Predigt am Ostersonntag, 27. März 2005, Matthäus 28, 1-10

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Blicken sie mit mir zurück!
Die letzte Nacht ist vorbei. Jesus hatte noch mit seinen Jüngerinnen und Jüngern zusammen das letzte Abendmahl gefeiert. Er zu seinem Vater gebetet. ER wurde verraten, gefangen genommen. Und die meisten seiner Jünger, die ihm bisher treu ergeben waren, haben ihn in Stich gelassen.
Die Verurteilung zum Tode war reine Formsache. Sie machten alle gemeinsame Sache. Jesus trug sein Kreuz zu seiner Hinrichtungsstätte. Er war nicht allein, doch verlassen. Er wurde gekreuzigt. Viele schauten dem Spektakel zu. Jesus stirbt. Die Hoffnung schien verloren und begraben mit dem Leichnam des einstigen Hoffnungsträgers. Doch das Ende war nur der wunderbare Neu-Beginn der Geschichte des Lebens. Ich lese den vorgeschlagenen Predigttext aus Matthäus 28:
28,1 Jesu Auferstehung
Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.
2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.
3 Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.
4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.
5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat;
7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.
8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.
9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder.
10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.
Liebe Gemeinde!
Ich möchte beginnen mit ein paar kleinen Geschichten rund um unsere Gräber, so wie ich sie höre und viele von ihnen sie sicherlich auch kennen.
„Wollen sie noch mal an das Grab herantreten?“ Eine Frage, die ich Angehörigen oft bei Beerdigungen stelle. Manche treten heran, manche sagen direkt: „Ich gehe später noch mal hin, wenn das Grab zu ist.“ Beides hat mit der Überzeugung zutun, ob denn mit dem Grab auch alles in Ordnung ist. Gerade das Hingehen, wenn das Grab zu ist, da will man doch sehen, ob alles seine Ordnung hat. Ob die Kränze richtig liegen, ob die Erde richtig auf das Grab geschüttet wurde. Wir sicher gehen, dass das Grab auch gut verschlossen ist.
Eine andere Begebenheit. „Nach dem Gottesdienst gehe ich noch auf dem Friedhof. Ich besuche noch meinen Mann, kümmere mich um das Grab. Manchmal spreche ich mit ihm. Herr Pfarrer, nicht das sie meinen ich sei verrückt. Aber das tut mir gut. Ihm zu sagen, was mich beschäftigt, was ich auf dem Herzen habe. Und vielleicht antwortet er mir und gibt mir einen Tipp für den Tag, was ich so machen soll.“ Solche Erzählungen höre ich öfter. Es können auch Männer sein, die das erzählen oder Söhne und Töchter, Mütter und Väter. Das Grab als Ort, wo wir unser Herz ausschütten können, wo wir zumindest in Gedanken denen nahe sind, denen wir im Leben besonders zu getan waren, die uns wichtig waren und immer noch sind.
Die beiden Marien, Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus und Josef, gingen mit ähnlicher Intention zum Grab Jesu. Sie wollten sehen, ob alles in Ordnung ist und den Leichnam pflegen, wie es zur damaligen Zeit üblich war. Sie wollten Jesus nahe sein, dem Menschen, der ihr Leben von Grund auf verändert hatte. Seiner Kreuzigung mussten sie hilflos zu sehen. Jetzt wollten sie wenigstens ein paar letzte kleine Dienste zu Ehren Jesu verrichten.
Sie sind auf der Suche, so wir auf der Suche sind, wenn wir unsere Gräber besuchen. An unseren Gräbern suchen wir nach der Nähe des Verstorbenen, nach Antworten auf unbeantwortete Fragen und wir suchen Trost und ein Fleckchen Erde, auf dem wir unsere Tränen zurücklassen können. Die Nähe des Menschen, der ihnen jetzt so unendlich stark fehlt. Deshalb gehen wir zu den Gräbern unserer Liebsten. Und dabei ist es egal, was für ein Grab es ist. Selbst zu den anonymen Gräbern gehen viele Angehörige in der Hoffnung auf Nähe zu den geliebten Toten.
Genau das wollten die beiden Marien auch. Sie suchen die Nähe Jesu, die Nähe, die ihnen so gut getan hat, die ihr Leben von Grund auf verändert hat. Sie gingen nach den Bericht von Matthäus schon am Abend hin. Wohl um nicht gesehen zu werden. Um ihre Ruhe zu haben. Sie wussten sicherlich, dass Wächter vor dem Grab standen, die verhindern sollten, dass der Leichnam Jesu gestohlen wird. Die Priester und Pharisäer hatten davor Angst. Nachher würde noch jemand behaupten. Jesus lebt. Er ist auferstanden. Pilatus lässt daher einen Wachtrupp vor dem Grab aufstellen. Doch das beirrte die beiden Marien nicht. Sie wollten nur die Nähe ihres Liebsten spüren. Ein letztes Mal ihn aufsuchen.
Es gibt Menschen, die suchen die Gräber ihrer Verstorbenen. Es gibt bereits einen Markt für Menschen, die ihre Angehörigen anonym bestattet haben, ohne über die möglichen Konsequenzen nachzudenken. Die nicht damit gerechnet haben, dass auch sie einen Ort zu Trauern brauchen, dass es eben oft nicht ausreicht, das Bild es Toten im Herzen und Gedächtnis zu haben, sondern das die Trauer einen festen Ort haben will. Manch ein Psychologe lebt gut davon. Es gibt auch Menschen, die werden mit ihrer Trauer nicht fertig. Die vor den Gräbern stehen. Die der Tod verzweifeln lässt. Die nicht gelernt haben, Abschied zu nehmen und loszulassen. Solche Menschen findet man oft in Trauergruppen wieder. Wenn sie denn überhaupt den Mut haben, sich anderen mitzuteilen.
Die beiden Marien gehören nicht dazu. Sie werden am Grab Weinen, aber dann wieder gefasst zurück in ihr Leben gehen.
Den Weg dorthin werden wie schweigend verbracht haben. Gerade auf dem Weg zu Gräbern der gerade Verstorbenen reden wir nicht viel. Wir schweigen, weil wir keine Worte haben um das Unerklärliche zu begreifen oder das Geschehene zu akzeptieren.  Die Menschen damals wurden oft in Grabhöhlen bestattet. Die Leichname trockneten aus und mumifizierten zum Teil. Wahrscheinlich hatten die beiden Frauen daher Öle dabei, um den Leichnam einzubalmanisieren. Falls sie denn überhaupt von den Wächtern in das Grab eingelassen würden.
Doch was dort erwarten sollten, damit hatten sie nicht gerechnet, konnten sie nicht mit rechnen, denn wenn wir zu den Gräbern gehen, dann erwarten wir alles andere, nur nicht ein leeres Grab.
Kaum am Grab angekommen geschah Unglaubliches. Die Erde bebte wie bei Tod Jesu, die Erde öffnete sich, als ob die Toten aus ihr heraus springen sollen, und ein Engel kam vom Himmel herab, weiß wie die Herrlichkeit des Himmels und sein Gesicht strahlte hell wie ein Blitz.
Vielleicht hat der Hauptmann der Wache noch Deckung gerufen. Doch zu spät. Die Wächter fielen wie tot um. Aus der äußerlichen Erschütterung durch das Erdbeben wird eine innere, die sie lähmt, dem Tode nahe bringt. Was dann geschieht, können sie gar nicht mehr sehen, geschweige dann erfassen.
Der Engel wälzt den Stein vom Grab. Was wird er mit ihm tun? Er wirft ihn nicht mit Zauberkraft gen Himmel. Nein, er setzt sich darauf, und sein Gesicht leuchtet hell auf, strahlt vor Freude. Fürchtet euch nicht! sagt der Engel. Er ist nicht hier! Der Stein, der verkündigt hat: Jesus ist tot wird zum Predigtstuhl des Lebens.
Die Frauen haben Angst. Verständlich, wenn die Naturgewalten wüten, fühlen wir uns ihnen hilflos ausgeliefert. Haben Furcht und Angst. Die Nähe Gottes kann furchterregend sein. Und auch ein freundlicher Engel kann Angst machen, wenn man ihm plötzlich gegenüber steht. Der Engel muss die beiden Frauen beruhigen. „Fürchtet euch nicht!“ sagt er ihnen zu. Die Frauen lassen sich beruhigen. Plötzlich kommt Bewegung in die Geschichte. Diese Geschichte, die doch drei zuvor geendet hat und deren Ergebnis die Frauen erwarten im Grab zu sehen. „Kommt, seht die Stätte,“ sagt er den Frauen und führt sie ins leere Grab. Und führt sie wieder hinaus: „Geht! Er ist nicht hier!“
Wo ist er hin, denken sich die Frauen. Gestohlen, oder vielleicht ist doch das Unmögliche geschehen, von dem Jesus manchmal erzählt, dass er am dritten Tage vom Tode aufersteht? Der Engel weist ihnen den Weg. ER geht ihnen voran nach Galiläa. Zum Ort, wo alles angefangen hat. Der Ort, wo die beiden Frauen und alle anderen Jünger gelernt haben, was Nachfolge ist. Dort ist der Berg der Bergpredigt, dort sind die Orte in denen unheilbare Heilung erfahren haben. Dort sind die Häuser in denen jesus von der Liebe und Gottes Reich erzählte. „Geht und  sagt es eilends seine Jüngern,“ lautet der Auftrag des Engels an die beiden Frauen.
Wer kann den Frauen nicht verdenken, dass sie loslaufen, ja losrennen, um alle anderen diese Frohe Botschaft zu überbringen. „Jesus lebt! Wir werden ihm in Galiläa begegnen.“ Sie nahmen ihre Beine in die Hand, nicht aus Furcht, sondern aus Freude. Die Geschichte,  die zu Ende schien geht weiter. Alles, wofür Jesus lebt geht weiter. Alles hat plötzlich wieder eine Zukunft. Auch alle, die Jesus verleugnet und im Stich gelassen haben, auch diese haben plötzlich wieder eine Zukunft.
Und siehe, da kam ihnen Jesus entgegen….. Es geschieht oft, dass Trauernden in Träumen oder mitten am Tag der geliebte Verstorbene erscheint. Begegnungen, die zumeist stärken und ermutigen. So tut es Jesus auch mit diesen beiden Frauen. „Fürchtet euch nicht! Geht hin und sagt es meinen Brüdern…Dort werden sie mich sehen.“ Seine Brüder sind gemeint. Nicht die Jünger werden genannt. Nicht die, die ihn verlassen haben. Sagt es seinen Brüdern. Alle, sind sie damit gemeint. Ob sie noch ein Fünkchen Hoffnung bewahrt haben, ob sie sie Hoffnung aufgeben hatten, ob sie Jesus verlassen haben. Alle sind seine Brüder und wir dürfen ergänzen, seine Schwestern. Allen ist in Jesus Vergebung widerfahren. Allen wird in Jesus ein neuer Anfang geschenkt. Alle dürfen auferstehen aus ihrer Hoffnungslosigkeit, wie immer sie auch heißen mag.
Allen ist Auferstehung verheißen, bis heute. Auferstehung aus unseren Hoffnungslosigkeiten. Die Begegnung mit dem Auferstandenen will uns erschüttern, bis in unsere Grundfesten hinein. Sie will uns nicht lähmen wie die Wächter des Todes. Unser Innerstes soll nach außen gekehrt. Aus Trauer wird wieder Freude. Und diese Freude will uns Beine machen, diese Freude hinauszutragen in alle Welt. Das ist Ostern, das Leben siegt. Und wer diese Freude empfangen hat, der hat einen Auftrag, den, den Jesus den beiden Marien mit auf dem Weg gab.
Geht hin und sagt es meinen Brüdern….. Oder wie er in Galiläa seinen Jüngern sagt: Geht hinaus in alle Welt, und macht die Menschen zu meinen Jüngerinnen und Jünger.
Die österliche Freude ist keine Freude für das stille Kämmerlein. Nein. Es ist die Frohe Botschaft das Gott für die ganze Welt das Leben will. Darum geht hinaus und verkündigt der ganzen Welt: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Amen
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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