Frieden und Schwert - Predigt in der Christvesper
am 24. Dezember 2000 über Matthäus 10,34:
Jesus Christus spricht: „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin,
Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen,
Frieden zu bringen, sondern (das) Schwert.

Jesus spricht: „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde." Ja, sagen wir, lieber Jesus, wozu bist du denn sonst gekommen? Du bist doch der große Friedensbringer: Selig sind die Friedensstifter, sagst du und bist du nicht der größte von allem?

Ja, sagen wir, lieber Jesus, haben denn die Engel auf den Feldern den Hirten nicht vom Frieden auf Erden gesungen? Also, warum sagst du uns gerade an Weihnachten, dem Fest der Liebe und des Friedens solche aggressiven Worte? Widersprichst du dir etwa selber?

Tief unten schlummert der Weihnachtsunfrieden in uns. Bloß nicht aufschrecken. Wir sind hierhin gekommen um ein wenig Frieden zu finden und nicht Unfrieden. Wir sind hierhin gekommen um zur Ruhe zu kommen und nicht unruhig zu werden. Weihnachten - heile Welt - festliche Stimmung. Das Sahnehäubchen auf den heutigen Tag. Wir glauben daran, dass du uns den Frieden bringst.

Das harmlose Kind in der Krippe. Kein friedlicheres Bild ist vorstellbar. Undenkbar, dass das Kind vom Schwert spricht. Doch Jesus sagt: Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Das Wort lässt uns nicht los.

Das Schwert: Doch nicht das, was in Palästina geschwungen wird, das Palästinenser und Juden verletzt - tötet. Doch nicht das Schwert das die ETA im Baskenland gegen Unschuldige führt. Doch nicht das Damoklesschwert, das über so zahlreiche Orte dieser Welt schwebt. Oder die Schwerter, die gesegnet zum Kampf gegen den Feind wurden. Doch nicht das Schwert, das diese Welt und unsere Gesellschaft in Arm und Reich zerteilt. Das Kind und das Schwert, das kann nicht sein. Jesus sag uns, dass das nicht wahr.

Doch Jesus kann nicht lügen: Ich bin gekommen, um das Schwert zu bringen. Wir suchen nach Ausflüchten. Du meinst sicher ein Schwert im übertragenen Sinne. Doch Jesus bleibt dabei: Ich bin gekommen, um das Schwert zu bringen! Das Schwert, das den Tod bringt.

Ja, es hat ihm den Tod gebracht, dem Krippenkind. Er hat das Schwert nicht selbst geführt, es hat sich gegen ihn gerichtet. Das Schwert, dessen Spitze in die Erde gerammt ist, an das er hilflos geschlagen wurde, das ihn nicht mit einem Hieb tötete, das Schwert, an dem er langsam und qualvoll erstickte. Das Kreuz auf Golgatha. Ich bin gekommen, das Kreuz zu bringen, sagt Jesus. Schwert meint genau das, was sonst in der Bibel Kreuz heißt. Lasten tragen, Verletzungen, Leiden, Tod.

Doch heute wollen wir Weihnachten feiern. Fest des Friedens, der Liebe. Da wollen wir nicht an das Kreuz erinnert werden. Doch Jesus bleibt dabei: Ich nicht gekommen, um Frieden zu bringen. Ich bin nicht gekommen, euren faulen Frieden gut zu heißen. Euren faulen Feiertagsfrieden den ihr so gerne zelebriert, zwischen Weihnachtsbaum und Weihnachtsbraten, zwischen Weihnachtsgeschenke und Weihnachtsliedern. Ich bin nicht gekommen, um die Decke des Friedens auf eure zerstrittenen Familien zu legen. Ich bin nicht gekommen, um euren faulen Frieden abzusegnen, mit dem ihr Konflikte und Streitigkeiten zupflastert, mit dem ihr eure Ungerechtigkeiten schön malt. Ich bin nicht gekommen, um euch einen stimmungsvollen „inneren Frieden" zu schenken.

Ich bin gekommen, sagt Jesus, um euer schlechtes Gewissen am Weihnachtsabend zu wecken. Ich bin gekommen, sagt Jesus, um die unfeierlichen Probleme dieser Welt auszuhalten, diese Kriege und Abscheulichkeiten. Ich bin gekommen, um eure Schuld aufzudecken und zu tragen. Ich bin gekommen, um euren gesellschaftlichen und körperlichen Tod nicht zu verdrängen, sondern ihn zu erleiden und zu überwinden. Ich bin gekommen, das Kreuz dieser Welt zu tragen. Ich bin gekommen, um euer Kreuz zu tragen.

Wir sind hierhin gekommen, um Frieden zu finden, doch was finden wir: Das Schwert. Doch das ist ja die Illusion, der Trugschluss unsere große Weihnachtslüge. Das wir all das Elend in uns und unserer Welt an diesem Abend ausblenden wollen. Das wir das Krippenkind ohne das Schwert, das Kreuz haben wollen! Das ist unsere Weihnachtslüge, all den Unfrieden zu vergessen und die heile Welt zu zelebrieren. Die glitzert wie die bunten Kugeln an unseren Bäumen, die nur keine schäbigen Flecken bekommen dürfen. Doch über dem Kind in der Krippe schwebt schon das Schwert und wirft kurz nach seiner Geburt schon die Schatten des Todes auf sein rosiges Gesicht!

Das Kind in der Krippe und der Gekreuzigte. Es ist ein und derselbe!

Wir denken nicht gerne daran. Wir wollen Frieden haben. Weihnachtsfeiern, in gemütlicher Runde, in der Familie, unter Freunden. Vielleicht kommen ja auch deshalb nur ein Viertel aller Christen an Weihnachten in die Gottesdienste. Sie sind zumeist ungemütlich. Sie stoßen einen an zum Nachdenken. Sie stiften Unruhe und Unfriede. Sie lenken ab vom süßen Kind in der Krippe.

Jesus will uns das Kreuz nicht ersparen, denn er erspart sich selbst nicht das Kreuz. In wessen Familie in diesem Jahr der Tod eingekehrt ist, der weiß, das gerade Weihnachten das dunkle Kreuz hinter der Krippe übermächtig steht. Wer die Weltgeschichte verfolgt, der weiß, das auch an Weihnachten das Todeskreuz über unzählige Orte dieser Welt schwebt.

Jesus erspart uns das Kreuz nicht, aber wir wehren uns gegen Kreuz. Wir wollen es nicht. Wir wollen Frieden, für uns - für alle. Recht so! Aber bitte laut protestieren, solange wir dem Unfrieden widersprechen, sind wir auf dem Weg zum Frieden.

Den Frieden, den wir uns wünschen, in unseren vier Wänden, in unseren Herzen, den bringt uns Jesus nicht. Aber den Frieden, den wir brauchen. Der Frieden, der die Dinge beim Namen nennt, der uns in das Elend der Welt stellt, der uns aufbrechen lässt in die Auseinandersetzungen der Welt, mitten ins Schwert dieser Welt, dorthin, wo die Kreuze aufgerichtet sind.

Der Friede Jesu, der ohne Deckung nach der Ungerechtigkeit fragt, der widerspricht, der die Finger in blutenden Wunden dieser Welt legt. Kein Eia - popeia Frieden, wie ihn diese Welt uns gibt, schön verpackt doch ohne Inhalt. Jesus gibt uns seinen unschönen, unverpackten Frieden, dessen Antlitz das Elend dieser Welt ist.

Jesus legt uns den Frieden nicht in den Schoß. Er will uns aus den bequemen Weihnachtssesseln reißen, uns auf den Weg bringen zu einem Frieden, der es wirklich verdient, so genannt zu werden.

Das ist meine Aufgabe heute: Sie im Namen Jesu auf den Weg zu bringen. Auf seinen Friedensweg. Ein mühsamer Weg. Steinig und steil. Uns droht der Atem schnell auszugehen, wollen in den bequemen Sessel zurückfallen, doch dann wäre Jesus vergebens gekommen, dann wäre Weihnachten endgültig inhaltsleer, eine leichte Beute für Profithaie. Das Fest der Geschenke. Sich im Namen Jesu auf den Weg des Friedens machen: Das heißt langen Atem zu haben, ohne Kondition läuft gar nichts. Kein Weg des schnellen, vergänglichen Erfolgs, wohl des nachhaltigen und endgültigen Erfolges.

Kaum zu glauben, dass das Kind in der Krippe uns dazu anspornen will. Kaum zu glauben, dass das Kind in der Krippe mit uns diesen mühsamen Weg gehen will. Das Kind in der Krippe ist ohne das Kreuz nicht haben. Der Weihnachtsfrieden ist nicht ohne die Schmerzen der Leiden zu haben. Also nehmt euer Kreuz auf euch und folgt dem Krippenkind nach. Hört auf in euren Familien Waffenstillstände zu schließen, damit an anderer Front der Krieg wieder aufbricht. Tüncht in euren Familienidyllen nicht eure Konflikte zu. Pflastert eure Wunden nicht vorschnell zu, damit die Eiterbeulen nicht noch größer werden. Sprecht klare Worte, statt um des lieben Friedens willen zu schweigen. Scheut euch nicht das Schwert zu nehmen, wenn es die Eiterbeulen des faulen Friedens zwischen euch aufschneidet. Nur was offenliegt, was ausgesprochen ist, kann heilen. Weihnachten, da begegnen wir uns in unseren Familien. Eine Chance auf Frieden. Doch ohne Schmerzen wird es keinen geben. Das scharfe Schwert, das schmerzende Messer ist nötig, damit die Wunde den Eiter herauslässt. Weihnachten ist eine Chance dauerhaften Frieden bei uns zu verwirklichen. Versagen wir uns der Versuchung eines faulen Weihnachtsfriedens. Der stinkt zum Himmel, gärt vor sich und führt letztlich nur in die Hölle des unversöhnlichen Streites.

Der mühsame Frieden gleicht einem nicht endenden wollenden Marathonlauf. Frieden ist mit einem schnellen Sprint nicht zu haben. Ein Irrglaube, dem wir immer wieder aufsitzen. Friede kann nur werden, wenn man ihn erleidet. Ja, sie haben richtig gehört. Frieden muss erlitten werden, gemeinsam erlitten werden. Das Kind in der Krippe ermutigt uns zu diesem Weg. Damals im Stall zu Bethlehem machte es sich auf diesen Leidensweg. Von Anfang an stand sein Lebensweg unter dem Schatten von Kreuz und Schwert. Bedroht von den Häschern des Königs Herodes, der mit dem neuen Leben kurzen Prozess machen wollte. Gekreuzigt auf Golgatha. „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, um Frieden zu bringen," ruft uns das Kind in der Krippe, der Gekreuzigte, zu.

Auch die Mächtigen dieser Welt setzen lieber auf den Frieden des kurzen Prozesses. Wozu lange verhandeln, wenn die Waffen, die schnelleren Argumente liefern. Schnelle Eingreiftruppen werden aufgerüstet um schnellen Frieden zu stiften. Brüchig, in Schach gehalten. Brodelnd und stinkend unter der Oberfläche. Immer zur Explosion bereit. Frieden gekauft durch Waffen. Frieden auf den Rücken Millionen von Opfern. Dazu sagt das Kind von Bethlehem entschlossen nein. Und setzt seinen Entwurf vom Frieden ohne Gewalt dagegen.

Es ist ein langer, ein mühsamer Weg zum Frieden auf den uns das Kind in der Krippe einlädt. Es ist der Weg unter dem Zeichen von Schwert und Kreuz. Ein langer, aber kein endloser Weg. Es ist der Weg des Krippenkindes. Ein Weg, der letztlich zum Erfolg führt.

„Ich bin nicht gekommen", sagt das Krippenkind, „um euch den Frieden zu bringen. Den Frieden dieser Welt, diesen faulen Frieden, der so zum Himmel stinkt, dass sich die Engel angewidert abwenden. Ich bin gekommen, um euch meinen Frieden zu bringen. Kein Friede dieser Welt. Kein billiger, wertloser, brüchiger Friede. Mühsam, aber sicher, schmerzlich, doch heilend."

Wer Weihnachten feiern will, der muss in die Fußstapfen des Krippenkindes treten. Der muss das Kreuz fest im Blick haben und darf dem Schwert nicht ausweichen. Der darf sich vom Elend dieser Welt und dem Elend in ihm selbst abwenden. Es ein Weg voller Enttäuschung und Misserfolge. Aber weil es der Weg Gottes in dieser Welt ist, der Weg der Weihnachten mit der Geburt Jesu Christi begann, ist es auch der Weg der Freude und der Hoffnung. Amen

Pfarrer Jürgen Muthmann nach einer Predigt - Idee von Pfr. Rainer Stuhlmann

  Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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