen, aber wir besonders, machen uns das Leben immer ganz schön schwer. Selten werden die Dinge genannt, die gut geklappt haben. Und davon gibt es doch eine ganze Menge bei uns. Erinnern wir uns doch mal an die Aktionen zum 50jährigen Bestehen des Gemeindehauses Vogelsangplatzes. Die vielen Menschen, die mit geholfen haben, eigene Aktionen planten und viel Geld für die neue Bestuhlung sammelten. Und die neue Küche im Kindergarten Vogelsangplatz, die parallel dazu auch noch mit Spenden finanziert wurde. Und jetzt, beim endlich begonnenen Umbau der Gnadenkirche gibt es viele, die mithelfen wollen.

    Da sind die Damen der Besuchsdienste, die viele ältere Leute zu den Geburtstagen, aber auch sonst besuchen. Da gibt es viele ehrenamtliche Mitarbeiter in den Kindergärten, im Jugendheim und im Beratungs- und Begegnungszentrum. Menschen, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in der Leitung unserer Gemeinde einbringen. Im Presbyterium, in den Ausschüssen. All diese Leute sind doch Mitarbeiter Gottes hier auf Erden. All diese tragen die Freuden und auch die Lasten in der Gemeinde. So schwach jeder Einzelne sein mag, in der Gemeinschaft sind wir stark. Wenn auch jeder einzelne Fehler hat und nicht immer Gottes Geboten einhält, so bringen wir als Gemeinschaft eine ganze Menge zusammen. Eben als Gemeinschaft der Heiligen. Denn als Heiliger gehört jeder einzelne von uns zum Machtbereich Gottes. Und jeder Einzelne bemüht sich ebenso, nach Gottes Geboten zu leben, wenn es auch nicht einfach ist, weil wir eben nicht vollkommen sind, sondern fehlerhaft. Dennoch, auch wir fehlerhaften Menschen sind Heilige. Denn spätestens seit unserer Taufe gehören wir zu Gott. In Jesus Christus, seinem Leben und Sterben, seiner Auferstehung liegt der Grund unserer Heiligkeit. Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel sagt Jesus. Trotz unserer Fehler sind wir unser Leben lang auf dem Weg zu Vollkommenheit.

    Aber die bohrenden Worte des Paulus bleiben, Unzucht, gierige Lust, Übervorteilung, der Herr ist Richter. Unsere Gedanken schweifen bei diesen Worten ab. Da kommen dann Bilder wie die von Sodom und Gomorrha in unser Gedächtnis, die Welt als Sündenpfuhl. Thessalonich war zur der Zeit des Paulus sicher kein ruhiger Ort. Es war die größte Hafenstadt im Norden Griechenlands. Menschen vieler Länder kamen dort zusammen. Liebe und Sex waren käuflich, vielleicht gab es auch so was wie eine „Rote Meile“, eine kleine Reeperbahn, oder näher für uns eine Vulkanstrasse. Geschäfte wurden gemacht, und damit es auch klappte, wurde so manches zusätzlich mit Geld geschmiert. Viele versuchten aus einem Handel mit nicht legalen Mitteln wie Bestechung, Erpressung einen Vorteil heraus zu holen. In diese Richtung zielen die Worte des Paulus sicherlich auch. Wir könnten uns dann schnell herausreden, damit haben wir doch nichts zu tun, wir könnten auf die Skandale der letzten Zeit verweisen, in Sankt Pölten, den sexuellen Missbrauch von Kindern, dem Sextourismus. Wir könnten an die Bestechungsskandale der letzten Zeit erinnern, an die Selbst-Bereicherung einiger zumeist Herren in den Chefetagen großer Konzern und Banken, an Korruptionsskandale um Trienekens, jetzt auch in Duisburg, doch da wären wir fein raus. Damit haben wir nichts zu tun. So einfach macht Paulus es uns aber nicht.

    Er sagt nicht nur Unzucht, er sagt auch:  und ein jeder von euch versuche  seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, und wir könnten hinzusetzen seinen eigenen Mann zu gewinnen. Da geht es um die Ehe, um Partnerschaften, im weitesten Sinne vielleicht auch um Freundschaften. Da geht es um gegenseitige Achtung und Respekt voreinander. Es geht um das Ernstnehmen des Gegenübers mit all seinen guten und weniger guten Seiten. Es geht aber nicht um Ausnutzen und Missbrauchen. „Ich brauche einen Freund oder eine Freundin, ich brauche einen Mann oder eine Frau.“ Wenn wir solche Sätze sagen, kann schon das Schielen auf den eigenen Vorteil der Grund für eine Partnerschaft sein. Ob es nun sexueller Lust oder das nicht Alleinseinkönnen ist. Da können wir noch Konfi sein, im heiratsfähigen Alter, oder schon im fortgeschrittenen Alter.

    Paulus sagt auch keiner soll zu weit gehen und seinen Bruder und seine Schwester im Handel übervorteilen. Keiner von uns solle glauben, damit haben wir nichts zu tun. Das fängt im Supermarkt beim Einkaufen an, wenn uns die Kassiererin 10 €uro zuviel zurückgibt und wir sie ohne mit der Wimper zu zucken einstecken. Bei der Steuererklärung liegt die Versuchung nah, mit allen möglichen Tricks das meiste Geld herauszuholen. Solange es legal ist, besteht kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Doch wenn man falsche Angaben macht oder falsche Belege angibt, wird es kriminell.

    Beide Beispiele haben viel mit uns zu tun. Es geht um unsere dunklen Seiten, die durchaus noch in uns sind. Erkennbar werden sie meist mit aller Gewalt, wenn es um den Seitensprung geht oder darum, etwas auf die Seite zu bringen. Die Versuchung dazu liegt jedem im Blut, dem einen mehr, der anderen weniger.

    Davon redet Paulus in seinen Worten auch. Er blendet die dunklen Seiten unserer Existenz nicht aus. Er will, dass wir in unserem ganzen Wesen geheiligt sind. Auch im innersten Kern. Dass wir nicht mehr durch zerstörerische Kräfte gelenkt werden, fremdbestimmt wankelnd zwischen vielen Versuchungen und Mächten. Gott will in uns sein, uns mit seinem Geist leiten. Er will uns die Augen öffnen für diese Welt, für das was gut ist, was seinem Geboten entspricht. Er will uns von unserem Hang zur Selbstsucht lösen, damit wir unser Gegenüber in den Blick bekommen. Und in ihm und ihr die Freundlichkeit Gottes erkennen, das er uns annimmt mit unseren Fehler, wie wir sind, und wir so auch den anderen annehmen können, mit allen Fehlern als Gottesgeschenk.

    Das gibt es doch nur noch selten, sagen viele, wenn wir von einer Goldenen Hochzeit oder einem noch höherem Jubiläum hören. Doch nach dem Rezept einer solchen langen Partnerschaft gefragt, sagte mir ein Ehepaar mal: Wir freuen uns auf jeden Morgen an dem wir unsere Augen aufmachen und unser Partner noch neben mir liegt. Es sind meist die einfachen Rezepte und Wünsche, die solche langen Partnerschaften ermöglichen. Nicht das Bauen von Luftschlössern.

    Das gibt es doch kaum noch, dass jemand auch an andere denkt oder auf seinen Vorteil verzichtet. Es gibt auch hier in Duisburg Menschen und Firmen, die auf ihren Vorteil verzichten, wenn es um einen guten Zweck geht.

    Es gibt genug Beispiele von Heiligen in unserer heillosen Welt. Heilige und Heiliger zu sein, das ist eigentlich eine große Auszeichnung, ein großes Zutrauen Gottes in uns. Jede Auszeichnung will auch Mut machen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Als Heilige sollen wir bei der Sache bleiben, diese Welt zu verändern. Wenn auch mit oft nur kleinen Schritten. Diese Welt braucht Heilige mit mutigen Worten und zupackenden Händen. Seltsame Heilige sind wir. Unser Heiligenschein hat schon einige Macken, aber er ist unübersehbar in seinem Strahlen.

    Ein kleiner Tipp: Beim nächsten Blick in den Spiegel schauen sie doch mal genau hin. Es blickt sie ein Heiliger oder eine Heilige an.

     

    Und der Friede Gottes….

    Email: Pfarrer Muthmann
    Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
    http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort
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