Predigt am Ewigkeitssonntag, 26. November 2006, Jesaja 65, 17ff

Gnade sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt, dem Vater dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Liebe Gemeinde!

Eine Woche mit schlechten Nachrichten liegt hinter uns. Nachrichten, die uns erschreckten, sprachlos machten. Emsdetten und Bagdad, Irak. Der letzte Ort, viele nehmen die 200 Toten nach den Anschlägen mit einem Achselzucken zur Kenntnis. Wir haben uns an diese Botschaften aus dem Irak gewöhnt. Nicht so Emsdetten. Der Amoklauf des Sebastian Bosse, die 37 Verletzten, seine Selbsthinrichtung. Der Schrecken sitzt tief. Emsdetten ist nah, noch näher als Erfurt vor vier Jahren, als Robert Steinhäuser sich selbst und 16 Menschen in den Tod riss. Erklärungsversuche allerorten. Es wird nach Verboten geschrieen. Doch die Wurzel des Übels liegt tiefer. Nicht nur in irgendwelchen brutalen Computer-Spielen. Nicht in irgendwelchen religiösen Gegensätzen. Das Übel liegt tiefer. Es liegt in uns Menschen. In jedem von uns. Meist ganz tief, im Verborgenen. Wir nehmen es nicht wahr. Oder verdrängen es. Jeder von uns trägt die Möglichkeit zu solchen Taten in sich. Nur bei wenigen bricht das Übel in teuflischer Weise tödlich auf. Die Verhältnisse sind es, die Verstand und einen letzten Rest von Menschlichkeit irgendwann ausschalten. Selten plötzlich, eher wie aus einem tiefen Schlaf erwacht. Und das Übel in uns sorgt für schlechte Nachrichten – Todesnachrichten.

Es sind diese Nachrichten, die uns am meisten erschrecken. Wenn wir vom Tod hören. Besonders wenn er uns nahe kommt und berührt. Und ganz besonders, wenn solche Todesnachrichten von Menschen sprechen, die wir lieben, die uns nahe sind. Die gestorben sind weil ihre Lebenszeit abgelaufen war. Die Dauer dieser Zeit haben wir nicht in der Hand. Vielen von ihnen ist es im vergangenen Jahr so gegangen. Manchmal kam die Todesnachricht plötzlich, manchmal war man dabei, als der Tod in unser Leben trat. Oft war die Todesnachricht aber schon lange erwartet worden. Und wurde schließlich sogar mit Erleichterung aufgenommen.

Und erkennen in solchen Momenten: Der Tod ist das Grundübel, das in jedem von uns schlummert.

Der Tod ist in uns. Wir sind des Todes. Von jedem von wird es einmal die Todesnachricht geben. Irgendwer wird sie einem anderen überbringen. Und die Tränen – für die, die zurückbleiben.

Wir hätten lieber andere Nachrichten. Nachrichten, die vom Leben sprechen. Vom Sieg des Lebens über den Tod. Die dem Tod ein Schnippchen schlagen. Es gibt sie, diese Nachrichten – von gelungenen Operationen – von vermiedenen Anschlägen – von Friedensschlüssen die keiner erwartet, wenn auch auf Zeit, wie der Beschluss sich nicht mit Raketen zu beschießen wie Israeliten und Palästina. Doch wir wissen – die letzte Nachricht von uns, ist die Nachricht unseres Todes. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass sie nach langem, erfüllten Leben erst kommt.

Wir hätten lieber andere Nachrichten. Und wir wissen sogar, wo wir sie finden können. Allein ist unser Glaube an sie zu klein. Hören wir eine solche andere Nachricht. Keine Todesnachricht – sondern eine Lebensnachricht, von dem, der das Leben schenkt:

Hören wird den für heute vorgeschlagenen Predigttext aus Jesaja 65, 17-19 (nach der Guten Nachricht)

17 Der Herr sagt: „Alle Not wird vergessen sein, ich bereite ihr ein Ende. Alles mache ich jetzt neu: Einen neuen Himmel schaffe ich und eine neue Erde. Dann sehnt sich niemand nach dem zurück, was früher einmal gewesen ist; kein Mensch wird mehr daran denken.

18 Freut euch und jubelt ohne Ende über das, was ich nun schaffe! Ich mache Jerusalem zur Stadt der Freude und seine Bewohner erfülle ich mit Glück.

19 Ich selbst will an Jerusalem wieder Freude haben und über mein Volk glücklich sein. Niemand wird mehr weinen und klagen.

 Liebe Gemeinde!

Das sind schöne Worte. Ich kann sie gar nicht oft genug hören. Sie wecken in mir die Sehnsucht und die Hoffnung. Sie reden vom Ende der Not. Jeder Not, die vorstellbar ist. Vom kleinsten persönlichen Leid bis zur umfassenden globalen Katastrophe. Das Gott dem ein Ende bereiten wird. Allein diese Nachricht ist schon schön genug. Keine Not mehr – keine Klimaveränderung mehr – keine Stürme – kein Hochwasser // keine Armut – kein Hartz IV – kein Hunger // keine Gewalt mehr – keiner der die Waffe gegen einen anderen erhebt – keine Schläge mehr // kein Leiden mehr – kein quälender Krebs – keine schleichende Demenz. //

Als ob das nicht schon genug wäre. Als ob die Hoffnung auf ein langes und erfülltes Leben und einen gnädigen Tod nicht ausreicht - legt Gott noch eins drauf.

„Ich mache alles neu!“

Wir Menschen neigen dazu, vieles neu zu machen. Manchmal durchaus mit Sinn. Einen neuen Anfang, wenn wir uns verrannt haben, wenn unser Leben oder Leben vieler in eine Sackgasse geraten ist. - Ein neuer Anfang fällt aber auch schwer, ist manchmal wie unmöglich. Wer lange ohne Arbeit ist – wer kann da neu anfangen, wenn er nicht mehr weiß, wie das geht, arbeiten und regelmäßig aufstehen? Wer macht schon einen neuen Anfang nach 40 oder 50 oder 60 und noch mehr Jahren gemeinsamen Lebens? Wenn der Lebenspartner nicht mehr da ist und das Leben ohne ihn oder sie so leer ist. Wer hat noch die Kraft dazu?

„Ich mache alles neu!“ sagt Gott uns zu. Jedem hier. Er macht einen neuen Anfang. Mit Himmel und Erde. Krank und verbraucht ist unsere Erde. Und wir tragen unsere Schuld daran. Machen diese Welt selber krank. Denn verbrauchen kräftig unsere Welt. Wir konsumieren sie. Ohne Nachdenken. Maßlos. Vergessen, dass wir nur diese eine Erde haben. Wir kennen die kranken Orte dieser Welt. Tschernobyl, Lagos, aber auch einige kranke Stellen hier in Duisburg. Berzelius. Wir versuchen sie blank zu polieren, unsere Therapien sind höchst bedenklich und verzögern das Leiden nur um eine kleine Zeit. Neu können wir gar nichts machen. Und das Ende scheint näher zu kommen.

„Ich mache alles neu!“

Unsere Versuche, die Schöpfung neu zu erfinden, sie überzeugen nicht. Unser Machbarkeitswahn. Neue Pflanzen – neue Tiere – neue Medikamente – neue Technik – Synonyme für die Schon neue Welt – Fehlerlos - Perfekt lieblos und ---gottlos.!

„Ich mache alles neu!“

„Früher war alles besser, Herr Pfarrer, da konnte man sich abends noch auf die Straße trauen, da gab es nicht soviel Habgier unter den Menschen. Da kümmerte man sich noch um den Nächsten. Ach, diese Welt ist nicht mehr, was sie mal war.”

Oft höre ich diese Worte des Klagens und des Weinens. Worte, die die alte Welt wieder zurückwünschen. Und meine leise Frage, ob denn wirklich alles besser war, verhallt oft ungehört in den Räumen, wo wir uns begegnen. Dabei hat diese Sehnsucht ihr Recht. Doch diese alte Welt, diese Welt von gestern, die möchte ich nicht wiederhaben. Es gibt eben zu viel in ihr, worüber wir Klagen und Weinen können. Man mag den „guten alten Zeiten” nachweinen. Doch wird die jetzige Zeit vergessen, das heute wird zur Qual

 „Ich mache alles neu!“

Es fällt uns so schwer unser Schicksal aus der Hand zu geben. Dem Vertrauen zu schenken, der uns zu sagt:  Einen neuen Himmel schaffe ich und eine neue Erde. Der beschlossen hat, dass die Stimme des Klagens und des Weinens aufhören wird. In unseren Häusern, im Krankenhaus, im Hospiz. Der beschlossen hat, dass keiner mehr als Kind oder Greis sterben wird. Der beschlossen hat, allen Todesnachrichten ein Ende zu setzen. Ein für allemal. Und das diese Nachrichten ihre Bedeutung verlieren. Sosehr, dass wir uns nicht mehr an sie erinnern. Einen neuen Himmel schaffe ich und eine neue Erde. Oder um es begreiflicher zu sagen: Ich schaffe einen neuen Anfang. Für Himmel und Erde. Für die Schöpfung. Für jeden Einzelnen von uns. Allein der Glaube daran, der will uns nicht gelingen. Denn die Todesnachrichten dieser Welt übertönen mit ihrem Geheule und Gebrülle Gottes zärtliches Werben um unseren Glauben an ihn. Weil wir unseren Augen nicht von dem Leid dieser Welt wenden können, sehen wir nicht die Hoffnung, die in uns einpflanzen. Hoffnung, die das tödliche Übel in uns verdrängen will.

Unsere Ohren hören nicht wirklich die Worte seiner Liebe zu uns, die in Jesus Christus in dieser Welt Gestalt gewann. In Wort und Tat: Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden, sagt Jesus zu uns. In der Begegnung mit ihm geschieht schon jetzt was Gott angekündigt hat: Ich mache alles neu. Ich mache dich neu! Paulus wusste es: Er schreibt: Ist jemand in Christus, so ist er einen neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden! Er hat die Neuschöpfung an eigenem Leibe erfahren.

Am Ostersonntag begann mit Christi Auferstehung Gottes Wort wahr zu werden: Ich mache alles neu! Das ist die Lebensnachricht, die Gott gegen die Todesnachrichten dieser Welt gesetzt: Sein Sohn Jesus Christus, unser Bruder. Neues Leben kann beginnen, wo diese Nachricht unser Ohr und unseren Verstand und unser Herz erreicht.  Ein neuer Anfang ist gemacht von Gott. Und jeder kann in Christus neu beginnen. Und das schöne und tröstliche für mich ist auch, dass ich mich nicht abhetzen muss. Dass der neue Anfang nicht wie ein verpasster Zug am Horizont verschwindet. Dass ich ihn jeden Morgen neu machen kann,. Wenn ich meine Augen aufmache. Dass ich ihn sogar finden kann, wenn ich die Gräber meiner Lieben besuche.

Niemand wird mehr weinen und klagen. Verheißt uns unser Vater. Wenn das kein Grund zur Freude ist, kein Grund zum Jubel über das, was Gott schaffen wird. Ich weiß, es fällt vielen von uns schwer. Es geht auch nicht darum, von jetzt auf gleich in Jubel auszubrechen. Es reicht aus, diesen Gedanken in uns, diesen Glauben in uns zu zu lassen. In Gott trotz allem Leide Freude zu finden. Wenn wir das schaffen, mit Gottes Hilfe, dann wird auch das Gründübel in uns, unsere Todesverbundenheit besiegt. Und wir spüren, wie die Freude über Gott und über seine Lebensnachricht: Ich mache alles neu zu wachsen beginnt. Wie sie uns langsam verwandelt und zu neuen Menschen macht. Menschen, die unter der Gnade Gottes leben im Wissen, von ihm neu geschaffen zu werden.

Und der Friede Gottes…

Pfarrer Jürgen Muthmann

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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