Predigt am Sonntag Rogate, 1. Mai 2005; Lukas, 11, 5 - 13

Kanzelgruß
Liebe Gemeinde,
heute geht es um Die Frage: Herr, lehre uns beten, Also wie geht das mit dem Beten. Unter dieser Überschrift ist der heutige Predigttext zu hören. Genau davor steht bei Lukas das Vater unser. Ich lese Ihnen den vorgeschlagenen Predigttext aus dem Lukasevangelium, Kapitel 11 vor. Danach lasse ich Sie einen Moment mit Ihren Gedanken allein…
Und er sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote;
6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann,
7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
10 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und  wer da anklopft, dem wird aufgetan.
11 Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn der ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete?
12 oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?
13 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Liebe Gemeinde!
Es geht ums Beten! Die Art und Weise, wie wir Beten. Die Art und Weise, wie wir zu Gott beten sollen. Doch zuvor, was hat es mit dem Freund auf sich. Ich glaube, dass wir in unserer Überfluß Situationen wie die beschriebene kaum noch erleben werden. Zumindest nicht, dass jemand um Mitternacht vor unserer Tür steht und um drei Brote, um Zucker, um Milch oder sonst was bittet.
Im alten Israel war diese Situation durchaus denkbar. 3 Brote entsprachen der üblichen Tagesmenge, die man aß. Läden gab es nicht in der damaligen Zeit, schon gar nicht irgendwelche Tankports, in denen man rund man die Uhr alles bekommen kann. Das Brot wird von der Hausfrau gebacken. In einem Dorf weiß man noch, wer abends noch Brot hat. Wer immer ein bisschen mehr gebacken hat. Es war auch völlig normal, um Brot zu bitten, wenn Not am Mann ist. Und es wurde in der Dorfgemeinschaft, in der man auf gegenseitige Hilfe angewiesen ist, natürlich auch geholfen. Man gibt und bekommt zurück.
Die Unwilligkeit des Gebetenen resultiert aus der Lebenssituation der damaligen Zeit. Zumeist lebte die Familie in einem Raum. Die Öllampe muss angezündet und wenn der Riegel von der Tür geschoben, machte das schon einen Lärm, der das halbe Dorf aufwecken konnte. Doch das alles zählt nicht. Helfen galt es selbstverständlich, um eben nicht blamiert dazustehen. Die älteren unter ihnen können diese Situation wohl nachspüren, wenn sie an die Ereignisse nach dem Krieg denken. Vieles war damals ähnlich.
Aber stellen wir uns doch mal vor, da würde nachts einer an unserer Tür klopfen oder schellen. Ein Freund ein Nachbar. „Was willst du?“ fragen wir zurück. „Ich habe überraschend Besuch bekommen. Ein alter Freund, den ich lange nicht gesehen habe ist gekommen. Er ist hungrig. Und ich habe nichts zu Hause. Morgen wollte ich einkaufen gehen!“ Würden Sie öffnen, der Bitte entsprechen? Ich denke, die meisten würden das tun, gerade wenn wir den vor der Tür kennen. Irgendwas hat jeder von uns zu Hause, was er abgeben kann.
Ein bisschen ist unser Verhalten, dann schon die Umsetzung des Wortes: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Doch letztlich geht es hier um das Beten. Die Bilder sind einfach zu deuten. Der gebetene Freund ist Gott, der Bittende sind wir. Soweit, so gut. Doch was das mit dem Beten zu tun?
Wie beten wir denn eigentlich? Mancher faltet die Hände. Wir schließen die Augen oder auch nicht. Wir sprechen unseren Gott mit „Vater“ oder vielleicht auch "Herr" an. Dann sagen wir ihm, was uns auf der Seele liegt. Die Sorgen, die Wünsche. Bitten für unsere Lieben, meist die Kranken  und manchmal, aber viel zu selten danken wir ihm auch für alle guten Gaben seiner Liebe, die er uns geschenkt hat. Unser Gebet beenden wir mit einem „Amen“.
So beten wir! Doch wenn dieses Gleichnis Jesu bedenken: Haben Sie Gott schon mal im Gebet bedrängt. Sind sie ihm sprichwörtlich auf die Nerven gefallen? Haben sie nicht locker gelassen? Oder gar Gott Konsequenzen angedroht, wenn er sich ihrer Bitten nicht annimmt? Abgesehen, welche Konsequenzen können wir ihm schon androhen, außer unseren Glauben an ihm in Frage zu stellen?
Jesus empfiehlt uns jedenfalls, nicht locker zu lassen. Auch in der unmöglichsten Situation, zur ungewöhnlichsten Zeit dürfen wir uns an ihn wenden. Und zu ihm kommen, wie zu einem Freund. Gute Freunde haben eine große Toleranzgrenze. Sie hören sich viel mehr an, als Fremde. So will Jesus, dass wir beten. Freunde heulen wir schon mal die Ohren voll, Freunden erzählen wir Dinge, die sonst lieber für uns behalten, von Freunden erwarten wir aber auch, dass sie antworten oder sind einfach nur da. Sie tun was nötig ist.
Wie kann das in unserem Alltag aussehen? Es reicht nicht, gott ein Anliegen nur einmal zu sagen, und dann abzuwarten, was passiert. Immer und immer wieder müssen wir es Gott Sagen, bis seine Ohren richtig heiß davon werden wie Melanchthon schon gesagt hat. Erst in den letzten Tagen habe ich es wieder erlebt, wie eine Tochter darum gebeten hat, dass ihre Mutter endlich von ihrer Krankheit erlöst wird. Immer und immer wieder hat sie gebeten. Gedrängelt, bis schließlich ihr Wunsch in Erfüllung ging und ihre Mutter friedlich einschlief.
Oder am heutigen Tag der Arbeit auch passend. Eine Mutter hat darum gebetet, dass ihr Sohn endlich wieder eine Arbeit findet. Nicht weil es finanziell unbedingt notwendig war. Sondern weil der junge Mann langsam vor die Hunde ging. Körperlich wie geistig. Dutzende von Bewerbungen hatte er schon geschrieben. Immer wieder erfolglos. Und das konnte sich die Mutter nicht angucken. Sie betete zu Gott, immer wieder in der Hoffnung auf eine Lösung.
Nicht immer erfüllt Gott die Wünsche so, wie wir es erhoffen. Manchmal ist es ganz anders.
Liebe Gemeinde, so ist das bei Gott: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan, manchmal müssen wir eben lauter anklopfen, nicht aufhören mit dem Klopfen, oder was wir als Kinder vielleicht mal gemacht haben, den Klingelknopf mit einer Art Kaugummi festkleben, damit es Gott lange und laut in den Ohren klingelt.
Dieser Hinweis Jesu beharrlich, sogar unverschämt zu beten, das wir das sollen und dürfen. Dieser Hinweis ist viel zu wichtig, als dass wir ihn überhören und unbeachtet lassen.
Ich möchte ihnen Mut machen: Lasst uns Gott im Gebet immer wieder unsere Bitten vortragen! Lasst uns seine Hilfe beharrlich suchen. Lasst uns nicht aufgeben, wenn wir meinen, wir hätten doch schon genug an seine Tür geklopft!
Gott ist unser „Vater“. Er ist unser Freund.  Wir sind Gottes Kinder. Und als solche sollten wir wissen, dass wir manchmal quengeln müssen, um etwas zu erreichen. Wer hat seine Eltern nicht mal solange gebeten bebettelt, bis er endlich seinen Willen bekam. Manchmal mussten wir eben nachhelfen, damit sie uns hören.
Auch der Hinweis darauf, dass wir es schlecht finden, wenn sie uns nicht geben, was wir haben wollen ist manchmal nötig gewesen. Auf jeden Fall müssen wir deutlich machen, wie wichtig unser Anliegen ist. Zur Not auch mit Drängeln und Klagen! Wenn Gott unser Vater und Freund ist, dann hört er unsere Gebete. DA ist es nur recht, wenn wir manchmal ein wenig unverschämt nachhelfen!
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, schenke uns neue Lebenskraft und Phantasie, dort wo wir in Jesu Nachfolge leben. Amen
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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