Predigt am 11. Januar 2004, Römer 12, 1-3 (4-8)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und von Jesus Christus, seinem Sohn, unseren Herrn!
Liebe Gemeinde! Römer 12, 1-3 (4-8)
1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr  eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch  durch Erneuerung eures Sinnes,  damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand  mehr von sich halte, als sich's gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder,  wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.
4 Denn  wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben,
5 so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied,
6 und  haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Ist jemand prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß.
7 Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er. Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er.
8 Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er.  Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit,  so tue er's gern.
 
Liebe Gemeinde!
Viele Worte, die der Paulus da macht. Halten sie mal kurz inne, an welche Worte erinnern sie sich. Worte, die ich vor ein paar Sekunden vorgelesen habe. Welche sind ihnen im Gedächtnis geblieben. Bei welchen haben sie gestutzt? Vielleicht eins der folgenden:
Ich ermahne euch nun liebe Schwestern und Brüdern…..
Gebt eure Leiber als Opfer hin…
Das sei für euch der vernünftige Gottesdienst……….
Das jeder maßvoll ist
Wir haben viele verschiedene Gaben…..
Vielleicht war es eins dieser Worte oder das Bild vom menschlichen Körper, mit dem Paulus hier wie im 1. Korintherbrief, die Gaben der Gemeindeglieder beschreibt. Bei mir blieb diesmal ein noch nicht genanntes Wort hängen und ich möchte sie einladen  unter dessen Aspekt den Predigttext zu betrachten. Das Wort heißt: Passt euch nicht den Maßstäben der Welt an!.....
Stellt euch nicht der Welt gleich – ein wenig ist es ja so in diesen Tagen. Ohne es zu merken, passen wir uns wieder der Welt an. Der Heilige Abend ist schon 2 ½ Wochen her. Viele haben ihre Weihnachtsbäume schon entsorgt. Die Straßen sind voll davon. Auch unser Baum hier wird in der nächsten Woche abgeschmückt und geht den Weg aller anderen Bäume. Viele haben die Weihnachtsbotschaft schon aus dem Sinn verloren. Was war da noch mit dem Kind in der Krippe….. Der weihnachtliche Glanz weicht allmählich wieder dem tristen Grau des Alltags. Und der Regen tut sein übriges dazu.
Stellt euch nicht der Welt gleich. Eigentlich tat das ja genau Gott. Wir beginnen es schon wieder ui vergessen. Er wurde Mensch wie wir. Wurde verletzlich, fehlerhaft, liebte und stritt sich, trauerte und freute sich in Jesus seinem Sohn. Auch als Erwachsener vollzog Jesus diese Gleichstellung. Er ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Ging wie die vielen Menschen durch das Bad der Buße im Fluss Jordan. Gott stellte sich der Welt gleich!
Stellt euch nicht der Welt gleich!  Paulus ist manchmal wunderbar inkonsequent und widersprüchlich. Mir fallen die Worte aus dem Galaterbrief ein, wo er schreibt: Den Juden bin ich ein Jude, den Griechen ein Grieche, oder im Korintherbrief: denen ohne Gottes Gesetz ein gesetzloser, den Schwachen ein Schwacher geworden. Paulus stellt sich also durch aus der Welt gleich. Frage ist, wo liegt der feine Unterschied?
(Denn was will die Welt von uns lernen, was können wir für die Welt tun, wenn wir uns ihr nicht gleichstellen? Wenn die Welt uns nicht versteht? Wenn wir der Welt nicht auf gleicher Augenhöhe begegnen?)
Die Übersetzung aus der guten Nachricht kann uns hier weiter helfen. Denn diese nimmt die eigentlichen Gedanken des Paulus auf. In der Guten Nachricht heißt es an dieser Stell: Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an! Das klingt schon anders. Was aber sind die Maßstäbe der Welt? Besonders gut können sie ja nicht sein, wenn Paulus sie ablehnt. Im Duden steht aber folgendes über den Maßstab. Er ist richtig erstmal eine Art Lineal oder Stab zum Messen. Dann beschriebt er das Verhältnis zwischen Größen, wie es zum Beispiel auf einer Landkarte er Fall ist. Schließlich meint der Maßstab aber eine vorbildhafte Norm, nach der das Handeln und die Leistung eines Menschen beurteilt wird.
Nun, da heißt es genau aufpassen. Denn die Maßstäbe dieser Welt sind nicht unbedingt schlecht. Denn vorbildhaftes Verhalten gibt es genug. Dazu muss man nicht erst Christ sein. Toleranz, soziales Engagement, helfende Hände, Respekt vor dem anderen, das Achten der Würde des Menschen,  und andere mehr, das sind durchaus Normen, die auch uns Christen gut zu Gesichte stehen. Aber es gibt auch andere Normen, die nicht gerade vorbildhaft sind, die sich aber inzwischen zum normalen Verhalten in der Gesellschaft heraus gebildet. Der Egoismus ist groß, viele denken zunächst nur an sich, und dann eventuell an andere. Den Politikern wird dieses ja insbesondere vorgeworfen. Die Europaabgeordneten haben sich ihre Diäten erhöht. Auf ca. 9.000 €uro in der nächsten Zeit. Auch in unserem Land wird das immer als Zeichen von Maßlosigkeit gesehen. Doch sollte man da genauer hinsehen. Den Mitarbeitern der Commerzbank werden die Betriebsrenten gekürzt. Der Vorstand denkt nicht daran, es ihnen gleich zu tun. Beispiele aus der aktuellen Politik.
Doch auch das Klima zwischen uns Menschen scheint oftmals kälter geworden zu sein. Nur wer Leistung bringt setzt sich durch. Auf der anderen Seite versuchen viele an der Gemeinschaft vorbei ihren Vorteil zu suchen. Wer schwarzarbeitet, auch die Diskussion um die „Putzfrauen“ gehört hierhin, der handelt ja mittlerweile nach schon fast legitimen Maßstäben. Wer seinen Vorteil um jeden Preis sucht, wird anscheinend auch noch belohnt. Der Slogan „Geiz ist geil“ oder neuerdings „Geizen ohne Gnade“ beschreibt diesen Maßstab ziemlich gut.
Ich glaube, darum geht es dem Paulus hier, wenn er sagt: Stellt euch nicht der Welt gleich. Wir können auf der einen Seite nicht zu Christus bekennen und auf der anderen so tun, als stehen wir mit beiden Füßen noch in dem Sumpf dieser Welt.
Ein Christ muss sich ständig selbst prüfen. Er muss sich ständig fragen, was Gottes Wille ist, an dem Ort, wo er gerade steht und handelt. Er muss bereit sein, sich von Gott erneuern zu lassen, wie Paulus es hier beschreibt. Aber wir dürfen auch Fragen stellen. Zu unserem Christsein, gerade dem evangelischen auch das Zweifeln gehört. Aber hätte Luther nicht an seiner Kirche gezweifelt, gäbe es unsere Gemeinden nicht, hätte Jesus nicht die gelebte Form des jüdische Glaubens gezweifelt, gäbe es die Kirche nicht. Der Zweifel an uns selbst, an der Welt, in der wir Leben hat nichts mit christlicher Miesmacherei zu tun. Der Zweifel an den bestehenden Verhältnissen ist eine grundlegende Eigenschaft des Christen: Paulus formuliert es positiv: Prüfet, was Gottes Wille ist. Wir Christen müssen also in jeder Situation nach Gottes Willen fragen, nach dem was nach den Worten Gottes jetzt angesagt ist. Das bringt mit sich das ein Christ ein unbequemer Partner ist, eben ein Protestant. Es hat nichts mit ständigem Kritisieren zu tun, wenn wir die bestehende Dinge in Frage stellen. Im Gegenteil, es ist die Suche nach Gottes Willen. Die Frage: Was würde Gott jetzt tun? Was erwartet er von mir?
Und da ist im Text die Rede vom vernünftigem Gottesdienst. Und das wir Gott unsere Leiber Gott als wohlgefälliges Opfer hingeben. Da geht es nicht um Menschenopfer, das heißt, unserem Gott in unserem Leben Geltung zu verschaffen. Denn wir alle gehören zu Gott. Mit Haut und Haaren. Seit unserer Taufe. Und das Folgen für unser Leben. Das kann eigentlich nicht mehr vor sich hindümpeln, wenn wir darum wissen. Und das meint Paulus auch mit diesen Worten. Denn wer den vernünftigen Gottesdienst hält, der stellt sich eben nicht der Welt gleich.
Stellt euch der Welt gleich! Diese Worte des Paulus sind da wie ein Stachel. Ein Christ sollte nicht wie Schafe der Herde blöken. Der Einzelne ist vor Gott verantwortlich. Es gibt keinen christlichen Fraktionszwang, aber die aus Glauben begründete freie Entscheidung vor Gott.
Stellt euch nicht der Welt gleich! So verstanden geht von dieser etwas Befreiendes aus. Denn mit dieser Haltung verbindet sich gleichzeitig Respekt und Toleranz vor dem Andersdenkenden. Unser Glaube und Gewissen dürfen nicht gleichgeschaltet sein. Christen müssen offen und ehrlich ihre Meinung sagen, mal gegen den Strom schwimmen, gerade wenn es um das Recht des Schwachen geht. Auch im politischen Bereich.
Übrigens, das griechische Wort für ermahnen, kann auch trösten und ermuntern heißen. Also liebe Gemeinde: Zum Schluss: Ich ermahne Euch! Aber ich ermahne mich gleich mit! Stellt euch nicht der Welt gleich! Habt Mut dazu!
Ich ermahne euch den Mut zum Zweifel zu haben und wenn es sein muss ein unbequemer Partner zu sein. Ich bin es ja manchmal auch.  Weil ich eben meinen Mund nicht halten kann. Sicher ist Form der Kritik wichtig. Es geht nicht darum, andere zu verletzen, sondern gemeinsam das Gute suchen und zu finden.
Stellt euch nicht der Welt gleich! Kommt aus dem alten Trott heraus. Verlasst euren Teufelskreis der Anpassung. Die Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus will uns ermuntern, mit größerer Leidenschaft, Intensität, Liebe und Freude zu leben.
Also, liebe Gemeinde, ich ermuntere euch! Stellt euch nicht der Welt gleich. Verändert immer wieder euer Leben von Grund auf. Prüft immer wieder, was Gottes Wille ist. Dann wird unter lebendig was Gott gefällt. Das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Dann haltet ihr einen gottgefälligen, vernünftigen Gottesdienst.
Und der Friede Gottes....

 

Und der Friede Gottes welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne und mach uns bereit für die Ankunft Jesu Christi in unserer Welt

 

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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