Predigt am Ostersonntag, 20. April 2003, Markus 16,1 - 8

Kanzelgruß
Predigttext nach der Guten Nachricht von 1997
1 Am Abend, als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um den Toten damit zu salben.
2 Ganz früh am Sonntagmorgen , als die Sonne gerade aufging, kamen sie zum Grab.
3 Unterwegs hatten sie noch zueinander gesagt: »Wer wird uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?«
4 Denn der Stein war sehr groß. Aber als sie hinsahen, bemerkten sie, dass er schon weggerollt worden war.
5 Sie gingen in die Grabkammer hinein und sahen dort auf der rechten Seite einen jungen Mann in einem weißen Gewand sitzen. Sie erschraken sehr.
6 Er aber sagte zu ihnen: »Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der ans Kreuz genagelt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Hier seht ihr die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten.
7 Und nun geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: 'Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, genau, wie er es euch gesagt hat.'«
8 Da verließen die Frauen die Grabkammer und flohen. Sie zitterten vor Entsetzen und sagten niemand ein Wort. Solche Angst hatten sie.
 
Schnellen Schrittes verließen die drei Frauen die Grabstelle. Kein Wort sprachen sie miteinander. Sie schwiegen. Das Erlebte hatte ihnen die Sprache verschlagen. Einige Menschen denen sie begegneten sahen sie verständnislos an. Der Schreck war in ihren Gesichtern geschrieben. Andere schüttelten den Kopf. Schließlich kamen sie wieder in die engen Gassen der Stadt. Die schmalen Gänge schienen noch enger als sonst zu sein. Sie rempelten den einen oder anderen an. „Könnt ihr nicht aufpassen, oder seid ihr etwa blind?“ riefen ihnen einige ärgerlich hinterher. Doch sie antworteten nicht. Schließlich waren sie so außer Atem, dass sie stehen bleiben mussten. Stumm blickten sie sich an. Sie waren mittlerweile wieder in die Nähe des Tempels gekommen. Hier hatten sie gestern abend noch die wohlriechenden Öle gekauft mit denen sie Jesu einbalsamieren wollten. Maria von Magdala blickte stumm auf das kleine Fläschchen mit dem kostbaren Salböl in ihrer Hand. „Werde ich es noch brauchen,“ dachte sie. „Wo ist mein Liebster jetzt? Stimmt das, was der Mann in dem weißen Gewand im Grabe gesagt hat?“ Als ob Salome ihre Gedanken lesen konnte sagte diese: „Mir geht es wie dir. Ich bin total verwirrt. Waren wir gerade wirklich im leeren Grab? Ich kann es einfach nicht fassen.“ Auch Maria, die Mutter des Jakobus, die älteste der drei Frauen, fand ihre Sprache wieder. „Ich kann mich noch erinnern als er den Bruder von Martha von den Toten auferweckte. Als Lazarus in Tüchern gehüllt lebendig aus dem Grab herauskam. Ist jetzt das Gleiche mit Jesus geschehen?“ Die drei Frauen sahen sich an. Langsam wich die Angst aus ihren Gliedern. Die Kälte, die in ihren Beinen hoch gekrochen war, machte allmählich einer wohligen Wärme Platz. Ihre Gesichtszüge entspannten sich.  
„Wir müssen es den anderen sagen!“ Maria Magdalena hatte sich wieder gefasst. „Das sollen wir doch. Er ist uns nach Galiläa vorausgegangen. Und wir sollen ihm folgen. Die anderen müssen es wissen.“ Salome blickte ihre Freundin an. „Ich weiß nicht,“ sagte sie. „Du kennst sie doch. Sie werden uns nicht glauben. Jetzt, wo Jesus nicht mehr ist werden sie über uns lachen. Frauengeschwätz, werden sie sagen. Habt ihr wieder mal rumgesponnen.“ Salome zögerte. „Ich möchte nicht ausgelacht werden. Ich bin noch traurig genug. Das muss nicht sein.“ Die alte Maria sah ihre beiden jüngeren Freundinnen an. „Wir müssen es riskieren. Es ist zu wichtig. Ich spüre tief in mir, dass da was Großes begonnen hat.“ Die Frauen blickten sich an. Dann gingen sie langsam und schweigend in die Richtung des Hauses, in dem die anderen Jünger und Freunde Jesu sich trafen.
Die Tür war verschlossen. Salome klopfte an. Einen Moment später machte Andreas die Tür auf. „Da seid ihr ja. Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Ihr wart lange weg.“ Andreas blickte die drei Frauen fragend an. Er merkte, dass irgendetwas anders war. Doch er fragte nicht. Er ging den Frauen voraus in den Hof, in dem sich alle versammelt hatten.
Eine unheimliche Stille herrschte hier. Kaum, dass einer ein Wort sprach. Die Verzweiflung der Jüngerinnen und Jünger war mit Händen zu greifen. Maria Magdalena blickte sich um. Sie sah in die gefurchten Gesichter. Sie sah die verweinten Wangen, Sie sah die Leere in ihren Augen. Alles schien zerbrochen mit dem Tod Jesu. Alles, woran sie geglaubt haben und wofür sie so viele Entbehrungen auf sich genommen hatten. Maria wusste, die beiden anderen erwarteten vorn ihr, dass von ihrem wunderlichen Erlebnis am Grab erzählte. Doch sie schaute sich die Gesichter aller lange an.
Matthäus, der Zöllner. Wie hatten ihn die Menschen gehasst. Weil er ihnen den Zoll, das Geld abnahm. Weil er notgedrungen mit den Römern paktierte. Jesus war der erste, der die tiefe Verzweiflung in ihm gesehen hat. Der in sein Haus kam, und mit ihm speiste wie mit einem guten Freund. Wohin sollte er jetzt gehen? In seinem Beruf würde er nicht zurückkehren können.
Sie blickte auf Thomas. Er war nicht leicht zu überzeugen. Sie konnte sich an die nächtelangen Diskussionen erinnern, die er mit Jesus geführt hat. Ob Gott wirklich denn sich allen Menschen zu wenden will. Über das Gesetz und warum Jesus in friedlicher Absicht allen Menschen begegnete. Thomas zweifelte immer an Jesus, doch er blieb bei ihm. Doch als er gefangen genommen wurde war er der Erste der sagte: „So musste es ja kommen!“ Wie würde er reagieren, wenn sie von ihrem Erlebnis erzählten.
Nach und nach blickte sie in die Gesichter der Menschen im Hof.
Da war Andreas, folge mir nach, du sollst ein Menschenfischer sein, hatte Jesus zu ihm gesagt. Mit seinem Bruder Petrus hatte er die Netze aus den Händen gelegt und folgte Jesus ohne wenn und aber nach. Er war immer eine Stütze für Jesus. Sorgte für das Essen und kümmerte sich um das Wohl der ganzen Gruppe.
Schließlich fiel ihr Blick auf Petrus. Er saß zurückgezogen in einer Ecke des Hofes und blickte stumm vor sich hin. Seit er Jesus verleugnet hatte, war er nicht mehr ansprechbar. „Ich habe versagt,“ sagte er immer wieder, „ich, der doch der Felsen sein sollte, auf dem sich alle stützen. Ich bin schuld am Tode Jesu.“ Alle Versuche ihn zu trösten waren gescheitert. „Lasst mich doch in Ruhe. Ihr werdet ihn vergessen. Aber wo ich mit meiner Schuld hingehen?“
Als Maria Petrus lange angesehen hatte, wusste sie, dass sie es den anderen sagen musste. „Wir waren am Grab. Wir wollten Jesus einen letzten Dienst erweisen. Seinen Körper mit Salböl einreiben.“ Maria sprach laut. Ihre Stimme zitterte leicht. Langsam wandten sich die anderen ihr zu. „Und, war irgendwas besonderes. Hat er schon gestunken, oder haben sich schon ersten Räuber über das Grab hergemacht.“ Thomas sprach mit leicht spöttischer Stimme. Maria fühlte sich auf einmal plötzlich ganz weich in den Knien. Sie hatte Angst zusammenzubrechen.
Doch sie nahm alle Kraft zusammen und sprach weiter. Ihre Stimme wurde langsam fester. „Der Stein vor dem Grab war weggerollt.“ „Also doch die Räuber,“ rief Thomas. „Lass sie doch weiter erzählen,“ sagten einige andere. Maria fuhr fort. „Wir gingen in das Grab hinein. Wir suchten Jesus. Doch er war nicht da.“ Die anderen wurden unruhig. „Das darf doch wahr sein. Erst wird er umgebracht und jetzt auch seine Leiche gestohlen.“ Einige begannen sich zu empören. Doch Maria sprach weiter: „Das Grab war aber nicht leer. Da, wo wir Jesus hingelegt hatten, saß ein Mann in weißen Gewändern. Als wir ihn sahen, bekamen wir Angst. Doch er sprach uns an und sagte zu uns: „Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der ans Kreuz genagelt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Hier seht ihr die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten.“ Unruhe machte sich unter den anderen Jüngerinnen und Jünger breit. Sie tuschelten miteinander. Maria merkte wie aufgeladen die Stimmung war. Würden sie ihr glauben: „Und was hat er noch erzählt?“ Thomas blickte Maria auffordernd an. Maria wusste sofort, dass er ihr nicht glaubte. Dennoch sagte sie die anderen Worte des Mannes im weißem Gewand: „Und nun geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, genau, wie er es euch gesagt hat.“
Maria blickte in die erstaunten Gesichter der Menschen im Hof. Salome war an ihre Seite gekommen, um sie zu stützen. Sie hörte, wie sie miteinander tuschelten und redeten. Und plötzlich prustete Thomas los: „Das sollen wir glauben. Das ist doch nur Weibergeschwätz. Da habt ihr was gesehen, was ihr euch gewünscht habt. Eine nettes Märchen, das ihr uns da aufgetischt habt. Netter Versuch, uns aufzuheitern, guter Witz: Jesus lebt!“ Thomas lachte weiter. Erst nur wenige, dann immer mehr fielen in das Lachen des Thomas ein. Salome begann zu weinen: „Ich habe es gewusst. Sie würden uns nicht glauben. Jetzt sind wir die letzten Idioten für sie. Ich will nicht mehr hier bleiben. Ich halte das nicht mehr aus.“ Maria war erstarrt. Sie glaubten ihr nicht. Diese Augenmenschen. Sie glaubten nur, was sie sahen. Sie schenkten ihr kein Vertrauen. „Was seid ihr nur für eingebildete Typen,“ schrie sie die anderen an, „habt ihr alles vergessen, wovon Jesus erzählt hat. Das wir füreinander da sein sollen, wie er für uns da war. Das wir seine Liebe unter uns weiterleben lassen sollen. Und jetzt hört ihr uns nicht mehr zu. Ihr lacht uns aus!“ Maria wandte sich von den anderen ab. Wie sehr sie die anderen auf einmal hasste. Vor Zorn verdunkelte sich ihr Gesicht. Die alte Maria nahm sie in die Arme. Streichelte über ihr Haar. Langsam beruhigte Maria sich wieder.
Die beiden Marien hatten gar nicht gemerkt, dass sich jemand ihnen näherte. Der die ganze Zeit hinten in der Ecke gekauert hatte. Er kam zu Maria und sprach sie an: „Was hat der Bote gesagt? Was hat er über mich gesagt?“ Maria blickte Petrus an. Keine Spur von Spott war in seinem Gesicht geschrieben. Eher Neugier und Erwartung. Maria wiederholte die Worte: „Er sagte: Sag es vor allem Petrus! Jesus geht euch nach Galiläa voraus!“
Petrus blickte sie stumm an. Maria sah, wie er sich mehr und mehr entspannte. Sie sah, wie er zu lächeln begann. Nicht aus Spott. Aus Freude. Aus tiefer Freude. „Er hat mir verziehen. Ich habe versagt, doch er hält an mich fest. Das kann nur Jesus gesagt haben. Nur er kann mir verzeihen!“ Petrus nahm Maria in die Arme: „Ich glaube dir, ich gehe zum Grab um selber zu sehen, was dort passiert ist. Um meine Traurigkeit und meine Zweifel in sein Grab zu legen. Um all das dort zu lassen, was mir wie ein Stein auf der Seele liegt. Und dann gehe ich nach Galiläa. Um Jesus zu treffen. Ihr kommt doch mit, oder?“ Petrus blickte die drei Frauen an. Diese nickten ihm zu. „Ich geh zum Grab und komm dann zu euch zurück. Macht euch bereit zum Aufbruch.“
Die anderen waren mittlerweile verstummt. Als sie merkten, dass Petrus mit den Frauen sprach, hörte der eine und die andere auf zu lachen. Schließlich lachte nur noch Thomas. „Sei still!“ sagten einige zu ihm, die um ihn herum standen. Und auch Thomas hörte auf zu lachen. Sie sahen wie Petrus schnellen Schrittes das Haus verließ. Wie er sich zum Grab aufmachte. Die Jüngerinnen und Jünger blickten sich an. Keiner sagte ein Wort. Doch dann, erst nur wenige, dann immer mehr folgten Petrus. Und in ihren Gesichtern war nicht mehr die Verzweiflung der letzten Tage zu sehen. Sie wich einer freudigen Erwartung.
Maria Magdalena, die andere Maria und Salome blickten sich an. Und nun begannen die drei Frauen zu lachen. Sie lachten und tanzten. Die Freude brach plötzlich aus ihnen heraus. Thomas sah ihnen zu und schüttelte den Kopf. „Was ist los mit euch?“ fragte er die drei Frauen. „Verstehst du nicht,“ sagte Maria zu ihm, Jesus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. So wie er es uns immer gesagt hat!“. Die drei Frauen lachten und tanzten weiter. Thomas aber ging sehr nachdenklich von dannen.
Und der Friede Gottes.........

 

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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