Predigt am letzten Sonntag n. Epiphanias, 4. Februar 2006, Offenbarung 1,9-18

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Liebe Gemeinde,

heute ist ein Text aus der Offenbarung des Johannes als Predigttext vorgeschlagen. Vielen ist die Offenbarung offen bar ein Buch mit vielen offenen Fragen, oder wie es in ihr selbst heißt, mit sieben Siegeln. Es geht um die Berufungsvision des Johannes. Diese Vision ist wie überhaupt die ganze Offenbarung voller Bilder, deren Sinn uns gut 1900 Jahre nach ihrer Niederschrift nur schwer erschließt. Doch gemeinsam mit ihnen möchte ich heute einen Versuch unternehmen. Den Predigttext finden sie auch auf ihren Zetteln abgedruckt:  

9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus.

10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune,

11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.

12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter

13 und mitten unter den Leuchtern einen, der war  einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.

14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und  seine Augen wie eine Feuerflamme

15 und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen;

16 und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht.

17 Und als ich ihn sah,  fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte

18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Liebe Gemeinde,

so ein Text haut einen ja ganz schön um. Diese vielen Bilder und dieser kleine Lebenslauf des Johannes. Da fehlt der Durchblick und wie ein Nebelschleier legen sich die Worte und Bilder über die eigentliche und wirklich umwerfenden Botschaft des Sehers Johannes. Doch am besten ist es, man geht bei solchen Texten Stück für Stück vor um in die Tiefe zu dringen.

Sie alle haben hoffentlich eine Abbildung aus der Bamberger Johannes Apokalypse (siehe rechts). Diese Bilder sind um das Jahr 1000 - 1020 in einem Benediktiner Kloster auf der Insel Reichenau entstanden. Das Bild, was sie in Händen halten, zeigt die Berufungsvision des Johannes. Johannes bekommt vom erhöhten Christus seinen Auftrag. Die sieben Leuchter stellen die sieben Gemeinden dar, an die Johannes die ihm übermittelte Botschaft schreiben soll. Das Schwert im Munde des Christus weist auf die Macht des Wortes Gottes hin, so wie es auch im Hebräerbrief beschrieben wird: Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es schneidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne.(Hebräer 4,12)

Die sieben Sterne an der linken Hand des Christus sind die sieben Engel der Gemeinden, an die die Sendschreiben gehen.

Über Johannes wir zu Anfang auch einiges berichtet: Es ist nicht der Apostel Johannes oder der Verfasser des Johannes-Evangeliums. Er ist wegen seines Glaubens und seiner Verkündigung von Jesus Christus auf Patmos verbannt worden, eine kleine Insel dem kleinasiatischen Festland im Agäischem Meer vorgelagert. Die Römer schickten dort oft Leute hin, die ihnen unbequem waren. Er war sozusagen mundtot gemacht worden.

Und doch hatte er gerade dort dieses Erlebnis mit Jesus Christus. Spüren wir diesem Erlebnis nach. So fremd es uns auch erscheint. So wenig wir uns vorstellen können, wie das Erleben einer solchen Berufungsvision für Johannes war. Denn trotz aller Fremdheit begegnet uns in den Worten des Johannes die Botschaft Gottes in Christus.

Scheinbar war Johannes zunächst nicht dazu bereit, die fremde Botschaft aufzunehmen. Am Sabbat, dem Tag des Herrn begegnete ihm Christus. Johannes spürte wohl seine Nähe, hörte die Worte, doch er musste sich erst umdrehen, um den Sprecher zu erkennen. Umdrehen, die Richtung wechseln, seinen Blick und seinen Gang wenden. Oftmals Dinge, die auch uns weiterhelfen, wenn wir in eine Sackgasse geraten sind, wenn unser Leben wie verpfuscht ist. Umkehren, vom falschen Weg. Die Warner und Rufer haben wir meist hinter uns gelassen. Gehen weiter, ohne nachzudenken. Rennen mit sehenden Augen auf die Katastrophe zu. Die Erfahrung lehrt uns, dass es oft hilfreich ist, in solchen Situationen mal zurückzublicken, oder den Blick in eine andere Richtung zu wenden.

Es gibt genug Situationen in unserem privaten, wie aber auch öffentlichen Leben und dem Miteinander und Gegeneinander von Staaten in dieser Welt, wo ein solches Verhalten hilf- und segensreich wäre. Christus will unseren Blick wenden, weg von den Dingen, die uns in die Irre leiten, hin zu ihm, der uns zum wahren Leben führen will. Manchmal muss selbst Christus eine großes Getöse und eine ziemlich gute Show bringen, damit wir auf ihn aufmerksam werden und uns Augen und Ohren aufgehen.

Es war ein wahrhaft umwerfendes Erlebnis, was Johannes da hatte. ER schreibt selber, dass er zu den Füßen Christi wie tot umfiel, als er ihn sah. Er gleicht damit Mose und allen anderen, die Gottes Angesicht nicht sehen konnten, weil es sie sonst in seiner Macht und Herrlichkeit getötet hätte. Oft bringt uns die Erkenntnis unserer Fehler nicht nur aus dem Konzept, sondern auch zu Fall. Wenn wir sehen, dass unser bisheriges Leben wie ein Scherbenhaufen zerbricht, wenn alles, was in unserem Leben wichtig war, wie eine Seifenblase zerplatzt. Die Erkenntnis haut einen nicht nur um, sie macht kraft- und mutlos. Als ob mit einem Schlag alle Lebensgeister aus uns weichen und wir nicht mehr als ein Häufchen Elend sind.

Gefallene Menschen, gefallene Staaten sogar sind leichte Opfer. Man kann ihnen die Bedingungen diktieren. Namen haben diese Ereignisse: Üble Nachrede, Mobbing, Kampf der Kulturen, Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wir finden diese Ereignisse im Kleinen bei uns wie im Großen zwischen Ländern. Und doch sind Mechanismen, die da ablaufen, fast immer die gleichen.

 Manchmal siegt noch die Verzweiflung. Wie von Sinnen schlagen wir um uns, sind keine klaren Gedanken mehr zugänglich, doch letztlich zögert dieses letzte Aufbäumen den Fall nur um einige kurz bemessene Zeit hinaus. Und das Diktat der Aufgabebedingung wird dadurch nur noch härter.

Wenn diese Situation so bleibt, brodelt es in den Menschen. Sie fühlen sich verletzt, herabgesetzt, kleingemacht. Immer wieder kommt es dann zu Auf- und Ablehnung. Oft bis zur Selbstzerstörung. Oder der Zerstörung durch andere. Man wird krank, an Leib und Seele, im Rechtwesen und im miteinander mit anderen, zu dem man nicht mehr in der Lage ist.

Johannes macht hier die entscheidende Erfahrung. Die entscheidende Erfahrung, die ihm zeigt, mit wem er es zu tun hat. Und die meines Erachtens für das Verstehen seiner Offenbarung in all ihrer Fremdheit leitend ist. Er, der am Boden liegt, unfähig sich selbst zu helfen oder gar auf die Beine zu kommen, er macht die tröstende, ja mehr noch, die heilende Kraft der Begegnung mit Christus. Er wird nicht weiter auf den Boden gedrückt, er soll seinen Kopf nicht weiter gesenkt halten. Er macht die aufrichtende Erfahrung der Gegenwart Christi. Christus legt seine rechte Hand auf ihn. Als ob er ihn sanft streichelt und ihm so die Angst nehmen will. Also ob Christus ihn in die Arme nimmt und ihm dann diese Worte mit Liebe zuspricht: „Fürchte dich nicht!“ - Worte wie diese sind es, die uns in aussichtsloser Situation erst mal durch atmen lassen, die uns zu Kräften kommen lassen, die uns helfen unsere Augen wieder auf zu heben und unserem Gegenüber wenn auch mit verweinten Augen, so doch mit dem Schimmer der neugeborenen Hoffnung wieder in die Augen zu schauen.

Und was Christus dann sagt, ist der Trost, der unser ganzes Leben erfüllen will und kann, wenn wir uns ihm anvertrauen: „ Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige: Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“

Daran können wir wirklich erkennen, wem wir begegnen. Dass Christus nicht einer ist, der von uns Unterwürfigkeit verlangt, der uns umwirft aus unserem Leben. Er will uns auf unsere Füßen stellen, neuen Halt und neue Hoffnung geben, die die Grenze unseres Leben gar überschreitet.

Dieser uns so fremde Christus ist der Gleiche, wie er den Menschen zu Lebzeiten begegnete, Der Diener aller Menschen ist zugleich der Herrscher über Himmel und Hölle, der erbärmlich sterbende Mensch am Kreuz ist zugleich der Herrscher der Herrlichkeit über Tod und Leben. Er hat die Schlüssel dazu in der Hand.

Liebe Gemeinde,

ich denke, diese Erkenntnis kann auch der Schlüssel zum Lesen und Verstehen der Offenbarung in all ihrer Fremdheit sein. Sie will uns umwerfen. Sie will uns aufrichten. Wenn uns hier von Jesus Christus in einer seltsamen Fremdheit berichtet wird, so ist es doch der Gleiche, der Kranke geheilt und Tote lebendig gemacht hat.

Der Schlüssel zur Erkenntnis der Worte Johannes sind in Christus selbst verborgen, seiner umwerfenden und doch aufrichtenden Botschaft seiner Liebe und seines Sieges über den Tod.

 Und der Friede Gottes, ……

 Amen

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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