Predigt über Jeremia 23, 16 - 29 am 25. Juni 2000

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und von Jesus Christus, seinem Sohn, unserem Herrn!

Liebe Gemeinde!

Der Mann hatte ein Problem. Ein ziemlich großes Problem. Seine Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel. Er hatte eine Menge riskiert. Schließlich lagen ihm seine Heimat und seine Leute sehr am Herzen. Er wollte sie nicht so einfach aufgeben. So mir nichts - dir nichts - kampflos.

Er wusste, dass er Recht hatte. Er konnte die kommende Entwicklung schon voraussehen. Die dunklen Wolken des drohenden Untergangs ballten sich am Horizont immer deutlicher zusammen. Die Babylonier waren auf dem Vormarsch. Wer sich ihnen in den Weg stellte, wurde niedergemacht. Und das kleine Königreich Juda meinte es mit der Großmacht aufnehmen zu können. Und dann noch. Das Unrecht herrschte im Lande. Die Reichen lebten auf Kosten der Armen. Rechtsbruch statt Rechtsspruch.

Er predigte sich seine Seele aus dem Leib. Er hörte nicht auf zu mahnen: „Kehrt um von euren Wegen, bevor es zu spät ist." Doch keiner hörte auf ihn. Das Volk und seine Führer waren nicht aufzuhalten. Im Gleichschritt gingen sie ihrem Untergang fröhlich entgegen.

„Jeremia halt deine Klappe!" riefen sie ihm zu. „Wer will schon deine ständigen Untergangsdrohungen hören. Uns geht’s doch gar nicht so schlecht. Mensch, mach doch nicht immer so eine fiese Stimmung. Nimm dir ein Beispiel an uns: Lass es dir gut gehen."

Jeremia biss die Zähne zusammen. Er war fast am Ende seiner Kräfte angekommen. Mal hatte er Mitleid mit seinen blinden und tauben Zeitgenossen, mal hasste er sie von ganzem Herzen und hätte sie am liebsten ihren Untergang ohne mit der Wimper zu zucken preisgegeben.

Am meisten hasste er aber seine sogenannten Berufskollegen, die Propheten am Tempel im Jerusalem. Propheten, die dem Volk und besonders dem König den Honig krügeweise ums nicht sattzukriegende Maul schmierten. Weichspüler von Berufswegen, die doch nur dem Volk nach dem Maul predigten, damit niemand ihre fetten Bezüge kürzt oder sie gar aus dem Tempel rausschmeißt. Heilspropheten, die nicht das Heil des Volkes und Landes sondern nur ihr eigenes suchten.

Jeremia fand keine Ruhe. Er konnte die Wahrheit nicht für sich behalten. Diese grausame Wahrheit, die Gott ihm offenbart hatte. Der Untergang Jerusalems, die Zerstörung des Tempels, die Vertreibung und Verschleppung vieler Menschen. Jeremia war dazu verdammt, das Unheil zu predigen. Und auch diese sogenannten Tempelpropheten sollten ihr Fett wegbekommen.

Wieder ging er eines Tages in den Tempel. Jeremia war aufs Höchste erregt. Er kochte innerlich vor Wut und seine Hals fühlte sich an wie Vulkan, der kurz vor seinem Ausbruch stand. Abschätzige Blicke ruhten auf ihn. Voller Hohn und Spott. Jeremia schaute sich um. Schließlich trat er in die Mitte des Tempelplatzes. Er hörte schon die lästerlichen Worte der Menschen ringsum. „Na Jeremia, hast du wieder schlechte Nachrichten für uns, willst du uns wieder erschrecken... Aber wiederhol’ dich bitte nicht, wenn du redest...." Jeremia ließ sich von diesen Worten nicht beeindrucken. Er hörte die Worte der Leute gar nicht mehr. Plötzlich fühlte er sich wie im Rausch, da brach es aus ihm heraus und verkündete das Wort Gottes:

16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.

17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?

19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.

20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.

21 Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie.

22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.

23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der HERR.

25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt.

26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen

27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?

28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR.

29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Erschöpft fiel Jeremia in sich zusammen. Jedes Mal strengte es ihn aufs äußerste an, wenn er Gottes Botschaft den Menschen brachte. Doch die hatten nur Spott für ihn über. „Guck mal, Jeremia, kann nicht mehr.. he, war das schon alles, hast du nicht mehr zu sagen, uns wird schon richtig schaurig uns Herz. Wo ist denn das Feuer, wenn du von Gottes Wort sprichst. Wir sehen hier kein Feuer. Und ein echter Hammer ist das auch nicht, was du da faselst. Mensch, Jeremia, geh uns nicht weiter auf den Wecker, wir haben Wichtigeres zu tun als uns deinen Quatsch anzuhören..."

Jeremia war verzweifelt. Was sollte er denn noch tun? Gott, warum zeigst du ihnen nicht endlich, dass das wahr ist, was du durch sagst........

Etwas weiter weg, aber so das er noch alles hören konnte, stand Hananja. Seines Zeichens Prophet des Tempels Gottes. Hochangesehen bei den Priestern und beim König. Galt er doch als Garant guter Nachrichten. Und oft genug hatten sich seine Prognosen schon erfüllt. Jeremia war ein Dorn in seinen Augen. Ein Störenfried, einer dem das Maul gestopft gehörte. Hananja kannte einige Leute, die geneigt waren, Jeremia Glauben zu schenken. „Ich muss ihn ausschalten, ihn endgültig lächerlich machen, damit ihm keiner mehr Glauben schenkt." Und Hananja heckte im Stillen einen Plan aus.

2600 Jahre liegen zwischen der Zeit Jeremias und unserer Zeit heute. Doch dazu gelernt haben wir modernen Menschen dennoch nichts. Auch heute würde Jeremia gegen eine Wand aus Spott und Ignoranz laufen. Propheten der schlechten Nachrichten, der unbequemen Wahrheiten haben es heute nicht weniger schwer. Weghören ist angesagt, was juckt uns der morgige Tag, wenn wir den heutigen genießen können. Schließlich ist jeder seines Glückes Schmied. Die Beispiele sind Legion.

Atomkraftwerke galten bis Tschernobyl als die unerschöpfliche Energiequelle auf Erden. Über die Gefahren sah man hinweg. Ein Super-Gau reichte noch nicht aus.

Gentechnologie verheißt uns eine Zukunft ohne Hunger und Krankheiten, doch die Antibiotika, natürlich genetisch modifiziert, er weisen sich mehr und mehr als wirkungslos. Der erste geklonte Mensch, vielleicht existiert er schon. Das Schaf Dolly altert schneller als gewöhnlich. Alles ist machbar. Was stören uns die Kassandra-Rufe?

Das Wetter ist ein bisschen chaotisch zur Zeit. Was soll's? es gab schon immer Kalt- und Warmzeiten auf der Erde. Nur das sie sich etwas schneller abwechseln.

Die Börse boomt mit kleinen Einbrüchen. Shareholder Value verspricht eine rosige Zukunft. Vielen Unternehmen. Manchem Anleger. Die paar Tausende, die wieder einen neuen Job suchen müssen, wen stören die ernsthaft?

Und auch wir Kirchen. Was interessieren uns die Austritte, was interessieren uns die Menschen, die sich innerlich abkehren, deren Exodus längst begonnen hat. Wir haben viel zu tun. Viele Projekte, viele verschiedenen Gottesdienste, doch haben wir noch Zeit, die Leute zu besuchen.

Und auch die deutsche Nationalmannschaft. Die Propheten des schlechten Abschneidens wurden als Miesmacher gebranntmarkt. Und nach der Katastrophe bei der EM haben sich die Schönredner schnell verkrochen und ruhen sich auf ihren Abfindungssummen aus.

Und selbst im persönlichen Bereich, da wo es ans Eingemachte geht, wo wir persönlich berührt oder verletzt sind, wer hört schon gerne die Wahrheit über sein Fehlverhalten, wer gibt Fehler offen zu. Da wird lieber versteckt und verheimlicht. Ein offenes Wort, dazu fehlt der Mut.

Liebe Gemeinde,

Wir sind genauso wie die Menschen vor 2600 Jahren. keinen Deut besser oder schlechter, klüger oder dümmer. Den unbequemen Wahrheiten, den Menschen, die mit Worten in unseren Wunden und Fehlern herumstochern, die Falsches beim Namen nennen. Diesen Propheten und einfachen, normalen Mitmenschen hören wir nicht gerne zu. Wahrheiten sind die Fegefeuer der Lügen und die Dinge beim Namen zu nennen, das sind Schläge, die schnell jede harte Schale zerspringen lassen.

Und wenn wir die Worte Gottes lesen und verstehen, dann merken wir schnell, dass unser Gott uns nicht zu Diensten ist, dass er kein willfähriger Wunschautomat ist. Sinnlos unsere Fehltritte und schlechten Gewissen vor ihm zu verheimlichen, denn er erfüllt Himmel und Erde.

Gottes Worte sind auch nicht die einfachen Wahrheiten, als die uns seine Worte oft verkauft werden. Gottes Wort hören heißt, sich dem Feuer seiner Kritik auszusetzen. Gottes Wort hören heißt, die Schale unserer Ichbezogenheit zu zertrümmern. Gottes Wort hören heißt: Sich anstoßen zu lassen, nachzudenken und sich ein eigenes Urteil zu erlauben.

Gottes Wort hören heißt: Mündig zu werden, selbstbewusst und verantwortungsvoll, konsequent und handlungsorientiert zu leben.

Ha, werden sie denken, jetzt nimmt der Muthmann sein Maul doch ziemlich voll. Mag sein. Aber genau das taten die Menschen zur Zeit Jeremias nicht. Statt ihre grauen Zellen selbst anzustrengen und nüchtern die Situation zu analysieren, folgten die Menschen den erstbesten Mäusefänger. Fraßen begierig ihren Speck und merkten nicht, wie ihr Geist fett und träge wurde.

Und keiner von uns kann von sich sagen, dass er das nicht auch manchmal tut. Denn Maus im Speck lebt sich gut. Jedenfalls solange der Speck da ist. Doch der Speck macht träge und die Maus wird der erstbesten Katze ein leichtes Opfer.

Gottes Wort ist Feuer und Hammer zugleich. Es will diesen bequemen Geist in uns verbrennen und unsere unkritische Haltung zerschlagen. Gottes Wort ist deshalb nicht modern. Es gibt zu denken. Und es kratzt an unseren selbstgefälligen Lebensstil.

Manchmal wünsch ich mir, dass es solche Menschen gibt, die Gottes Wort wie Feuer verkünden, deren Predigt wie ein Hammer auf unsere schlechte Gewissen einschlägt. Nein, nicht nur auf unser, auf das Gewissen aller. Solche Menschen wie Jeremia und auch Jesus. Unbequeme Zeitgenossen, der Wahrheit und Gott verpflichtet. Mahner, die in dieser Zeit Gehör finden. Die Leuten wie Hananja ein Dorn im Auge sind. Doch mit dem einen Ziel für alle: Leben zu finden.

Schöne Träume schaden nicht, doch sollten wir Wunschträume und die Realität unterscheiden lernen. Gebe uns Gott, dass wir ihn und sein Wort durch solche Propheten hören und wir ihnen vertrauen.

Und der Friede Gottes der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 
Pfarrer Jürgen Muthmann Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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