Predigt 17. Sonntag n. Trinitatis, 18. September 2005, Markus 9,17 – 27

Vorwort: Die nachfolgende Predigt ist ein Versuch die Geschichte aus der Sicht des Vaters zu erzählen. Sozusagen aus der Sicht des gealterten Vaters und wie die Geschichte in seinem Leben Raum gegriffen hat. Die Namen der Personen sind nach ihrer hebräischen Bedeutung gewählt. Der Predigttext wurde als Lesung vorgelesen.

Es ist auch Absicht, dass kein Wort zum Bundestags-Wahlsonntag erfolgt. Das kommt in den Fürbitten!!!

Kanzelgruß

 Er war schon in die Jahre gekommen. Sein Haar hatte sich grau gefärbt. Man sah ihm seine Lebensjahre an. Die Falten in seinem Gesicht erzählten kleine Geschichten von einem bewegten Leben. Einem Leben mit Höhen und Tiefen. Mit vielen Schicksalsschlägen, aber auch vielen glücklichen Stunden. Aber er wirkte nicht kraftlos. Im Gegenteil. Viele Jüngere blickten zu ihm auf. Suchten seine Nähe. Weil sie merkten, dass sie ihnen gut tut.

In all den Jahren hatte er seine Haltung bewahrt. Selbst wenn jetzt sein Rücken seine Gestalt krümmte, so wirkte er jedoch aufrechter als die meisten anderen Menschen um ihn herum. Das faszinierendste an ihm aber waren seine Augen. Dieser Glanz, der tief aus ihnen herauskam. Deren Funkeln und Glitzern jeden Betrachter gleich gefangen nahmen, in den Bann schlugen. Augen, die eine Lebensfreude widerspiegelten um die ihn die meisten Menschen beneideten. Augen, aus denen eine Weisheit und Zuversicht sprachen, wie sie nur selten bei Menschen zu finden sind.

Sein Name könnte die Geschichte seines Lebens erzählen. Michael, so hieß dieser alte und bewunderte Mann. Michael, wer ist wie Gott. Und Michael ist Gott in seinem Leben begegnet.

Immer wieder wurde er gefragt, was damals passierte, warum er sich auf dieses Wagnis eingelassen hat. Es hatte sich schnell rum gesprochen, dass er damals einen kranken Sohn hatte. Johannes hieß er. Ein üblicher Name damals. Doch der Name des Jungen spottete dessen Befinden. Johannes war krank. Seit seiner Geburt. Michael und seine Frau Mara waren verzweifelt darüber. Mara war gar verbittert, denn ihr Leben schien keinen Sinn mehr zu haben, wenn sie denn kein gesundes Kind zur Welt bringen konnte. Kein Kind, das die Gnade Gottes allen sichtbar zeigte. Denn so hieß ihr Sohn: Johannes: Gott ist gnädig.

Die ersten Tage seines Lebens deuteten in keiner Weise auf die schlimme Krankheit hin. Erst allmählich fielen Mara und Michael auf, dass der kleine Junge manchmal wirkte, als ob er nichts wahrnahm. Sie machten sich keine großen Gedanken darüber. Bis dann eines Tages dieser Anfall kam. Michael hatte selbst heute nach langer Zeit immer noch dieses Bild vor Augen. Als Johannes plötzlich zu Boden fiel und schrie und so seltsam atmete, Schaum vor dem Mund bekam und schließlich wie tot liegen blieb. Erst dachten sie, er wäre wirklich tot, doch nach einiger Zeit kam er wieder zu sich. Beiden fiel auf, dass Johannes anscheinend nichts von diesem Anfall gespürt hatte. Sie hofften, dass so etwas nicht mehr passieren würde.

Groß war die Angst vor den Nachbarn und der Familie, die sagen würden: Johannes ist von einem bösen Geist besessen. Bleibt fern von uns. Wir wollen mit ihm und euch nicht zu tun haben. Mara und Michael wussten, dass sie und vor allem Johannes wie Ausgestoßene behandelt werden würden. Als Menschen zweiter Klasse. Die in besonderer Weise von Gott für irgendwelche Dinge betraft wurden.

Doch die Anfälle kamen immer wieder. Zuerst hat es keiner gemerkt. Johannes seltsame Schreie fielen nicht weiter auf. Kleine Kinder schreien nun mal, wenn es ihnen nicht gut geht oder sie ihren Willen durchsetzen wollen. Nur selten gingen Mara und Michael mit Johannes durch das Dorf. Sie versuchten seine Krankheit zu verbergen. Doch schließlich eines Tages, kam einer dieser Anfälle, gerade als Mara mit dem kleinen Johannes auf dem Heimweg war, nur noch wenige Meter von der rettenden Tür entfernt. Von da an war die Familie wie gezeichnet und kaum einer wollte mehr was mit ihnen zu tun haben. Nur wenige enge Freunden hielten noch zu ihnen.

Es begann ein Spießrutenlaufen für die Familie. Michael hörte sich um. Suchte andere, denen es ähnlich ging. Doch immer wieder hörte er: Für diese Krankheit gibt es keine Heilung. Dein Sohn ist von einem Dämon besessen. Er wird nicht alt werden. In seiner Hilflosigkeit wandte sich Michael an zahlreiche Ärzte und Heiler. Viele waren ehrlich und sagten, dass ihre Kunst bei dieser Krankheit und bei Dämonen versagte. Andere versprachen Michael und Mara Heilung für Johannes. Doch diese Scharlatane waren schnell verschwunden, wenn sie erst das Geld für ihre verlogenen Versprechen erhalten hatten.

So vergingen die Jahre. Johannes wuchs heran. Zunächst schien er sich doch noch normal zu entwickeln. Doch Michael und Mara beobachteten ihren Sohn genau. Sie merkten, wie die Anfälle ihn immer mehr schwächten. Wie sie aus dem aufgeweckten Jungen, der er oft war, einen depressiven in sich gekehrten und traurigen Jungen machten. Wie oft er in Gefahr geriet, wenn diese Anfälle ihn plötzlich überfielen. Mehr als einmal war er ins Feuer gefallen, war beinahe im nahen Fluss ertrunken. Und Johannes spürte es immer stärker und schließlich war sich gewiss: „Ich bin anders als die anderen. Sie wollen mit mir nichts zu tun haben. Sie haben Angst, dass der böse Geist in mir von ihnen Besitz ergreift.“ Doch das geschah niemals…….

Michael betete oft zu Gott. Immer und immer wieder rang um Johannes Heilung.  Er konnte nicht glauben, dass Johannes Krankheit eine Strafe Gottes ist. Michael war sich keiner Schuld bewusst. Er und seine Frau haben immer gottesfürchtig gelebt. Wie sollten sie dafür bestraft werden? Obwohl viele ihn für verrückt hielten, hörte mit den Gebeten nicht auf. Sie waren wie ein letzter Strohhalm. Ein zerbrechlicher Halt, der immer noch besser war, als den Glauben und die Hoffnung ganz aufzugeben. Doch die Zweifel nagten immer stärker in ihm.

Eines Tages schließlich hörte Michael von diesem neuen Propheten Gottes. Viele Menschen kamen, um ihn anzuhören, viele folgten ihm nach. Wahre Wunderdinge wurden von ihm erzählt. Menschen hatte er geheilt und vielen eine neue Sicht Gottes gegeben. Er zog durch die Lande und Michael wurde gewahr, dass er auch nach Cäsarea Philippi kommen würde. Er sprach mit Mara, doch die hatte längs alle Hoffnung aufgegeben. „Geh nur,“ sagte sie zu ihm, „schaden kann es ja nicht. Doch ich glaube nicht an diesen Propheten. Wir haben schon genug dieser Scharlatane und Blender kennen gelernt.“ Und so machte sich Michael mit seinem Sohn Johannes auf den Weg. Johannes kannte diese Wege. Sie hatten alle mit einer großen Enttäuschung geendet. Doch immer wieder war seinem Vater zu liebe mit auf diese Wege gegangen. So auch jetzt. Michael aber war sich ganz und gar nicht sicher.

Unterwegs begegneten sie vielen Menschen. Alle wollten diesen neuen Propheten sehen. Sein Name machte allerorts die Runde. Jesus heißt er: Gott rettet! Und dieser Jesus hatte wirklich schon im Namen Gottes viele Menschen gerettet erzählten die Menschen.

Als Michael mit Johannes an dem Ort kam, an dem Jesus sich aufhalten sollte, erlebten sie wieder eine Enttäuschung. Jesus war nicht da. Keiner wusste, wann er wieder kommen würde. Mit einigen Jüngern war er auf einen nahe gelegenen Berg gegangen. Es waren aber noch andere Jünger Jesu da. Michael fragte sie, ob sie denn seinem Johannes helfen könnten. Doch sie waren machtlos wie alle anderen zu vor.

Schließlich kam er. Jesus. Michael merkte gleich, dass etwas Besonderes von diesem Mann ausging. Schon als er ihn sah, fasste er Vertrauen zu ihm. Und in ihm keimte Hoffnung auf. Er ging zu ihm hin, berichtete, dass seine Jünger Johannes nicht helfen konnten. Und Jesus wollte Johannes sehen. Michael holte Johannes. Jesus schaute Johannes genau an, fragte nach den Symptomen der Anfälle. Michael fühlte sich zum erstenmal Ernst genommen. Er spürte, dass Jesus ganz für ihn und Johannes da war. Übermächtig wurde seine Gefühle und Michael flehte ihn an: "Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!"

Jesus spürte dass Vertrauen, dass Michael ihm entgegenbrachte und antwortete: "Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt."

Und da brach es aus Michael heraus. Er spürte, dass ihm Grenzen gesetzt sind, die er nicht überwinden konnte. Er spürte, dass er alle Angst loslassen konnte. Alle Angst vor der Zukunft, vor Enttäuschung vor den anderen Menschen und vor sich selbst. Und er warf all seine Zweifel, Ängste und Sorgen und diesen Jesus und sprach: "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" Und spürte sogleich, wie er frei und leicht wurde....

Was dann geschah, nahm Michael nur wie in Trance wahr. Johannes bekam einen Anfall, warf sich wild hin und her, schrie laut auf und die Herumstehenden riefen voller Angst. "Da, er ist besessen. Der Dämon hat ihn in seiner Gewalt!" Doch Jesus nahm Johannes in die Arme, sprach mit ihm, bis er ganz ruhig wurde, fast wie tot und half ihm schließlich auf die Beine. Das Entsetzen und Erstaunen war allen in die Gesichter geschrieben.

Nie mehr bekam Johannes einen Anfall. Er war geheilt.

Doch diese Begegnung hatte ihr Leben verändert. Sie hatte Michael und Johannes zu anderen Menschen gemacht. Michael und Johannes wussten, dass ihnen in Jesus Gott begegnet war. Sie wussten, dass sie von diesem Moment an eine Aufgabe hatten. Alle Menschen ihre Geschichte zu erzählen. Ihre Geschichte mit Jesus und mit Gott. Die Geschichte ihres Glaubens, der durch Jesus bekräftig und gestärkt wurde. Sie wurden zu anderen Menschen, zu neuen Menschen......

Michael wusste nicht mehr, wie oft er seine Geschichte erzählt hatte. Noch immer waren sein Zuhörer gefesselt. Erst dachte Michael, es wäre die Geschichte selbst, die Heilung, das Wunder, das Jesu tat. Doch mit den Jahren entdeckte er, dass er selbst es war, der seine Zuhörer fesselte. Besser, dass es der Glaube und das grenzenlose Vertrauen waren, die seine Zuhörer in seinen Worten fanden, die sie in seinem Auftreten spürten, die ihnen im Glanz seiner lebendigen Augen entgegenschienen.

Und manchmal hattet er den Verdacht, dass die Menschen meinten, in ihm, Michael, begegnen sie Gott selbst. Doch nie kam ihm der Gedanke, daraus einen Vorteil für sich zu ziehen. Es war seine Bestimmung, zu erzählen: „Wer ist wie Gott! Wer sonst könnte unserem Unglauben helfen!“ 

 Und der Friede Gottes.........

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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