Predigt über Jakobus 5, 13-16 am 19. Sonntag nach Trinitatis, 29.10.2000

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, dem Vater dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Beten hilft - hilft Beten?

Was heißt das eigentlich - Beten? Wie kann ich eigentlich beten?  Viele Menschen fragen mich als Pfarrer danach. Und warum eben unsere Gebete so wenig Nutzen haben. Jedenfalls denken viele so.

Als Pfarrer sollte ich ihnen darauf eine Antwort geben.

Dazu  möchte ich ihnen den für heute vorgeschlagenen Predigttext vorlesen. Er steht im Jakobusbrief, 5, 13-16:

13 Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.

14 Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und  ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.

15 Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.

16 Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

 

Liebe Gemeinde!

Eine Anleitung zum Beten! Ein Text, der die Fragen beantwortet, wann und wie wir Beten sollen. Antworten aber, die uns teilweise seltsam vorkommen. Fremd und wo manch einer sagen wird, ich bin doch nicht katholisch. Aber der Reihe nach.

Die erste Frage: Wann beten wir eigentlich? Ich denke, die meisten von uns tun das eigentlich recht regelmäßig. Jeder hat da so seine Rituale. Morgens nach dem Aufstehen, beim Essen,  mitten am Tag, und natürlich abends, wenn man zu Bett geht. Viele beten aber auch gar nicht mehr. Sie können damit nichts anfangen. Beten hilft sowieso nicht. Aber dann, wenn Not am Mann ist, da fällt ihnen Gott wieder ein. Doch wenn dieser nicht gleich spurt ist die Enttäuschung groß. Beten hilft doch nicht.

Der Gemeinde des Jakobus jedenfalls empfahl dieser zu beten, wenn jemand leidet. Leiden sind mannigfacher Art. Leiden können Krankheiten sein. Leiden können psychische Beschwernisse sein. Leiden kann auch Unterdrückung und erfahrenes Unrecht sein. Wer leidet, soll beten! Eine einfache Handlungsanweisung. Doch mit dem Beten ist es dann oft nicht einfach. Jakobus empfiehlt füreinander zu beten. Er empfiehlt die Schulden und Sünden zu bekennen, die man hat. Ein gefährlicher Gedanke, den ich oft auch von kranken Menschen kenne. Herr Pfarrer, was haben ich getan, was ich so leiden muss? Eine Antwort kann ich den Menschen nicht geben. Ich kann nur versichern, dass Gott uns nicht mit Krankheiten bestraft. Ein Gott der Liebe lässt seinen Zorn nicht auf solch perfide Weise an einzelnen aus. Jesus hat einmal für uns alle genug gelitten. Warum sollte uns Gott noch Leid zufügen?

Aber füreinander beten, dass können wir! Nur, wir tun es selten. Selbst hier im Gottesdienst beten wir eigentlich nicht füreinander. Der Pfarrer betet vor, die Gemeinde betet mit. Doch wann wird mal jemand mit Namen genannt. Wann wird jemand richtig in Die Fürbitte miteingeschlossen, der krank ist, der der Hilfe bedarf?

Mir fällt dann immer die Freie Evangelische Gemeinde ein, auf der Eschenstraße, in der das Gebet füreinander selbstverständlich ist, wo viele frei im Gottesdienst füreinander beten, die Kranken mit in ihre Fürbitten einbeziehen. Es würde ja schon reichen, wenn wir namentlich Gemeindeglieder in die Fürbitte miteinbeziehen, die dessen bedürfen. Doch irgendwie gibt es da Hemmschranken. Wir haben da Nachholbedarf!

Beten sollen wir aber nicht nur, wenn es uns schlecht geht! Beten sollen wir auch, wenn es uns gut geht. Psalmen singen empfiehlt Jakobus. Dankpsalmen! Nun, das Singen sollte uns eigentlich leichter fallen. Tut es aber nicht. Bei Gott bedanken sich nur wenige, wenn es ihnen gut geht. Der Dank wird schnell vergessen. Und doch singen? In unseren Gottesdiensten ist der Gesang oft recht kläglich, wir sind ja nicht viele, aber von diesen wenigen trauen sich einige nicht zu singen. Konfirmanden ist das singen oft geradezu peinlich. Singen hat ja was mit Gefühlen zu tun. Und wer singt, gibt ein Stück von sich preis. Der lässt andere in seine Seele blicken. Man lässt lieber singen. Von der Konserve. Und manch einer singt erst, wenn ihm der Alkohol die Zunge gelockert hat. Oder im Stadion, in der großen gleichgesinnten Gruppe.

Manchmal fahre ich singend durch die Straßen in Wanheimerort. Nicht gerade laut, aber wer an mir vorbeikommt, der hört das schon. Wer mich nicht kennt, der guckt ziemlich verstört an. So nach dem Motto, der hat sie nicht mehr alle. Dabei singe ich nur, weil es mir gut geht. Nicht schön, aber ich singe. Nicht nur kirchliche Lieder, oft, was mir gefällt.

Dabei tut Singen gut. Wer singt, der vertreibt düstere Gedanken, der spürt die Freude in sich, wer singt, der dankt Gott.

Überhaupt, Beten hat  sehr viel mit Gefühlen zu tun. Nirgends wird es deutlicher in diesem Text, als wenn Jakobus davon spricht, wenn jemand unter euch krank ist, der rufe die Ältesten der Gemeinde zu sich, dass sie über ihn beten und ihn salben mit Öl im Namen des Herrn. Wir Evangelischen denken bei diesen Worten bestimmt an die letzte Ölung. Doch diese gibt es eigentlich gar nicht. Eigentlich ist das eine Krankensalbung und verstehen sie viele Katholische Schwestern und Brüdern. Doch wer die Erfahrung gemacht, mit wie viel Gefühlen eine Salbung verbunden ist, wer andere sich nahe kommen lassen kann, der wird es wieder tun. In meiner Vikariatsgemeinde werden 4 x im Jahr Salbungsgottesdienst angeboten. Es kommt eine ganz andere Gemeinde zusammen. Jeder der will, kann sich an sogenannten Salbungsstationen im Kirchraum von zwei eingewiesenen Helfern salben lassen. Es wird etwas Duftöl auf den Handrücken oder an der Schläfe verrieben, gesalbt und dabei werden Segensworte gesprochen. Der Duft des Öl und die streichelnden, segnenden Berührungen tun den meisten gut. Sie werden ein bisschen heil. Sie erfahren die Zuwendung von Menschen, und durch diese die Zuwendung Gottes.

Es gibt viele Formen des Gebetes. Doch das Wichtigste ist. Auch das Beten benötigt Gemeinschaft. Wir können im stillen Kämmerlein beten. Doch das reicht oft nicht. Die Kraft des Gebetes erfährt man erst in der Gemeinschaft mit anderen. Wo zwei oder drei in Jesus Namen zusammen kommen, da ist er mitten unter ihnen. Dieser Satz ist richtig.

Und noch eins sagt uns Jakobus. Besser keine Gebete, als welche, die nicht aufrichtig und ernst gemeint sind. Wer betet und von Gott nichts erwartet, der hat seine Zeit verschwendet. Gott wartet auf unsere aufrichtigen und ernstlichen Gebete, nicht auf irgendwelche, ohne Ernst gesprochenen Worte.

Liebe Gemeinde! Zum Schluss möchte ich ihnen erzählen, wie es mir manchmal im Alltag geht. Es gibt Tage, da bin ich vollkommen unzufrieden mit mir. Mit dem, was ich mache, da denke ich, bin ich eigentlich noch ein Pfarrer, ein Seelsorger, einer, der für die Menschen da ist, der von Gott erzählt, oder zumindest durch seine Gegenwart Gottes Gegenwart erahnen lässt. Da bekomme ich ein schlechtes Gewissen, da meine ich, ich tue zuwenig, obwohl das objektiv nicht stimmt. Da meine ich, ich tue das Falsche. Ich fühle fast schon neben der Spur und Zweifel machen sich breit. Und merke, in mir ist Unordnung. Von alleine bekomme ich das nicht in den Griff. Meine stillen Gebete scheinen unerhört zu bleiben.

Doch dann passiert an solchen Tagen manchmal ein kleines Wunder. Eigentlich eins der paradoxen Art. Aber Erlebnisse von der Art, die sie bestimmt auch kennen.

Manchmal gehe ich dann zu den Orten, an denen Menschen Heilung suchen, den Krankenhäusern. Oder ich gehe zu Menschen, von denen ich weiß, sie sind schwer krank. Und wenn ich ihnen begegne, spüre ich, dass sie ich freuen, dass sie meinen Besuch erwartet haben, von ihm überrascht sind. Ich rede mit ihnen, und wenn sie wünschen, oder ich spüre es, bete ich mit ihnen. Den Kranken tut es gut. Und mir auch. Und ich spüre wieder Zufriedenheit in mir, fühle mich von Gottes Geist berührt. Ein kleines Wunder ist passiert. Ich bin heil geworden. Das sind dann die Momente, die meiner Arbeit Sinn geben, die Zweifel vertreiben, die mich wieder in Ordnung bringen. Und ich spüre. Im Gebet, im ernstlichen Gebet mit anderen ist Gott uns ganz nahe. Beten heilt. Beten ist wie ein Streicheln unserer Seele.

Wer nichts von Gott erwartet, der braucht sich nicht wundern, wenn seine Gebete nicht erhört werden. Wer alles von Gott erwartet, den wird Gott nicht enttäuschen.

Und der Friede........

  Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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