Predigt am 5. Sonntag n. Trinitatis, 19. Juli 2003, Lukas 5,1-11

Kanzelgruß

1 Eines Tages stand Jesus am Ufer des Sees von Gennesaret . Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören.

2 Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze.

3 Er stieg in das eine, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück vom Ufer abzustoßen. Dann setzte er sich und sprach vom Boot aus zu der Menschenmenge.

4 Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: »Fahr hinaus auf den See und wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!«

5 Simon erwiderte: »Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen.«

6 Sie taten es und fingen so viele Fische, dass die Netze zu reißen begannen.

7 Sie mussten die Fischer im anderen Boot zur Hilfe herbeiwinken. Schließlich waren beide Boote so überladen, dass sie fast untergingen.

8 Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus nieder und bat: »Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!«

9 Denn ihn und alle anderen, die bei ihm im Boot waren, hatte die Furcht gepackt, weil sie einen so gewaltigen Fang gemacht hatten.

10 So ging es auch denen aus dem anderen Boot, Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Jesus aber sagte zu Simon: »Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du Menschen fischen!«

11 Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten Jesus.

 

Liebe Gemeinde,

eigentlich ist es seltsam mit solch biblischen Geschichten wie dieser des Fischzugs des Petrus. Da meint man, die Geschichte kenne ich doch schon in und auswendig. Was soll sie mir noch sagen? Und was soll sie meinen Zuhörern sagen, die nicht gerade zahlreich an einem Morgen wie diesem, einen ihnen recht bekannte Geschichte hören. Und dann bei Nachdenken, da fallen mir dann plötzlich einzelne Worte auf, da sehe ich unerwartet Bilder vor mir, die auf diese bekannte Geschichte eine neues Licht werden.

Vor sechs Jahren faszinierte mich das Wort Jesu. Allein auf sein Wort warfen Petrus und seine Fischerfreunde noch mal die Netze aus. Auf sein Wort, entgegen aller Vernunft.

Heute fasziniert mich ein anderes Wort. Eines, das ganz am Schluss der Geschichte steht. Eigentlich selbstverständlich und doch quasi revolutionär. Ein Wort, das mich in meiner gesicherten und bequemen Lebenslage nicht kalt lassen kann. Sie ließen alles liegen steht da…….

Sie ließen alles liegen….. Ich kann mir denken, dass dieses Wort völlig verschieden auf jedem von uns wirkt.

Sie ließen alles liegen… Vier Wörter, die alltägliches, aber auch ganze Menschenschicksale beschreiben können.

Was lösen diese Worte bei Ihnen aus? Ich selber muss zunächst an zu Hause denken. An die Sachen, die ich herumliegen lass. Die Spur der liegengelassenen Sachen, die meine Kinder manchmal hinter sich lassen. Alltägliches. Das widerfährt jedem von uns. Das kennen wir. Das nervt, aber es ist letztlich nicht von existenzieller Bedeutung.

Sie ließen alles liegen…. Wenn ich nicht aufpasse, lassen meine Konfis am Ende der Unterrichtsstunde alles stehen und liegen und sind schnell verschwunden. Dann muss ich die liegengelassenen Kugelschreiber und Bleistifte, das Papier wegräumen. Und vor allem die Stühle stapeln. Pech gehabt, es ärgert mich, aber mein Leben ändert sich dadurch nicht großartig.

Sie ließen alles liegen… Die Worte haben hier eine andere Bedeutung. Sie sind von großer Bedeutung. Sie sind wie eine Wegmarkierung. Von hier aus geht es in eine andere Richtung. Sie sind wie der Schlussstrich unter das bisher geführte Leben. Ab jetzt wird alles anders. Sie ließen alles liegen…. In diesen Worten können Menschenschicksale zusammengefasst werden.

Als ich mit meiner Familie hier nach Wanheimerort kam, 10 Jahre sind es mittlerweile her, da ließ ich in St. Augustin nur wenig zurück. Viele Sachen wurden fein Säuberlich in Umzugskartons gepackt. Ich glaube, es waren so um die 135 Kartons. Ab in der Lastwagen. Und hier am Hummelpfad wieder ausgepackt. Kaum zu glauben, wie viele Sachen man so mitschleppt. Dabei haben wir schon eine ganze Menge aussortiert. Wir ließen also ziemlich wenig liegen in St. Augustin. Aber viele unsere Bekanntschaften und Freundschaften ließen wir zurück. Doch einige haben bis heute Bestand.

Ich weiß, dass viele der Älteren unter ihnen ganz andere Gedanken bei diesen Worten haben. Viele von ihnen mussten alles liegen und stehen. Viele konnten nur das Allernötigste damals mitnehmen. Auf der Flucht. Im Krieg. Viele haben ihr Hab und Gut stehen und liegen lassen müssen. Ganze Häuser und Güter haben einige, die ich kennengelernt habe, stehen lassen müssen. In Ostpreußen, in Schlesien. Gerade was auf einen Karren oder in einen Koffer passte wurde mitgenommen. Und das, was jeder am Leib trug. Und manchem blieb am Ende nur das nackte Leben. Sie mussten alles liegen lassen. Aus Zwang. Es ging nicht anders. Und ihr Leben änderte sich von Grund auf. Sie baute sich eine neue Existenz auf. Doch nicht aus freien Stücken.

Nicht viel anders geht es den Menschen in den Kriegsgebieten unserer Erde. Auch die, die hierher gekommen sind. Und wenn sie zurück gehen, finden sie ihr Hab und Gut oft zerstört vor. Oder ein anderer besitzt es jetzt.

Es gibt noch einige Situationen, die wir uns vorstellen können, wo man alles liegen lässt. Katastrophen, Unglücke. Doch immer müssen wir vieles liegen lassen. Auch wenn Menschen sich trennen müssen, schon bei einer Scheidung, erst recht wenn der Tod kommt, lassen sie viel zurück und liegen.

Sie ließen alles liegen…. Ehrlich gesagt, wenn ich gefragt würde, ob ich für die Botschaft Jesu alles stehen und liegen lassen würden,…. Ich weiß es nicht. Ich habe schließlich eine Familie, eine Frau, vier Kinder. Es lebt sich ganz gut hier in Wanheimerort. Auch wenn mich einiges am Haus im Hummelpfad stört, so ist mir diese Vorstellung alles liegen zu lassen doch recht fremd. Sie können das ja mal für eigene Situation selbst überlegen. Würden sie alles liegen lassen.. für Jesus? Für Gott? Oder geht das dann doch zu weit?

Ich bewundere die ersten Jünger Jesu um ihren Mut. Da kommt dieser Jesus daher, vollbringt ein kleines Wunder, im Markusevangelium redet er übrigens nur mit Petrus und Andreas und den anderen. Und schon rennen sie ihm nach. Lassen alles liegen. Und nicht das sie meinen, die ersten Jünger hätten sich dadurch verbessert. Fischer waren in der damaligen Zeit zwar keine reichen Leute, doch sie hatten ein recht sicheres Einkommen. Von Petrus wissen wir, dass er verheiratet war. Ob er Kinder hat, ist nicht überliefert. Aber er hatte ein Haus und Schiffe. Also hätte er Gründe gehabt, nicht mit Jesus zu gehen. Doch er und die anderen gingen und folgten Jesus. Und wurden Menschenfischer. Sie ließen alles liegen. Petrus sein Haus. Die Schiffe und auch die Familien. Ob die Jünger sie wiedergesehen haben, wird nicht berichtet.

Warum taten sie das? Was faszinierte sie an Jesus, dass sie diese Schritte taten? Es ist ja nicht so, dass es so etwas heute nicht mehr gibt. Es gibt immer noch genug Menschen, die andere für ihre Sache so faszinieren können, dass diese alles stehen und liegen lassen. Es gibt viele Berichte darüber, gerade aus sektiererischen und sektenähnlichen Gemeinschaften. Es gibt genug Rattenfänger unter der Sonne Gottes, die mit Tricks und falschen Versprechungen viele Leute zu treuen Jünger machen. Doch am Ende steht meist der Verlust der Selbständigkeit oder gar der eigenen Identität und Persönlichkeit.

Ich denke es hat keinen Sinn hier zu spekulieren. Es ist Tatsache. Petrus, Andreas und die anderen ließen alles liegen, weil sie eben Jesus begegnet sind. Und keinem anderen.

Würden wir das tun? Würden wir merken, dass Jesus uns begegnet. Können wir uns Situationen vorstellen, in denen wir alles liegen lassen?

Über diese Frage wird viel nachgedacht. Und es ist geradezu eine Forderung von vielen Seiten, wenn du nicht alles aufgibst, kannst du kein richtiger Christ sein. Nicht alle, die Jesus begegnet sind ließen alles liegen. Lukas berichtet von 70 Jünger und Jüngerinnen, die bei Jesus waren. Aber viele blieben auch an den Orten, in denen sie wohnten. Obwohl sie Jesus begegnet sind. Martha und Maria fallen mir ein, Zachäus und viele andere. Auch sie waren Jünger Jesu. Vor Ort. Denn sie änderten ihr Leben und lebten im Sinne Jesu und erzählten von der Liebe Gottes allen Menschen, die ihnen begegneten. Sie ließen Jesus in ihrem Herzen liegen. Damit er sie von innen heraus verändert hat.

Sie ließen alles liegen…..Um Jesus nachzufolgen, müssen wir nicht alles liegen lassen. Wir sind an einem Ort gestellt und dort haben wir als Christen die Aufgabe Jesu nachzufolgen. Auch dort können wir Menschenfischer sein.

Ich lasse alles liegen…… in den Händen unseres Herrn Jesus. Ich vertraue darauf, dass Jesus mich dorthin führt, wo er mich braucht. Ich vertraue darauf, dass er mich ruft, wenn er mich woanders braucht. Ich habe keine Angst, denn ich weiß, dass Jesus mich begleitet…..

Er ist bei uns und der Friede Gottes unser aller Vater, begleitet uns in Jesus Christus, der uns in diese Welt gestellt hat, dort wo er uns braucht. Auch wenn es unseren Verstand und unsere Sinne übersteigt, unsere Herzen sind in Christus bewahrt. Amen

 
Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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