Predigt am Heiligen Abend, 24. Dezember 2006, 17.30 Uhr

Gnade sei mit euch von dem der da ist, der  da war und der da kommt, Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Predigt über Lukasevangelium Kapitel 2, Vers 19

(Maria aber behielt alle diese Worte) und bewegte sie in ihrem Herzen…

Liebe Gemeinde!

Ist Weihnachten ihnen eine Herzensangelegenheit? Oder ist dieses Fest nur eines von vielen anderen, die sich übers Jahr verteilt eben so ereignen? Sind sie Weihnachten mit ganzem Herzen dabei oder sind sie in Gedanken Weihnachten schon längst enteilt in Richtung Sylvester und neuem Jahr?Bricht Weihnachten ihnen das Herz oder ist nur die Leere im Portemonnaie besonders schmerzlich? Geht ihnen an Weihnachten das Herz auf, oder haben sie das Gefühl, Weinachten geht an ihnen vorbei?

Sie vermuten richtig, heute geht es um ihr Herz. Nicht nur das Organ, dessen Schlagen für uns lebensnotwendig ist. Auch das Herz als Sitz unserer Seele, unserer Gefühle, was uns als Menschen ausmacht. Es geht darum, woran sie ihr Herz hängen, besonders in diesen Tagen. Und was ihnen besonders wichtig ist. Mich eingeschlossen. Denn wo unser Schatz ist, da ist auch unser Herz. Also ist unser Herz wirklich bei Weihnachten? Haben wir ein weihnachtliches Herz?

Es ist schon ein bewegendes Fest: Weihnachten. Es bringt uns sehr in Bewegung. Nicht nur unsere Herzen, nein auch unsere Füße, unsere Hände, uns selbst. Wie viele Besorgungen mögen sie noch in den letzten Tagen gemacht haben? Hier der nötige Einkauf für die nächsten Tagen. Der Festtagsbraten war zum Glück vorbestellt. Schnell noch ein Geschenk für die Kinder, die Eltern, die Freunde besorgt. Weihnachten bringt uns so schon ganz schön in Bewegung. Manchmal so sehr, dass wir aus der Puste kommen vor lauter Besorgungen,  letzten Vorbereitungen oder dem unvermeidlichen weihnachtlichem Großreinemachen. Und auch dieser Gottesdienst gehört dazu, sie haben sich hierhin bewegt und werden sich von hier aus wieder nach Hause bewegen. Und vielleicht kommen sie ja hier ein wenig zur Ruhe.

Weihnachten bringt sie eben so in Bewegung, weil es ihnen eine Herzensangelegenheit ist. Aber das ist es nicht alleine, was uns zu Weihnachten in Bewegung bringt. Es ist diese bewegende Geschichte, die wir gerade wieder gehört. Die Geschichte von Jesu Geburt, der Weg Maria und Josefs nach Bethlehem, die Ablehnung durch die Wirte, denn wer wollte schon eine schwangere offensichtlich unverheiratete Frau aufnehmen. Die Geschichte von den Engeln, die sich auf die Erde bewegen um die Hirten in Bewegung zu setzen, die dann auch zum Stall gehen und das Wunder dort sehen. Fern von aller Alltagshektik, fern vom Rummel der glänzenden Städte, fern vom Getöse und Geplärre der Märkte. Es ist dieses Kind in der Krippe, was die Engeln, die Hirten und auch uns in Bewegung bringt. Eine Geschichte, die zu Herzen geht, die unsere Herzen bewegt.

Was aber geschieht, wenn die Hirten gegangen sind und wieder ihre Schafe hüten, was geschieht, wenn die Engeln längst im Himmel verschwunden sind, um zu jauchzen und zu frohlocken? Was geschieht nach dieser Nacht, die doch so viele bis heute in Bewegung bringt?

Ein Satz, ein Bild ging mir in der letzten Zeit besonders nach. Der vorletzte Satz der Weihnachtsgeschichte. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Irgendwie ist er mir bisher nicht richtig aufgefallen. Irgendwie muss ich zugeben, dass ich diesen Satz bisher auch falsch oder zu mindest zu kurz gedacht verstanden habe. Ich dachte an die stolze Mutter, die ihr Kind geboren hat. Trotz widriger Umstände einen lebendigen Jungen zur Welt gebracht hat. Die Mutter, die sich über den Zuspruch der Fremden gefreut hat und die ob solcher Herzlichkeit sichtbar berührt war. Ich dachte, diese ihre eigene Geschichte geht ihr einfach zu Herzen. Wie es solche Herzensgeschichten eben bis heute tun. Aber Maria bewegte alle diese Worte in ihrem Herzen … Bewegen wir die Worte von Jesu Geburt in unseren Herzen…..

Zwischenspiel: J. S. Bach, Sonate g-moll, Adagio (2.Satz)

Der Morgen graut. Ein neuer Tag bricht an. Maria schaut aus dem Stall auf den hellen Streifen, der sich am Horizont abzeichnet und vom Aufgang der Sonne kündigt. Die Hirten waren längs zurück zu ihren Herden gegangen. Sie hält ihren neugeborenen Sohn in ihren Armen. Jesus schläft. Ganz ruhig. Nach der Aufregung in dieser Nacht hat er die Ruhe auch nötig. Maria denkt zurück. An die Tage der Reise. Diese Strapazen. Diese unbarmherzigen Menschen in Bethlehem, die keinen Platz für sie hatten. Sie hatte schon befürchtet, ihr Kind auf der Straße, zu bekommen. Doch dann war da doch noch ein barmherziger Mensch und gab ihnen Raum in diesem Stall. Die Tiere sind warm. Es ist gut. Maria denkt an die Geburt und die Schmerzen. An Josef, wie er sich über seinen Sohn gefreut hat, obwohl er wusste, dass er nicht der leibliche Vater ist. Erst als sie seine strahlenden Augen gesehen hatte, war sie sich sicher, dass Josef der richtige Vater für ihren wunderbaren Sohn ist. Sie denkt an die wildfremden Hirten, die plötzlich da waren, obwohl sie keiner gerufen hat. Sie erzählten von den Engeln, die sie hierhin geschickt hatten, um im Stall den Heiland, den Retter zu finden. Fürchtet euch nicht, hatten die Engel gesagt, euch ist heute der Heiland geboren. Maria achtete genau auf die Hirten und sie sah, wie sie die Gegenwart des kleinen Jesu veränderte. Wie sich ihre faltigen, gegerbten Gesichtszüge plötzlich entspannten. Wie glücklich sie waren und wirklich in Jesus den Retter sahen.

Maria überlegt genau. Sie weiß, dass der Weg für ihren kleinen Jesus nicht einfach wird. Sie nimmt es als Zeichen, dass er im Elend geboren ist, dass die Hirten mit denen keiner was zu tun haben wollte, zuerst durch Jesu Gegenwart geheilt wurden. Maria prägt sich das Gehörte und Gesehene genau ein. Die Worte und die Ereignisse. Maria bewegt alles in ihrem Herzen.  

Mit allen Sinnen und mit allen ihren Gedanken spürt sie: Ihr Sohn ist jemand ganz besonderes. Nicht nur ein süßer kleiner Junge, dessen Anblick die Menschen verzaubert. So wie es alle Babys tun. Maria ist sich nun sicher. Er ist mehr. Wenn solche wunderbaren Dinge bei seiner Geburt schon möglich waren, was würde erst in seiner Macht stehen, wenn er größer geworden ist? Maria weiß, dass sie ein weltbewegendes Kind in ihren Händen hält. Fürchtet euch nicht! Hatten die Engel den Hirten mit auf dem Weg gegeben. Ja, diese Welt ist zum Fürchten. Überall dieser Unfrieden und Ungerechtigkeit. Diese Ausbeutung der kleinen Leuten. Diese Welt braucht jemand, der sie in eine andere Richtung bewegt. Maria sieht klar, dass ihr Sohn diese Aufgabe hat. Und sie sieht seinen Weg bereits vorgezeichnet. Kein glänzender König würde er sein, sondern einer, der bei den Menschen am Rand und im Dunkel ist. Einer, der zu den verzweifelten und den Menschen geht, die sich am Ende fühlen. Einer, der sich denen zuwendet, die nur noch Trauer und Wut, Elend und Hunger im Herzen haben. Nach Liebe und Gerechtigkeit. Und Maria fürchtet sich um ihren Sohn, denn sie ahnt, wo der Weg ihres Sohnes enden könnte. Zu deutlich waren die gegenwärtigen Zeichen. Nicht in der Herrlichkeit, sondern im Dreck, vielleicht sogar im Tod.

Maria denkt an die Worte des Engels, der ihr die Geburt Jesu ankündigte. Und sein Reich wird kein Ende haben… nur dieses Wort blieb übrig von den Engelworten. Eine Hoffnung, ein Ausblick, dass die Geschichte Jesu anders endet, als sie befürchtet.

Maria spürt, die nächsten Tage würden nicht einfach werden. Es gilt erst mal zu überleben. Josef würde das Nötigste tun. Er wollte was zu Essen besorgen. Sie ist müde, sie braucht Ruhe. Sie legt sich ins Stroh, hält ihren Sohn fest im Arm, drückt ihn an ihr Herz. Letzte Gedanken und Bilder gehen ihr noch durch den Sinn, bevor sie dann einschläft. Und im Schlaf bewegt Maria alle diese Worte weiter in ihrem Herzen…….

Zwischenspiel: J. S. Bach, Sonate g-moll, Allegro (3.Satz)

Herzergreifend ist diese Geschichte, die wir alljährlich immer wieder in diesen Tage hören. Die Weihnachtsgeschichte geht uns zu Herzen, sie rührt uns an, ein wenig heile Welt versuchen wir in ihr zu finden und blenden allzu leicht das Dunkle aus, was dieser Geschichte durchaus anhaftet. Herzergreifend ist diese Geschichte, doch in den Tagen nach Weihnachten verblasst sie wieder unter den vielen Ereignissen und unserem Alltag. Wir haben diese schöne Geschichte gehört, sie aber nicht bedacht. Wenn es so ist, hat die Weihnachtsgeschichte zwar unsere Herzen erreicht, aber sie nicht bewegt. Und wenn diese Geschichte nicht unsere Herzen bewegt, dann wird sie ohne Folgen bleiben, wird sie mit der Zeit verblassen und ohne Folgen für unser Leben und unsere Welt bleiben.

Maria aber bewegte all diese Worte in ihrem Herzen….. Das können wir von Maria lernen. Sie sah was geschehen ist mit ihrem Herzen. Man sieht nur mit dem Herzen gut, sagt der Fuchs im Kleinen Prinzen von Antoine d’ Saint Exupery. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Mit dem Herzen sehen wie Maria, heißt dieser Welt ins dunkle Angesicht zu blicken aber im Herzen seine Hoffnung fest auf Gott setzen. Mit dem Herzen sehen, heißt, das Unrecht dieser Welt zu benennen, und auf die Gerechtigkeit Gottes zu setzen. Unrecht, was vielen Menschen in diesen Tagen widerfährt, hier bei uns. Die blendenden Wirtschaftszahlen überblenden die wachsende Armut breiter Bevölkerungskreise. In den letzten Tagen kamen mehrere zu mir mit der Bitte um Hilfe. Es waren mehr als in den Jahren zuvor…. Es waren nur die, die sich trauten….

Mit dem Herzen wie Maria sehen, heißt den Frieden zu leben, den Gott in diese Welt gebracht hat. Nicht zu verzagen Angesichts des Unfriedens allerorten… Mit dem Herzen wie Maria sehen, heißt sich von Gott bewegen zu lassen.

Und Maria bewegte all diese Worte in ihrem Herzen… Weihnachten war ihr eine Herzensangelegenheit. Sie hatte ein weihnachtliches Herz. Sie hatte sicher schon eines vor der Geburt ihres Sohnes. Und sie hielt ihren Schatz auch in ihren Händen. Aber Maria sah, was mit den Hirten geschah, sie erkannte, was die Geburt ihres Sohnes bedeutete. Sie merkte, dass ihr Sohn die Herzen der Menschen bewegte. Dass er sie so verwandelte. Dass sie neugeboren wurden. Mit einem weihnachtlichem Herz, berührt von der Liebe Gottes im Krippenkind, bewegt von der Hoffnung, die in Jesus in diese Welt kam.

Liebe Gemeinde!

Ich wünsche ihnen ein weihnachtliches Herz. Ein Herz, bewegt von der Liebe Gottes im Christuskind. Ein weihnachtliches Herz, dass unsere Augen öffnet und die Welt sieht, wie sie ist: Das helle und das Dunkle in ihr. Ein weihnachtliches Herz ist kein gebrochenes Herz. Es ist ein heiles Herz. Es ist ein Herz, dass von der Hoffnung lebt, die im Christuskind in diese Welt kam. Ich wünsche ihnen nicht nur heute und in diesen Tagen ein weihnachtliches Herz. Sondern das ganze Jahr über. Bewegen sie die Worte von Jesu nicht nur zu Weihnachten in ihren Herzen. Bleiben sie bewegt im Herzen von der Weihnachtsgeschichte. Wer von ihr bewegt wird, der wird von Gott bewegt…….

Und der Friede Gottes bewege unsere herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen

Ich wünsche Ihnen allen Gesegnete und bewegte Weihnachten

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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