Predigt über Amos 5,21 -24 zum Sonntag Estomihi, 26.2.2006

Duisburg Helau –

Es ist Karnevalszeit. Morgen ist für alle Karnevalsjecken der höchste Feiertag im Jahr. Und spätestens seit Donnerstag hat der Frohsinn in den Karnevalshochburgen Hochkonjunktur. Und manch einer erinnert sich an den Seniorenkarneval vor 10 Tagen hier in diesem Raum (Gemeindehaus am Vogelsangplatz 1, 47055 Duisburg). Es war geschmückt, es war gedeckt, es wurde geschunkelt und gelacht. Und auch der Duisburger Prinz Robert der Erste ließ sich hier blicken. Eben: Duisburg Helau –

Und heute ist Sonntag. Es ist Gottesdienst. Halleluja.

Gut, ich gebe zu, es könnte mehr los sein. Ein wenig mehr Begeisterung könnte manchmal nicht schaden. Doch sollten wir nie vergessen: Gottesdienste wollen gefeiert werden – doch diese Feier geschieht nicht aus Spaß und Heiterkeit - sondern Gott zu Ehren. Gefeiert wird seine Liebe zu uns. Und jeder der geliebt hat, weiß, dass lieben viel mehr ist, als verliebt zu sein. Liebe hat nicht nur helle Seiten. Liebe bewährt sich gerade in den dunklen Zeiten. Erst dann können wir sagen – Halleluja.

Gott hat sich immer wieder in seiner Liebe bewährt – nur wir Menschen haben damit große Probleme - zu allen Zeiten.

Es gab eine Zeit in Israel, da dachte die zuständige Tempelbehörde: Mit einem guten Fest, Stimmung und Tanz, guter Musik und gutem Essen, da lassen sich nicht nur die Menschen gnädig und freundlich stimmen. Auch Gott wird das gut finden und seinen Gefallen an wohl überlegten Festivitäten haben. Mit guten Reden und ab und zu einem bunten Umzug – und viel Gejubel – wie kann Gott da schlecht gestimmt sein. Doch das Festkomitee des Tempels in Samaria machte seine Rechnung ohne Gott und seinen Propheten Amos.

Denn längst ekelten diese Feste Gott an. Sie stanken zum Himmel. Und vom Gestank des angeblichen so lieblichen Opferfleisches auf den Brandaltären hatte Gott längst die Nase voll. Die laute Musik dröhnte nur noch in seinen Ohren und die bunten Gewänder der Priester und Tempelbeamten schmerzten in seinen Augen. Es war Zeit geworden, diesen Heuchlern die Leviten zu lesen. Und nicht durch wohlgesetzte Worte einer Büttenrede – sondern mit Worten des Zorns und der Wut. Und Gott schickte seinen Propheten Amos los, keine kostümierte Marionette -gekleidet in einfacher Hirtenkleidung brachte er das Wort Gottes auf die Tempelbühne – Hart und entschlossen:

P-Text: Amos 5,21 - 24 (nach der Übersetzung der Guten Nachricht)

21 Ich hasse eure Feste und kann eure Feiern nicht ausstehen und nicht mehr riechen. 22 Eure Brandopfer und Speiseopfer sind mir zuwider, das gemästete Vieh, das ihr für das Opfermahl schlachtet, kann ich nicht mehr sehen. 23 Hört auf mit dem Geplärr eurer Lieder! Euer Harfengeklimper ist mir lästig! 24 Sorgt lieber dafür, dass ein jeder zu seinem Recht kommt! Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen wie ein Strom, der niemals austrocknet.

Stille machte sich breit – die gute Stimmung war dahin, jäh war aus lautem Überschwang lähmendes Entsetzen geworden. Ratlose Blicke wurden hin und her geworfen. Unruhe machte sich breit. Erste Stimmen waren zu hören. Schickt ihn weg, diesen Blender. Steckt ihn in den Kerker – diesen Unheilspropheten. Wir lassen uns das Feiern nicht verbieten…..

Was für eine Ironie: Da hält das Volk Israel Gott zu Ehren schöne Gottesdienste und große Feste,  - und ein dahergelaufener Hirte und bekannter Querulant sorgt für einen handfesten Skandal. Die Tempelbehörde kann es nicht begreifen: Das soll Gottes Antwort sein: Ich hasse eure Feste….

In die ungläubigen Gesichter der Festbesucher steht das Entsetzen geschrieben: All das gute Fleisch, 1a und völlig gesund, dass ist Gott zuwider….

Die Stimmung ist dahin, zum Weiterfeiern hat kaum noch einer Lust, die feierliche Gesellschaft beginnt sich aufzulösen. Der Tag ist gelaufen. Man stelle sich vor, der Rosenmontagszug morgen in der Stadt oder gar in Köln kommt zum Erliegen, die Stimmung ist am Boden, die Leute gehen wutentbrannt nach Hause. Karneval ist gelaufen….

Was war damals geschehen? Warum griff Amos zu solch drastischen Worten? Was wollte Gott eigentlich?? Um Amos richtig zu verstehen, müssen wir in seine Zeit reisen.

Amos lebte um 750 v. Chr. Also gut 2750 Jahre vor unserem heutigen Tag. Politisch schien Israel wieder auf dem richtigen Wege zu sein. Es war wieder zu einem bedeutenden Machtfaktor zwischen dem Assyrischen Reich im Osten und dem Ägyptischen Reich im Süden geworden. Und viele Kriegszüge in die umliegenden Länder vergrößerten das Reich. Kein Wunder, dass damals in Israel Hochkonjunktur herrschte. Wie sooft nach erfolgreichen Kriegen. Wichtige Handelsstraßen kontrollierte das israelitische Königsreich. Der Handel blühte. Das Handwerk florierte. Israelitische Güter waren bei den Nachbarn beliebt. Man zahlte einen guten Preis dafür. Es wurde gebaut. Die Architekten waren die bestbeschäftigten Fachleute des Landes. Weinbau und Viehzucht waren überaus ertragreich, ein Muss für die rauschenden Feste, die vielerorts gefeiert wurden.  Auch die Kunst und Musik entwickelte sich weiter. Oberflächlich betrachtet schien alles in Ordnung. Doch sobald man genauer hinschaute, zeigten sich bald hässliche Flecken auf dem sonst so schönen Kleide des Staates mit seinem König Jerobeam II. Betrug und Bestechung nahmen zu. Aufträge mussten gesichert werden. Und so scheuten sich viele nicht, die Beamten des Reiches zu schmieren. Aber noch schlimmer  war das zunehmende Unrecht im Reiche Jerobeams II. Reiche wurden reicher, Arme immer ärmer. Kleine Grundbesitzer wurden enteignet, weil Großgrundbesitzer mit noch größeren Gütern sich Synergieeffekte und noch mehr Reichtum versprachen. Ehemals freie Kleinbauern wurden zu abhängigen Lohnarbeitern. Leiharbeiter zu Sklaven. Und Richter sprachen Recht für den, der sie mit Geld am Besten schmierte. Und die meisten Rendite machte der, der seine Arbeiter am Besten ausbeutete.

Man hatte Grund zum Feiern. Die Herren und Damen in den Konzernleitungen hatten Grund zum Feiern. Ausgiebig. Da ging es hoch her. Und damit alles rechtens war, luden sie sich in Gottes Haus ein und feierten Gottesdienste. Die Hohenpriester und ihre Tempeldiener spielten gerne mit. Nicht so beschaulich und langweilig wie bei uns ging es zu. Mit lautem Gesang und freizügigem Tanz. Mit blutigen Opfern und mächtigen Festessen. Prächtig festlich. Alles für „ihren“ Gott. Der trug in ihren Augen ein goldbesticktes Kleid und Ketten  - Brilliantenbesetzt. Königlich - stark Es war ein Gott nach ihrem Bilde und das war abhängig von dem, was hoch im Kurs stand. Ihre Selbstgefälligkeit sprach Bände, das Unrecht schrie zum Himmel und der dem sie alles verdankten, den hatten sie längst aus ihren Häusern und noch schlimmer, aus ihren Herzen ausgeschlossen.

Bei diesen Leuten tritt Amos auf und belehrt sie eines Besseren. Er bringt die Botschaft Gottes: Ich hasse und verachte eure Feste - eure Gottesdienste. Niederschmetternder kann das Urteil für die Festgesellschaft nicht sein. Der Kurs sackt in den Keller, die Jubel verstummt,  zerstört die Feststimmung.

Eure Opfer stinken zum Himmel, ich kann sie nicht mehr sehen. Die Bissen des Festgelages bleiben dem Festkomitee im Halse stecken. Das jeden Opfergottesdienst abschließende Mahl wurde zum Gewürge. Der liebliche Gesang der Chöre- nur Geplärr in den Ohren Gottes - die lieblichsten Lautenklänge - nur Gedröhn, nicht besser als das Blöken der Schafe und Kühe, die angsterfüllt geopfert wurden. Amos gibt nicht nach: Eure Beamten könnt ihr bestechen - mich aber nicht. Meine Gnade ist nicht käuflich - Eure Huren könnt ihr für ihre Liebe bezahlen. Meine Liebe könnt ihr nicht durch schöne Worte euch erschleichen.

Die Worte des Amos sind klar. Sie lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Glasklar wie Quellwasser ist Gottes Forderung: Gerechtigkeit soll jeder bekommen - Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen, wie ein nie versiegender Bach. Ein Wunder für das trockene Israel. Bäche und Flüsse führten wenig oder gar kein Wasser. Nur nach Regenfällen, schwollen die Wasserströme an. Der Grund für Gottes Zorn ist leicht zu finden: Gerechtigkeit - zur Zeit Amos war sie ein Wunschtraum. Erschwinglich nur für die, die sie bezahlen können.

Und die, die Geld hatten, dachten sie wären von Gott gesegnet. Er hätte all das in ihre Hände gegeben – aus Liebe. Sie merkten nicht, dass der Glaube nur ihre eigene Raffgier legitimierte. Die Gottesdienste waren Abbilder der herrschenden Ungerechtigkeit. Sie waren unter sich, die Reichen und Einflussreichen, die Armen und Tagelöhner mussten draußen stehen. Denn die Dicke des Portemonnaie  entscheidet über die Liebe Gottes. Welch ein Irrglaube!

Das Festkomitee aus Priestern und Beamten, aus Königshaus und Geldadel wusste genau, was diese Worte heißen. Keine Bestechung - Recht den Rechtlosen - Schützt die Witwen und Waisen - Wehrt der Enteignung der Kleinbauern - zahlt gerechte Löhne - Schützt die Fremdbürger - Und vor allem: Haltet die Gebote Gottes ein. Doch die Umsetzung dieser göttlichen Forderungen hätte ihre Privilegien gekostet. Aber all das lag Gott am Herzen, mehr als die schönsten Gottesdienste. Das wollte Gott sehen und hören, dass Recht und Gerechtigkeit wieder in seinem erwählten Volke ihren Platz haben.

Es ist nicht überliefert, ob Gott Gehör fand. Der Prophet Jesaja klagt einige Jahre später die gleichen Missstände an. Die Überheblichkeit der Herrschenden führte schließlich in die Zerstörung des Landes und die Verbannung, die Amos schon androhte. Zurück blieben nur Trümmer. Aus blühenden Landschaften waren unfruchtbare Steppen und Wüsten geworden

Doch was bedeutet das für uns heute? Hören sich die Worte des Amos heute etwa so an?

Ich hasse, ja ich verachte eure Feste und Feiertage. Eure Gottesdienste kann ich nicht ausstehen. Dazu noch euer Gesang und das Gedröhn der Orgel. Mit lauter Stimme wollt ihr mich loben und preisen, sülzt mir damit nicht die Ohren voll. Das Orgelgetöse schmerzt mir in den Ohren, hört auf damit bevor mir die Trommelfelle platzen. Und kommt mir nicht mit irgendwelchen Bands und moderner Kirchenmusik. All das könnt ihr vergessen, solange ihr das Wichtigste nicht tut. Sorgt für Recht und Gerechtigkeit unter euch. Nicht nur sonntags, sondern jeden Tag. Das ist es, was mir gefällt! Da wollt ihr gute Taten tun, mir zum Gefallen, opfert ein bisschen Zeit und Geld, und meint, das sei genug. Doch damit könnt ihr mich nicht kaufen. Da habt ihr euch geschnitten. Da macht ihr Dankgottesdienste, weil ihr eure Kirche umgebaut habt. Denkt ihr noch an die, die wirklich Hilfe brauchen?? Da beweihräuchert ihr euch selbst, statt mein Wort in die Tat umzusetzen??

 Liebe Gemeinde! Ehrlich! Meint Amos auch uns? Sind wir nicht anders als die Festkommitees vor 2700 Jahren? Schauen wir nicht nach Gerechtigkeit unter uns....? Bei uns ist doch alles besser, oder??

Irgendwie habe ich das Gefühl, wir dürfen es uns nicht so leicht machen mit diesen Worten. In der Regel übertreiben wir es in unseren Gottesdiensten nicht mit der Feierlichkeit. Unser Gesang ist mal mehr, mal weniger gut, und wir haben einen guten Organisten in Wanheimerort. Heute ein guter in Vertretung. Festgelage enden als Kirchencafé oder gemeinsames Mittagessen. Mit seltenen Ausnahmen bei Gemeindefeste. Jeder darf zu uns kommen. Es gibt keine Einlasskontrolle.

Viele bringen ein Opfer in Form der Kollekte und von Zeit für einen meist guten Zweck. Ob es genug ist, bleibt dahingestellt. Gott kaufen, ich glaube das wollen die wenigsten von uns. Sind wir nicht Gott gefällig?? Er kann doch nicht viel an uns auszusetzen haben....

Liebe Gemeinde!

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das zu kurz gedacht ist. Recht und Gerechtigkeit sollen strömen, sagt Gott. Tun sie das, heute? Schauen wir uns um. In der Welt – in Europa – in unserem Land – in unserer Stadt. Jeder von uns könnte genug Ungerechtigkeiten benennen. Viele fühlen sich nur wie ein kleines Sandkorn, unfähig die Maschinerie der Ungerechtigkeit zu stoppen, wenn sie sich breit macht. Von der Politik der großen Welt ganz zu schweigen. Doch zuletzt blicken wir auf uns hier in unserer Gemeinde – auf uns selbst.

Und genau darum geht es Amos in Gottes Namen: Um Gerechtigkeit, die bei uns beginnt, die aus dem Glauben entspringt und so Gott ehrt und preist. Schon mit dieser Gerechtigkeit haben wir Probleme. In unserer Gemeinde gibt es genug Ungerechtigkeiten, Missverständnisse. Gewollt und ungewollt. Man redet darüber und sucht nach Lösungen, aber vieles wird verschwiegen und manch einem geht man aus dem Wege. Mancher Konflikt und manche Ungerechtigkeit wird totgeschwiegen oder gar als Unfähigkeit und Selbstverschulden des anderen dargestellt. Wir sehen den Splitter im Auge des Nächsten, doch der Balken vor unseren Augen bleibt unentdeckt.

Wir können froh und dankbar sein, dass wir uns heute und hier versammeln dürfen, um Gottesdienst zu feiern und Gott ehren. Hier ist der Ort, um mit der Gerechtigkeit zu beginnen. Dem Nächsten in die Augen zu schauen, weil wir uns in der Nähe Gottes wissen. Dazu sind keine pompösen Gottesdienste nötig, Gott will unser ehrliches Tun, nicht unsere geheuchelte Frömmigkeit.  Und die fängt hier und heute an und will in die Gemeinde und in die Welt getragen werden.

Und wir haben großes Glück gegenüber den Menschen zur Zeit Amos. Denn wir kennen Jesus Christus. Wir wissen von Gottes Liebe zu uns. Wir haben von seinem Reich der Liebe und der Gerechtigkeit gehört. Wir wissen, dass Gott unseren Glauben stärken, uns auf den Weg der Gerechtigkeit führen will. Wir wissen durch Christus, dass Gott uns nicht loslässt. Er will uns auf den Weg der Gerechtigkeit führen. Allein müssen wir uns führen lassen. Wir müssen unsere Hände ihm entgegenstrecken.

Ach ja und der Karneval…. Gott hat uns nicht verboten ausgelassen zu feiern. Wenn es gerecht zu geht und alle teilhaben können, dann ist es gut. Das will Karneval im eigentlichen Sinne. Und übrigens: Helau kommt wahrscheinlich von Halleluja. Und wer in diesem Sinne heute, morgen und übermorgen Karneval feiert, der lobt auch Gott, wenn auch etwas anders als wir heute morgen….

Und der Friede Gottes..

 Amen

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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