• Predigt am 19. Sonntag n. Trinitatis, 17. Oktober 2004, Epheserbrief 4, 22 - 32

    Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

    Liebe Gemeinde! Ich verlese ihnen zunächst den für heute vorgeschlagenen Predigttext  aus dem Epheserbrief, Kapitel 4, 22 - 32

    22 Legt also eure frühere Lebensweise ab! Ja, legt den ganzen alten Menschen ab, der seinen Begierden folgt! Die betrügen ihn nur und führen ihn ins Verderben.
    23 Lasst euch in eurem Denken erneuern durch den Geist , der euch geschenkt ist.
    24 Zieht den neuen Menschen an, den Gott nach seinem Bild geschaffen hat und der gerecht und heilig lebt aus der Wahrheit Gottes, an der nichts trügerisch ist.
    25 Was bedeutet das im einzelnen? Legt das Lügen ab und sagt zueinander die Wahrheit; denn wir alle sind Glieder am Leib von Christus.
    26 Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet! Versöhnt euch wieder und lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.
    27 Gebt dem Versucher (dem Teufel) keine Chance!
    28 Wer vom Diebstahl gelebt hat, muss jetzt damit aufhören. Er soll seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen und zusehen, dass er auch noch etwas für die Armen übrig hat.
    29 Lasst ja kein giftiges Wort über eure Lippen kommen! Seht lieber zu, dass ihr für die anderen, wo es nötig ist, ein gutes Wort habt, das weiterhilft und denen wohltut, die es hören.
    30 Beleidigt nicht durch euer Verhalten den Heiligen Geist ! Er ist wie ein Siegel, das Gott euch aufgedrückt hat, und er verbürgt euch die endgültige Erlösung.
    31 Weg also mit aller Verbitterung, mit Aufbrausen, Zorn und jeder Art von Beleidigung! Schreit einander nicht an! Legt jede feindselige Gesinnung ab!
     32 Seid freundlich und hilfsbereit zueinander und vergebt euch gegenseitig, was ihr einander angetan habt, so wie Gott euch durch Christus vergeben hat, was ihr ihm angetan habt.

    Liebe Gemeinde!

    Fragen sie sich auch manchmal: Bin ich ein neuer Mensch? Eigentlich hat sich uns doch durch die Jahre wenig verändert. Wir werden älter, aber werden wir auch neuer?

    Habe ich den alten Menschen abgelegt? Habe ich die frühere Lebensweise abgelegt? Ein schönes Bild. Einfach so das ablegen, was an uns nicht so gut ist. Wie alte Kleidung, die wir nicht mehr brauchen. Die wir auch nicht mehr reparieren können, oder die uns nicht mehr passt. Den alten Menschen ablegen, in einen Sack stecken und dann zur Altkleidersammlung nach Bethel geben. Vielleicht können die noch was damit anfangen.

     Habe ich ein neues Leben begonnen? Neue Kleider. Nicht jeder von uns kann sich immer neue Kleider leisten. Und manche Sachen tragen wir auch unser Leben lang, hängen an ihnen, geben sie nicht ab.

    Und:  können andere das auch erkennen, das ich ein neuer Mensch bin? Ein schöner Gedanke. Doch gerade das fällt am schwersten. (Auf mich selbst bezogen)Wenn ich neue Kleidung trage fällt das jedem zumeist auf. Wenn ich meinen Haarschnitt geändert habe oder mal wieder zum Friseur war, dann sagen mir viele Leute: Herr Muthmann, jetzt sehen sie wie ein neuer Mensch aus. Als ob ich vorher kein Mensch gewesen wäre.  (An alle gewandt) Aber wirkliche Verhaltensänderungen….. Die werden oft nicht wahrgenommen. Oder man zweifelt daran. Der kann ja doch anders heißt es dann, obwohl er doch anders gekonnt hatte. Die Bilder, die wir von den anderen in unseren Köpfen haben sind, sind sehr hartnäckig und kaum zu ändern. Auch wenn sie schon lange nicht mehr der Realität entsprechen. Vorurteile sind fest verankert und kaum zu beseitigen.

    Das Bild von dem hier die Rede ist, gehört eigentlich zur Taufe. Im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt war es üblich als Erwachsener getauft zu werden. Der Taufe ging eine Art Unterricht voraus. Eine Unterweisung in den wichtigsten Dingen des christlichen Lebens. Ungefähr so, wie Philippus den äthiopischen Minister unterweist, bevor er ihn tauft. (Apostelgeschichte Kapitel 8)

    Dann folgt das Bekenntnis zu Christus. Ich will zu ihm gehören. Ich will ihm nachfolgen. Und dann erst die Taufe, vorzugsweise in fließendem Wasser. Der Getaufte wurde länger untergetaucht, so dass er nach Atem schnappen musste, wenn er wieder an die Oberfläche geholt wurde. So wurde man ein neuer Mensch, der den alten abgelegt, abgewaschen hatte, und der nun in der Wahrheit und Nachfolge Christi lebte.

    Anscheinend war schon damals nicht automatisch klar, was das bedeutet. Warum sollte der Briefschreiber sonst fragen: Was bedeutet das im Einzelnen?

    Ich lese die Worte durch und merke ganz genau: Vom alten Menschen ist bei mir noch eine ganze Menge hängen geblieben. Trotz Taufe, trotz Konfirmation, und bei mir kommt noch hinzu: trotz meines Theologiestudiums, aber das heißt nicht viel. Bin ich wirklich ein neuer Mensch? Stehlen tue ich nicht, ich habe Arbeit manchmal mehr als mir lieb ist. Aufbrausen kann ich ganz gut, auch zornig werden. Mit der Verbitterung hält es sich in Grenzen. Faules Geschwätz, giftige Worte, zumindest versuche ich keine Unwahrheiten zu sagen, obwohl ich mit meinen Worten andere verletzen kann. Schreien tue ich manchmal. Freundlich und hilfsbereit will ich in der Regel sein. Und wenn ich mich jemanden zerstritten habe, versuche ich auf ihn zuzugehen. Wenn möglich schnell, auch wenn es mich oft große Überwindung kostet. Und noch mehr Dinge werden angesprochen.

    Wenn ich diesen Katalog durchgehe, so merke ich rasch, ich muss noch ganz schön an mir arbeiten. Ein neuer Mensch zu sein, dass heißt nicht die Hände in den Schoß legen, dass heißt ständige Arbeit an mir und meinem Verhalten.

    Aber ein Wort bleibt beim Lesen besonders bei mir hängen: 26 Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet!

    Ist Zorn schon Sünde frage ich mich, oder kommt es immer auf die Situation an? Gerade in dieser Woche finde ich viele Beispiele dafür. Ich lese die Schlagzeilen in den Zeitungen dieser Woche, ich höre und sehe die Nachrichten.

    Wilde Streiks bei Opel – Wir stehen all hinter euch….. Revolte von unten.. Viele Menschen sind ganz schön zornig. Regen sich auf. Wollen Änderungen nicht so einfach hinnehmen und begehren dagegen auf.

    Durchgriff im Duisburger Rathaus … - Beleidigte Leberwürste in der SPD – Fraktion.. so in der NRZ am Freitag zu lesen...

    Ich denke an mich selbst und die Situationen in denen ich zornig geworden. Jeder von kennt das. Manchmal platzt einem der Kragen, und was da in einem wühlt, dass muss hinaus. So schnell wie möglich. Wenn es länger in uns gärt, wächst die Gefahr, dass es uns von innen her zerreißt.

    Aber hier heißt es: Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet!

    Scheinbar gibt es einen Unterschied zwischen Zorn und Sünde. Gibt es so etwas wie heiligen Zorn. Von Jesus wissen wir ja, dass er auch schon mal aus der Haut fahren konnte. Als er im Tempel in Jerusalem die Missstände beklagte und die Händler dort hinausjagte und deren Tische umwarf, wird das bestimmt auch mit einem ziemlichen Zorn vonstatten gegangen sein. Es kommt wohl darauf an, was wir mit unserem Zorn machen. Wenn wir uns einfach nur Luft verschaffen wollen, ohne darauf zu achten, dass wir andere verletzen, sie nieder machen… dann kann es schnell passieren, dass wir gegen den Heiligen Geist sündigen, wie es in den Versen heißt. Wenn wir unsere Wut einfach nur hinausschreien ohne über die Wirkung nachdenken, doch können wir Schaden anrichten, der sich hinterher nur schwer oder gar nicht mehr reparieren lässt.

    Was aber, wenn wir in unserem Zorn die Dingen beim Namen nennen. Wenn wir unseren Unmut nicht immer hinunterschlucken, sondern mit Nachdruck sagen. Wenn wir versuchen unserem Zorn eine Form zu geben, die eigentlich auf ein gemeinsames Weitergehen aus ist…? Es gibt genug Beispiele. Zorn muss nicht schlecht sein. Was da in den letzten Tagen vor den Werkstoren von Opel in Bochum geschieht, hat sicherlich bei vielen von uns Sympathie. Es geht um viele Familien und deren Existenzen, die auf dem Spiel stehen. Der Zorn der Menschen dort will nicht kaputt machen, er sucht nach einem Weg, wie die Existenz der Familien und des Werkes und vieler anderer darüber hinaus gesichert werden kann. Ob er dieser Zorn am Ende Erfolg haben wird, wird erst die nächste Zeit zeigen. Hingegen das beleidigte Verhalten von Teilen der SPD-Fraktion dem neuen Oberbürgermeister Sauerland gegenüber, mag aus wütender Enttäuschung begründet sein. Zeugt aber nicht von erwachsener politischer Kultur und Umgangsart.

    Der Zorn geht an vielen Stellen ans Eingemachte. Aber auch der neue Mensch darf zornig sein. Er braucht nicht lammfromm alles hinnehmen. Es kommt immer auf das Wie an. Im Zorn steckt oft eine ungeheure Kraft, Energie, die wir für uns und in guter Konsequenz auch für andere nützen können. Bei der Beschäftigung mit dem Text ging mir vor allem das auf.

    Nun, am Ende mag ich ihnen vielleicht ein wenig vage geblieben sein, oder zu sehr an der Oberfläche. Die Fragen vom Anfang habe ich ihnen nicht letztlich beantwortet. Bin ich ein neuer Mensch? Kann ich den alten Menschen einfach so ablegen und den neuen Menschen anziehen. Kann ich mein Verhalten ändern….?

    Ich denke, diese Worte im Epheserbrief sollen uns sensibel machen für diesen Zusammenhalt. Sie sollen uns ermuntern, es mit dem neuen Menschen in uns zu versuchen. Doch letztlich wissen wir alle, dass es allein in Gottes Macht steht, uns zu verändern, uns zu neuen Menschen zu machen. Er hat es uns versprochen. Denn er bleibt uns treu in Christus. Er spricht zu uns: Siehe ich mache alles neu. In dieser Hoffnung leben wir, auch wenn wir oft die alten Menschen bleiben..

    Und der Friede Gottes….

    Email: Pfarrer Muthmann
    Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
    http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort
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