Predigt am Ostermontag, 21. April 2003; Lukas 24, 13-35
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde!
Ich möchte ihnen ein Rätsel stellen. Ein österliches Rätsel. Ich weiß nicht, ob sie gestern vielleicht Oster-Eier gesucht haben oder anderen dabei zugeschaut, aber dieses Rätsel hat was damit zu tun. Denn oft ist es ja beim Suchen der Osterkörbchen und Ostereier und bei vielen anderen Dingen so, dass man das, was vor Augen liegt, nicht erkennt. Den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, wie wir sagen. Doch hier das Rätsel. Woran erkennen wir den Auferstandenen? Woran erkennen wir, dass Christus in unserer Gegenwart ist? Das er bei uns ist? Mitten unter uns….
Den Jüngern, die auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus waren, denen ging es nämlich genauso. Ich möchte Ihnen die Geschichte erzählen. Erzählen davon, wie die beiden Jünger offenen Auges waren und doch blind. Der eine hieß Kleopas. Der Name des anderen ist nicht überliefert. Ich nenne ihn Pelajas. Doch jeder andere, sogar unser eigener Name ist denkbar. Lassen sie uns eintauchen, in das Geschehen kurz nach der Auferstehung Jesu. Nach der Entdeckung des leeren Grabes durch die Frauen und danach vieler anderer Jünger. Lassen sie uns eintauchen in Geschichte, die in der Traurigkeit neue lebendige Hoffnung weckt……..
Es waren nur einige Stunden vergangen, seitdem sie am leeren Grab waren. Fast alle waren sie Petrus gefolgt. Wollten sich überzeugen vom dem, was die drei Frauen erzählt hatten. Ja, auch sie hatten die drei ausgelacht. Als Maria Magdala vom leeren Grab berichtete und Thomas anfing zu lachen, fielen sie in das Lachen ein. Doch als Petrus dann schließlich zum Grab aufbrach, um sich zu überzeugen, sind Kleopas und Pelajas mitgegangen. Nur Thomas war zurückgeblieben. Der glaubte nur, was er auch sah. Sie konnten ihren Freund gut verstehen. Doch ihre Neugier war größer und so sind sie mit den anderen hinter Petrus hergegangen. Als sie am leeren Grab ankamen, waren sie enttäuscht. Kein Mann in weißen Gewändern, von denen die drei Frauen berichtet haben, kein Jesus. Nichts. Das Grab sah aus, als wäre Jesus nie hineingelegt worden. Kleopas und Pelajas verstanden die Freude der meisten Jüngerinnen und Jünger nicht. Sie schüttelten nur den Kopf, als viele anfingen zu tanzen, um ihrer Freude Ausdruck zu geben. Nicht lange und sie wandten sich ab von dem Geschehen. Sie hielten es nicht mehr aus. Wie konnten sich die anderen nur so freuen? Das leere Grab. Das war doch längst kein Beweis dafür, dass Jesus lebt. Wie oft haben Grabräuber die Gräber geplündert. Sogar vor Leichen machten sie nicht Halt.
Thomas hatte Recht. Und jetzt: Bloß weg von Jerusalem. Dort war es nicht mehr auszuhalten. Alles erinnerte sie an ihre Hoffnungen und Träume. So machten sich Kleopas und Pelajas auf den Weg nach Emmaus. Sie wollten nicht bei den anderen sein. Sie wollten sich nicht dem Gespött der Leute in Jerusalem aussetzen. „Jesus auferstanden? Von den Toten ist noch keiner auferstanden! Ihr seid wohl nicht ganz bei Trost!“ Sie konnten die Stimmen der Spötter schon richtig hören. Die anderen, die den beiden Marien und Salome glaubten. Sie taten ihnen leid. Allen voran Petrus. Ein gebrochener Mann war er. Wenn er die Wahrheit erkennen würde, dann würde er sicher verrückt werden. Doch sie konnten nichts für ihn tun. Nur weg. Am besten zu Freunden, wo sie unterkommen konnten. Denen es egal war, dass sie zu den Anhängern Jesu gehörten. Besser mit jemanden zu reden, der weiß wie man sich fühlt. Pelajas hatte in Emmaus gute Freunde, die sie sicherlich aufnehmen würden. Die nicht über sie spotten würden. Und so machten sie sich auf den Weg nach Emmaus, gut 20 km von Jerusalem entfernt. Ein Fußmarsch von 5 Stunden.
Doch kaum waren sie auf dem Weg, kamen sie in ihrem Gespräch immer wieder auf die Ereignisse der letzten Woche zurück. "Nein, ich kann es immer noch nicht verstehen. Wir alle hatten doch so große Hoffnung, dass sich endlich alles ändern würde." Kleopas war es zum Heulen zu Mute. Pelajas schaute ihn nur traurig an . Er wusste auch nichts zu sagen.  Beide hatten sie seit drei Tagen kaum geschlafen. All das, was da geschehen war, konnten sie einfach nicht begreifen. Erst die Gefangennahme Jesu, dann seine Verurteilung, sein Tod am Kreuz, und jetzt noch die Geschichte der drei Frauen und das leere Grab. Noch vor einer Woche schwebten sie fast im siebten Himmel. Was war das für ein berauschender Einzug in Jerusalem gewesen. All die Menschen, die zum Stadttor gekommen waren und ihnen einen großartigen Einzug beschert hatten. Kleopas erinnerte sich, als ob es gestern gewesen ist. An die jubelnden Menschen. An das Geschrei und die lauten Hosianna-Rufe. Manchmal war es ihm ein bisschen mulmig geworden. Viele der Menschen schienen außer Rand und Band gewesen zu sein. Ab und zu blickte Kleopas nach Jesus, um zu sehen, wie er sich verhielt. Meist lächelte er, doch ab und zu war es, als ob ein Schatten über sein Gesicht huschte. Erst jetzt erinnerte sich Kleopas wieder daran. Damals hatte er gedacht, all die Menschen würden Jesus zu viel werden. Doch die Jubelorgien ließen die Jünger Jesu und alle, die mit ihm in Jerusalem einzogen, jeglichen Zweifel vergessen.
Große Hoffnungen hatte er auf Jesus gesetzt. Endlich mal jemand der Klartext mit der korrupten politischen und religiösen Elite des Landes redete. Kleopas wünschte sich nichts sehnlicher als eine Erneuerung der religiösen Kultur. Alle waren sie bestechlich geworden. Für Geld machte die Tempelbehörde alles. Als Jesus die Händler aus dem Tempel herausjagte, dachte Kleopas, jetzt ist es soweit, gleich sind die schleimigen Priester dran. Doch Jesus beließ es beim Rausschmiss der Händler. Na ja, vielleicht später, dachte Kleopas dann.
„Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, es ist aus. Nichts mehr mit Gerechtigkeit. Nichts mehr mit dem Ende der römischen Besatzer.“ Pelajas senkte sein Haupt. Er gehörte zu denen, die große politische Erwartungen an den Einzug Jesu in Jerusalem geknüpft hatten. Die Zeloten waren ihm zu radikal und gewalttätig gewesen. Ihre Attentate gegen die Herrschenden, die Zerstörung vieler Einrichtungen, von denen auch das Volk seinen Nutzen hatte, gingen ihm zu weit. Er träumte von einer friedlichen Revolution. Einer, in der die Argumente und nicht die Waffen den Sieg einbrachten. Jesus schien ihm der rechte Mann zu sein. Noch nie hatte er jemanden erlebt, der so treffend und überzeugend reden konnte. keiner schien seinen Argumenten gewachsen zu sein. Immer mehr Anhänger fand er im ganzen Land. Und der begeisterte Empfang in Jerusalem ließ Pelajas denken. Jetzt haben wir es geschafft. Nur noch eine kleine Weile, dann wird dieses korrupte System des Herodes abgeschafft. Doch das war nun Vergangenheit. Jesus war tot. Und all ihre Hoffnungen waren mit ihm gestorben.
Es gelang ihnen nicht auf andere Gedanken zu kommen, Immer wieder sprachen sie über die Ereignisse der letzten drei Tage. Dass Jesus einfach so den Römern und den Palastwachen ausgeliefert hatte, verstanden sie nicht. Das er sich ans Kreuz nageln ließ. Kleopas hoffte insgeheim noch auf ein Wunder. Um allen seine Macht zu zeigen. Steig endlich vom Kreuz herab, wünschte er sich, doch stattdessen schrie Jesus laut und starb. Auch Pelajas hoffte das Gleiche. Als Jesus starb, blickten sich die beiden Freunde an. Es war  ihnen sogar irgendwie peinlich. Jetzt nur nicht als seine Anhänger erkannt werden. Insgeheim war noch die Hoffnung auf ein Wunder da. Doch nichts geschah. Heute Morgen schließlich kamen Maria aus Magdala, Maria die Mutter des Jakobus und Salome vom Grab zurück, vollkommen aufgelöst und entsetzt: „Jesus liegt nicht mehr Grab. Da war ein Mann, der hat uns gesagt, er sei vom Tod aufgestanden.“
Beide unterhielten sie sich die ganze Zeit sehr erregt. Sie konnten sich einfach nicht beruhigen. Und so merkten sie auch nicht, dass sich ein Fremder ihnen hinzugesellte. „Wie ich sehe, seid ihr auf den Weg nach Emmaus. Kann ich mit Euch gehen? Gemeinsam läuft es sich leichter.“ Kleopas schaute den Fremden an. Er sah sehr freundlich aus. „Sicher komm mit, leiste uns Gesellschaft.“ Der Fremde sprach zu den Beiden: „Ihr habt euch ja ganz schön erregt unterhalten gerade. Was gib es denn, wenn ich fragen darf, was euch so sehr aufgebracht hat?“ Kleopas blieb stehen und schaute den Fremden fragend aber auch traurig an. „Hast du nicht mitbekommen, was in Jerusalem geschehen ist? Jeder redet doch davon.“ „Nein,“ sagte der Fremde, „ich habe keine Ahnung, aber erzählt es mit doch. Ihr habt mich neugierig gemacht.“ „Du hast doch sicher schon von dem Propheten Jesus aus Nazareth gehört.“ Begann Kleopas.  „Ja,“ sagte der Fremde, „den Namen habe ich schon mal gehört. Was hat er denn getan?“ Kleopas und Pelajas blickten sich fragend an. „Jesus hat doch allen Menschen von Gott erzählt. Auf dem ganzen Weg durch das Land, bis nach Jerusalem. Er hat viele Wunder getan, Blinde geheilt, sogar Tote auferweckt. er wurde immer populärer. Immer mehr Menschen schlossen sich ihm an. Einigen der Priester und Ratsmitglieder ging das wohl zu weit. Sie hatten Angst, um ihre Macht. So beschlossen sie, Jesus zu töten und ans Kreuz zu nageln. Darum sind wir so erregt und auch traurig. Wir hatten doch so große Hoffnungen auf Jesus gesetzt. Er schien endlich der große Retter für unser Volk zu sein.“ Der Fremde nickte kurz. „Ja, ich habe gehört, was er für ein außergewöhnlicher Mensch er gewesen sein soll.“ Pelajas fuhr aber fort: „Drei Tage ist es schon her, seit er ans Kreuz genagelt wurde. Nichts ist passiert, bis heute morgen. Und dann haben noch einige der Frauen, die zu uns gehören uns einen tüchtigen Schrecken eingejagt. Sie sind zum Grab gegangen und haben den Leichnam Jesu nicht mehr dort gefunden. Sie kamen zurück und erzählten, ein Engel hätte ihnen gesagt, dass er lebt. Viele von uns rannten noch schnell zum Grab, obwohl die meisten es für Hirngespinste hielten. Wir fanden das leere Grab, aber keine Spur von Engeln, geschweige denn von Jesus. Das waren bestimmt Grabräuber gewesen, sagten sie. Ist ja auch nichts Außergewöhnliches.“
Kleopas und Pelajas waren froh, diesem Fremden ihre Sorgen und Fragen zu erzählen, ihn an ihrer Trauer teilhaben zulassen. Endlich mal jemand, der ihnen zuhörte, dem sie ihr Herz ausschütten konnten. Mit den anderen konnten sie schon längst nicht mehr darüber sprechen. Zulange war man gemeinsam den gleichen Weg gegangen. Da kam man nicht mehr weiter. Beide fühlten sie sich erleichtert. Es war als ob ein bisschen der last von Schultern genommen war, seitdem der Fremde bei ihnen war.
Der Fremde hatte die ganze Zeit geschwiegen, ab und zu mit dem Kopf genickt oder ihn geschüttelt. Kein kluger Kommentar oder ein abwiegelndes Wort. Nichts sagte er. aber es schien, dass er die beiden Trauernden verstand. „Was seid ihr doch schwer von Begriff,“ sagte da unvermittelt der Fremde. Kleopas und Pelajas blickten sich erstaunt an, waren sprachlos. „Warum rafft ihr euch nicht endlich auf, dass zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Schon Jesaja sagte doch, dass der Retter als diese Qualen erleiden musste, bevor er schließlich die Herrschaft von Gott bekommt.“ Die Worte des Fremden ließen keinen Widerspruch zu. „So haben wir darüber noch nicht nachgedacht,“ antwortete Kleopas, „aber erzähl uns mehr davon“. Und der Fremde begann ihnen die Worte der Propheten und auch von Mose auszulegen, warum der Retter Israels erst soviel erleiden musste. Hier und da fragten Kleopas und Pelajas nach, doch im Ganzen mussten sie der Argumentation des Fremden zustimmen. Mittlerweile hatten sie Emmaus erreicht und die beiden baten den Fremden mit ihnen gemeinsam das Mahl zu halten. Längst waren ihre herzen nicht mehr so traurig. Das Gespräch mit dem Fremden hatte ihnen gut getan und er hatte ihnen seine neue Sicht der Dinge vermittelt.
„Komm mit in das Haus meines Freundes,“ sagte Pelajas zu dem Fremden ,“er hat genug Platz für uns alle.“ „Ich noch einen weiten Weg vor mir,“ sagte der Fremde. „Ich muss weiter.“ „Bleib doch bei uns! Es geht schon auf den Abend zu und gleich wird es dunkel.“ Da willigte der Fremde nach einigem Zögern ein.  Beide freuten sie sich auf den Abend mit dem Fremden. Pelajas Freund hieß alle drei willkommen. „Komm, tretet ein. Ihr seid sicher hungrig von dem langen Fußweg. Setzt euch erstmal, stärkt euch.“ Dankbar nahmen die drei die Einladung an. Als schließlich die Vorbereitungen für das Essen getroffen waren, setzten sich die drei an einem Tisch.
„Du hast uns soviel aus der Schrift erzählt und uns geholfen,“ wandte sich Kleopas an den Fremden. „Sprich bitte das Segensgebet, brich du das Brot mit uns.“ Gespannt schauten Kleopas und Pelajas den Fremden an. Doch als er das Brot brach und die Segensworte darüber sprach, fiel es ihnen plötzlich wie Schuppen von den Augen.
Es war Jesus selbst: Der, der eigentlich tot war, um den sie keinen Jota mehr gegeben hätte, er saß bei ihnen am Tisch und brach ihnen das Brot. Nur er brach es so. Sie spürten, wie ihr Herz vor Freude zu hüpfen begann. Sie wollten ihn umarmen. Ihre Freude freien lauf lassen. Doch da war Jesus verschwunden.
Kleopas und Pelajas schauten sich an. „Was sind wir doch blind gewesen. Da haben wir in unserer Trauer und Selbstzweifeln nicht gemerkt, dass Jesus mit uns gegangen ist. Dass er wirklich lebt, wie die Frauen sagten. Wir haben nicht auf das Klopfen unserer Herzen gehört, als er uns die Heilige Schrift erklärte. „Schnell lass uns nach Jerusalem zurückkehren und den anderen erzählen, was wir erlebt haben. Dann werden alle glauben, dass Jesus auferstanden ist. Selbst Thomas.“ Und sofort brachen sie auf.
Liebe Gemeinde!
Die Emmaus – Geschichte. Ein österliches Rätsel. Das Rätsel, das Menschen die Nähe Jesu nicht erkennen. Dass sie nicht merken, in wessen Gegenwart sich ihr Herz öffnet, Trauer verfliegt und neue Hoffnung geboren wird. Emmaus – Jesus ist mit uns auf dem Weg. In seiner Gegenwart können wir auferstehen.
Jetzt – schon heute. Es ist Ostern. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
Amen
 Und der Friede Gottes.........
  
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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