Predigt am 1. Sonntag nach Weihnachten, 28. Dezember 2003

Gnade sei mit euch von dem der da ist, der  da war und der da kommt, Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist!

Predigt über 1. Johannesbrief 1, 1-4

1Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens -

2 und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist -,

3 was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.

4 Und  das schreiben wir, damit  unsere Freude vollkommen sei..

 

Liebe Gemeinde!

Ein Wunsch! Ein Traum! Dabei gewesen zu sein. Heimlich den Hirten zu zu sehen, wie die Engel ihnen begegnen. Unauffällig ihnen folgen zum Stall, in dem das Kind liegt, Gottes Liebe in Menschengestalt. Einen Blick erhaschen auf das schlafende Kind. Einen winzigen Augenblick seine strahlenden Augen sehen. Dabei gewesen zu sein. Am Anfang. Als alles begann. Dabei gewesen zu sein wie die Hirten und allen die Botschaft weitererzählen vom dem Kind, dass die Erlösung für die ganze Welt ist……

Was von Anfang an war….. diese Worte mit meinen Sinnen zu begreifen, das Leben ist erschienen… und es am eigenen Leibe spüren.

Ich fühle mich erinnert an die Geburt meiner eigenen Kinder. Von Anfang an dabei gewesen zu sein. Ich spüre heute noch, wie wichtig es war, bei der Geburt dabei gewesen zu sein, oder zumindest ganz kurz danach bei meinen Kindern zu sein. In diesen Momenten entscheidet sich viel. Viel an Beziehung zwischen Kind und Eltern. Zwischen Mutter und Vater.

Ich spüre heute noch, wie elementar diese Geburtserlebnisse waren. Was da alles in mir passiert ist. Welche Gefühle mich durchflossen haben. Die gespürte Freude, das Lachen und die Tränen… Zu sehen mit meinen Augen wie die Kinder geboren werden, zu hören mit meinen Ohren, wie sie ihren ersten Schrei von sich geben, und sie schließlich in meinen eigenen Händen halten und betasten zu dürfen. Das Leben ist mir erschienen… Genau das geschah in jenen Momenten. Das Leben meiner eigenen Kinder ist mir erschienen.. und es hat mein Leben verändert.

Und auch ich habe es weitererzählt, der Familie und den Freunden verkündigt. Durchs Telefon oder auch direkt. Und viele haben sich mit mir und meiner Frau gefreut. Als ob für eine kurze Zeit eine besondere Art der Gemeinschaft entstanden ist. Und obwohl die Geburten alle nicht einfach waren, was haben sie doch meiner Frau und mir an Lebenskraft mitgegeben. Was von Anfang an war …. Das Leben ist mir erschienen. Worte, die für mein Leben wichtig sind. Worte, die mich daran erinnern, wie großartig sinnlich es ist, wenn uns das Leben erscheint.

Weihnachten ist nun fast vorbei – der Alltag ist bei manchen schon wieder eingekehrt. Vielleicht schon gestern durch die ersten Umtauschaktionen von nicht erwünschten Geschenken. Vielleicht durch die Meldungen von dem schrecklichen Erdbeben in der Stadt Bam im Iran. Vielleicht ist bei dem einen oder der anderen doch noch viel von dieser weihnachtlichen Ruhe vorhanden. Gerade diese Tage nach Weihnachten, vor Sylvester und an Neujahr. Sie haben eine eigentümliche Stimmung. Sie sind nicht ganz so hektisch wie die sonstige Zeit. Es ist Ferienzeit. Viele Arbeiten ruhen. Büros haben Geschlossen. Geschäfte machen Inventur. Im Fernsehen haben die Jahresrückblicke Hochkonjunktur. Nur die Knallerei am Sylvestertag stört diese Ruhe ein wenig.

Eigentlich eine besinnliche Zeit. Eine Zeit, in der wir uns Zeit nehmen können. Für uns selbst. Für Menschen, die uns wichtig sind. Eine Zeit in der wir uns besinnen können. In der wir spüren können, was besinnliche Weihnachten eigentlich sind.

Meist ist unser Wunsch anderen gegenüber um besinnliche Weihnachten ja so gemeint, dass wir dem anderen ruhige Weihnachten wünschen. Ohne viel Hektik, ohne Stress, im Kreise von geliebten Menschen. Manchmal drückt er auch aus: Bis hierher haben wir es geschafft. Jetzt kann uns nicht mehr viel passieren. Denn das Fest der Liebe und der Geburt Jesu ist doch für viele mit einer derartigen sinnlosen Hektik und gedrängten Terminen überflutet, dass am Ende statt besinnlicher Tage eher ein Zustand der Besinnungslosigkeit bei einigen herrscht. Und doch. Gerade diese Sinnlichkeit ist wichtig, damit wir verstehen, was Weihnachten ist. Doch seine Sinne spüren kann nur der, der sich Zeit nimmt, sich zu besinnen, zu spüren zu ertasten, was in ihm geschieht. Der seine Augen mal für einige Augenblicke schweifen lässt. Der versucht in der Stille vielleicht das Singen eines Vogels oder das Rauschen des Windes zu hören. Es kann passieren, dass in solchen Augenblicken das Leben erscheint…..

In diesen Tagen ist auch die Zeit zurückzublicken. 2003, was war das für ein Jahr. Ist mir da das Leben erschienen? Was ist gewesen? Wo geht mein Leben hin? Auf welchen Gleisen wird es fahren? Gab es Zeiten, in denen ich mein Leben gespürt habe, Zeiten in denen ich mich lebendig fühlte.. oder gab es auch Zeiten, in denen ich mich fühlte, als ob mir das Leben genommen worden wäre…?

Seit einigen Jahren haben wir zu Hause eine kleine Hilfe, damit wir uns mal Zeit nehmen. Es ist ein Kalender. Ein etwas anderer Advents-Kalender. Er heißt: Der andere Advent. Er umfasst die Advents- und Weihnachtszeit bis zum 6. Januar. Bilder und Texte laden zur Besinnung ein. Und wenn ich mir Zeit nehme, was ich beileibe nicht jeden Tag schaffe, dann habe ich manchmal das Gefühl: Da habe ich was in mir gespürt. Ich habe gespürt, dass ich noch lebe. Das Leben ist mir erschienen….

Heute ist eine verschneite Landschaft zu sehen Ein Mann kommt auf einer Lore sitzend und auf krummen Gleisen fahrend dem Betrachter entgegen. Er hält ein Licht in der Hand. Und als Text steht daneben: Er ist da! Und unter dem Bild steht ein Gedicht von Peter Horst:

 Sagt es leise weiter / sagt allen, die sich fürchten, / sagt leise zu ihnen: / Fürchtet euch nicht, / habt keine Angst mehr. / Gott ist da. / Er kam in unsere Welt, / einfach, arm, menschlich. / Sucht ihn, / macht euch auf den Weg! / Sucht ihn nicht über den Sternen, / nicht in Palästen, nicht hinter Schaufenstern. / Sucht ihn dort, wo ihr arm seid, / wo ihr traurig seid und Angst habt. / Da hat er sich verborgen, / da werdet ihr ihn finden, / wie einen Lichtschein im dunklen Gestrüpp, / wie eine tröstenden Hand, / wie eine Stimme, die leise sagt: / Fürchte dich nicht!

Worte wie Hinweise. Worte, die uns sagen wollen: Nicht die leuchtenden Straßen, nicht die lärmenden Städte, schon gar nicht die Glitzerwelten sind die Orte, an denen das Leben erscheint. Und wenn wir es doch noch sehr dort suchen, wir werden es nicht finden, das Leben. Es wird uns nicht erscheinen. Denn Jesus kam nicht an solchen unmenschlich schönen Orten zur Welt. Er kam in die dunkle Armut, in den zerrissenen Stall. Er kam dorthin, wo der Tod in der Kälte der Nacht und in Gestalt der Häscher des Herodes lauert. Er kam dort zur Welt, wo es das Leben am meisten braucht. Er erschien in der Dunkelheit der Einsamkeit, da wo Menschen Angst hatten, da wo der Tod nicht weit war. Da erschien das Leben.

Das Leben will da erscheinen, wo es wirklich gebraucht wird. Das sind die Orte der Armut und der Ungerechtigkeit. Aber noch viel näher bei uns sind es die Orte in uns, wo uns Trauer und Angst, Leid und gar der Tod bedrängen. Dort will das Leben erscheinen.  Dort hat Gott sich verborgen und will von uns gesehen und gehört werden. Berührt werden, wenn er uns seine Hand reicht.

Weihnachten bringt so manche Enttäuschung mit sich. Vielleicht ist für manche Menschen eben diese Weihnachtsbotschaft eine einzige Enttäuschung. Kein glitzernder König in einem Palast wird geboren. Nein, ein armseliges Kind in einem Stall am Rand eines kleinen Provinzkaffs. Gott enttäuscht unsere Weihnachtserwartungen. Aber wird er dadurch nicht für uns auch glaubwürdiger. Was würde uns denn ein behütetes Kind nützen, das die Härte des Lebens nicht sah, das die Nähe des Todes nicht spürte?

Das Krippenkind macht Gott glaubwürdig. Wenn er schon in solch ärmlichen Verhältnissen zur Welt, dann kann er auch bei mir erscheinen. Da kann das Leben bei mir erscheinen.

 

Es gibt kein Fest im Jahr, was uns mehr in unserer Sinnlichkeit anspricht als das Weihnachtsfest. Was wir in dieser Zeit nicht alles riechen, hören, sehen, fühlen, tasten können. Manchmal wird es schon zu viel. Davon zeugen nicht nur die Pfunde, die manch einer von uns über diese Tage angesetzt hat. Manchmal dauert es, bis wir in dieser Sinnüberflutung Weihnachten entdecken. Darüber können wir sogar alt werden wie Simeon und Hanna, denen erst am Lebensabend das Leben erschien. Dies es aber dann auch sogleich erkannten. Wie gut, dass wir Weihnachten jede Jahr feiern dürfen. Wie gut, dass Gott so ausdauernd ist mit uns, und sich immer bereithält in unserem Leben an unserer Seite zu erscheinen. Wie gut, dass er immer wieder Menschen den Mut und die Kraft und die richtigen Worte gibt, von seinem Kommen in diese Welt zu erzählen. Es ist wie ein Segen, wenn diese Worte weitererzählt werden. Diese Worte, die vor fast 2000 Jahren niedergeschrieben wurden, und die immer noch die Kraft haben, heute einen Anfang in vielen Menschen zu machen.

Und so gehören wir in die große Gemeinschaft derer die bezeugen, mir ist das Leben erschienen. Wir leben von den Worten, die uns erzählt wurden, die wir hören, sehen und berühren dürfen zu Weihnachten, und nicht nur dann…., diese Worte, die in uns eine große Freude auslösen darüber, dass Gott in unsere Welt gekommen ist. Ich habe von einem Gemeindeglied ein Gedicht am Heiligen Abend zu gesandt bekommen. Ein Gedicht, wie ein Geschenk, das davon berichtet, wo das Leben erscheint, wo es Weihnachten wird. Heute, in unserer Welt. Damit möchte ich enden.

Wann ist Weihnachten?

Wenn der Tannenbaum geschmückt, / die Geschenke verpackt,

die Krippe gerichtet, / das Essen bereitet ist?

Wenn die Glocken läuten, / die Kerzen brennen

und die Heilige Nacht beginnt?

Dann feiern wir ein Fest, / dann erinnern wir uns an die Geburt Jesu /

vor 2000 Jahren.

 

Oder ist Weihnachten...

 

...wenn Tränen trocknen / und Leiden endet,

wenn Menschen teilen / und Frieden finden,

wenn Not gelindert / und Freude empfunden,

wenn Gerechtigkeit geschaffen / und Liebe geschenkt wird?

 

Denn dann wird es heute hell auf dieser Erde,

dann wird Gott Mensch in dieser Welt.

 

Email: JMuthmann@t-online.de
Gerne antwortete ich per Email auf Reaktionen zu meiner Predigt
http://www.ekir.de/wanheimerort, Homepage der Gemeinde Duisburg-Wanheimerort

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